Pertussis-Zahlen steigen

Wie erkennen Apothekerinnen Keuchhusten?

Stuttgart - 22.05.2024, 16:43 Uhr

Für ungeimpfte Säuglinge kann Pertussis gefährlich werden. (Foto: Louis-Photo/AdobeStock)

Für ungeimpfte Säuglinge kann Pertussis gefährlich werden. (Foto: Louis-Photo/AdobeStock)


Die Keuchhusten-Fälle in Deutschland nehmen zu. Woran das liegen könnte und wie Sie Pertussis erkennen, lesen Sie hier.

Die Zahl der Keuchhusten-Fälle in Deutschland ist derzeit relativ hoch: Bis Mitte Mai wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) rund 4500 bestätigte Pertussis-Erkrankungen gemeldet. 2023 waren es im gleichen Zeitraum etwa 1500.

In einer dpa-Meldung wird die Kinderärztin und Epidemiologin Viktoria Schönfeld vom Robert Koch-Institut (RKI) zitiert: „Es gibt natürliche Schwankungen, durch die alle drei, vier, fünf Jahre deutlich höhere Zahlen zu beobachten sind. Es kann sein, dass wir jetzt auch in so was reinrutschen". Laut RKI steigt die Zahl der Keuchhusten-Fälle auch in anderen westlichen Ländern alle paar Jahre. Der Anstieg könnte auch mit Nachholeffekten aufgrund der Corona-Infektionsschutzmaßnahmen zusammenhängen. Schönfeld ordnet ein: „Wir haben ein Jahr mit vielen Keuchhusten-Erkrankungen, aber es gab auch schon Jahre, die mehr Keuchhusten-Erkrankungen in den ersten Quartalen hatten.“ Generell sind die Pertussis-Fallzahlen im Winter/Herbst höher, so das RKI.

Bordetella pertussis verursacht Keuchhusten

Keuchhusten wird vom gramnegativen Stäbchenbakterium Bordetella pertussis verursacht und über Tröpfcheninfektion weitergegeben. Die Inkubationszeit beträgt meistens neun bis zehn Tage. Bordetellen vermehren sich auf dem zilientragenden Epithel der Atemwegsmukosa, die lokal zerstört wird. Einige der Toxine der Bakterien schwächen zusätzlich lokal die Abwehrkräfte und verursachen Gewebeschäden, wie das RKI in der im Februar 2024 zuletzt aktualisierten Version des RKI-Ratgebers „Pertussis“ betont. B. pertussis ist der hauptsächliche Erreger des Keuchhustens. Jedoch können auch Infektionen mit B. parapertussis oder B. holmesii zu einem keuchhustenähnlichen Krankheitsbild führen, das aber meist leichter und kürzer als bei einer Erkrankung durch B. pertussis verläuft, so das RKI.

Wie erkennt man Pertussis?

Pertussis (Keuchhusten) kann über mehrere Wochen bis Monate andauern. Die typische Erstinfektion verläuft in drei Stadien: Das Stadium Catarrhale dauert ein bis zwei Wochen und ist durch erkältungsähnliche Symptome wie Husten oder Schnupfen gekennzeichnet. Die Patienten haben kein oder nur leichtes Fieber. Im Stadium convulsivum (Dauer 4 bis 6 Wochen) kommt es zu den klassischen Keuchhustensymptomen: anfallsartige Hustenstöße, gefolgt von einem Gefühl des Ziehens beim Einatmen. Das typische Keuchen oder Juchzen entsteht durch die plötzliche Inspiration gegen eine geschlossene Glottis am Ende des Anfalles. Weitere typische Anzeichen von Pertussis sind das Hervorwürgen von zähem Schleim und  Erbrechen während oder am Ende einer Hustenattacke. Die Hustenanfälle treten manchmal gehäuft nachts auf. Fieber haben die Patienten und Patientinnen nur leicht oder gar nicht. Tritt Fieber auf, so spricht das gegen einen Keuchhusten, es könnte aber auch eine Superinfektion vorliegen. Beim letzten Stadium, dem Stadium decrementi, das circa sechs bis zehn Wochen andauert, klingen die Hustenanfälle ab.

Das RKI informiert darüber, dass gerade Jugendliche, Erwachsene und geimpfte Kinder nicht die typischen Symptome zeigen, sondern langandauernden Husten ohne oder nur mit vereinzelten Kardinalzeichen haben. Auch bei Säuglingen findet man häufig untypische Krankheitsverläufe, hier stehen als Symptomatik nicht selten Apnoen im Vordergrund. Säuglinge haben zudem das höchste Risiko für schwerwiegende Komplikationen (wie zum Beispiel Pneumonie) und Krankenhausaufenthalte. Ein hoher Anteil aller Krankenhaus­behandlungen und fast alle Todesfälle betreffen junge, ungeimpfte Säuglinge unter sechs Monaten. 

Eine sichere Diagnose des Keuchhustens erfolgt  durch Labordiagnostik eines tiefen Rachenabstrichs. Zur Therapie wird eine Antibiose durchgeführt. Präventiv ist eine Impfung verfügbar. Da der Immunschutz nach der Impfung schnell nachlasse, so das RKI, und häufig die Auffrischimpfung im Jugendalter versäumt werde, seien Jugendliche und Erwachsene oft von Pertussis betroffen, sowie Säuglinge. Seit 2020 empfiehlt die Ständige Impfkommission daher, Schwangere im dritten Trimester zu impfen. Seit 2013 ist Pertussis meldepflichtig.

So erkennen Sie potenzielle Keuchhusten-Patienten 

In einer Metaanalyse, in der es um die klinische Identifizierung des Keuchhustens ging, wurde von Moore et al. 2019 zusammengefasst:

  • Bei Erwachsenen mit akutem (< drei Wochen) oder subakutem Husten (drei bis acht Wochen) sollten vier Schlüsselmerkmale bewertet werden: Hustenattacken, Erbrechen nach Hustenanfällen, Atemgeräusch beim Einatmen und Fehlen von Fieber. Treffen diese Anzeichen zu, deutet das auf Keuchhusten hin.
  • Wenn der Patient oder die Patientin Fieber hat oder der Husten nicht anfallsartig auftritt, ist eine Infektion mit Bordetella pertussis unwahrscheinlich.
  • Bei Pfeifen beim Einatmen oder bei Erbrechen nach dem Hustenanfall ist die Hustenursache wahrscheinlich Pertussis.

Die Empfehlungen der Experten der Metaanalyse für Kinder lauten:

  • Bei akutem Husten (< vier Wochen) sollten, wie bei den Erwachsenen, drei typische Merkmale beurteilt werden: Hustenanfälle, Erbrechen nach dem Husten und Atemgeräusch beim Einatmen.
  • Bei Erbrechen nach der Hustenattacke sollte an Pertussis gedacht werden.
  • Bei Hustenanfällen oder inspiratorischem Pfeifen könnte es ebenfalls Pertussis sein.

Juliane Russ, M.Sc., DAZ-Redakteurin
jruss@dav-medien.de


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