Eckpunkte auf dem Prüfstand

Ökonomisches Gutachten: Lauterbachs Apothekenreform verfehlt ihr Ziel

Potsdam - 23.04.2024, 17:50 Uhr

Volkswirt Professor Georg Götz aus Gießen beim Wirtschaftsforum in Potsdam. (Foto: DAZ / gbg)

Volkswirt Professor Georg Götz aus Gießen beim Wirtschaftsforum in Potsdam. (Foto: DAZ / gbg)


Könnte eine Umverteilung des Apothekenhonorars dazu beitragen, das Apothekensterben aufzuhalten? Eine Studie des Volkswirts Professor Georg Götz aus Gießen im Auftrag der ABDA kommt zu einem klaren Ergebnis: Die Umverteilungseffekte wären marginal und in keiner Weise geeignet, Betriebe in Existenznot zu retten. Der Gegenentwurf lässt allerdings aufhorchen – denn den Berechnungen des Ökonomen, wie man gefährdeten Apotheken tatsächlich helfen könnte, steht die Gleichpreisigkeit für Arzneimittel im Weg. 

In Deutschland gibt es immer weniger Apotheken – inzwischen sind es bereits weniger als 17.500 Betriebe, wie die ABDA-Geschäftsführerin Ökonomie, Claudia Korf, am heutigen Dienstag beim DAV-Wirtschaftsforum in Potsdam sagte. Um dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen, ohne mehr Geld ins System geben zu müssen, plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine Umverteilung des Honorars – weg von großen, umsatzstarken Apotheken hin zu kleinen, umsatzschwächeren Betrieben. Letztlich soll damit auch die Versorgung auf dem Land gesichert werden.

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Zu diesem Zweck ist in den Eckpunkten zur Apothekenreform unter anderem vorgesehen, die 3-Prozent-Marge schrittweise auf 2 Prozent zu senken und die frei werdenden finanziellen Mittel in eine Erhöhung des Fixums zu stecken. Ob damit das angestrebte Ziel erreicht werden kann, ließ die ABDA den Volkswirt Professor Georg Götz von der Justus-Liebig-Universität Gießen untersuchen. Seine Studie stellte er heute in Potsdam vor.

Gleich zu Beginn seines Vortrags stellte er unmissverständlich klar: Die Ansätze Lauterbachs werden existenzgefährdete Apotheken sicher nicht retten. Zwar treffe die Annahme zu, dass umsatzstarke Apotheken (> 3 Millionen Euro) vergleichsweise viele Hochpreiser abgeben – ihr durchschnittlicher AEP pro Packung lag im Jahr 2019 bei 46,78 Euro, während es bei Apotheken mit einem Jahresumsatz von weniger als 1 Million Euro nur 35,12 Euro waren. Götz‘ Berechnungen zeigen aber, dass eine ertragsneutrale Umverteilung à la Lauterbach den Apotheken mit einem Jahresumsatz von bis zu 1 Million Euro gerade einmal ein Plus von im Schnitt knapp 1.200 Euro bescheren würde. Betriebe mit einem Jahresumsatz zwischen 1 und 3 Millionen Euro bekämen im Mittel nicht einmal 900 Euro extra. Wer einen höheren Jahresumsatz generiert, würde hingegen mit durchschnittlich 2.175 Euro im Jahr belastet. „Das würde den Sterbeprozess marginal verzögern“, fasste der Ökonom zusammen.

Die Methodik

In die Studie flossen die Treuhand-Daten (Gewinn- und Verlustrechnung) von mehr als 2.500 Apotheken aus den Jahren 2013 bis 2023 ein. Für die Berechnungen zum Lauterbach’schen Umverteilungsmodell nutzten Götz und sein Team die Daten aus dem Jahr 2019, um zu verhindern, dass Pandemieeffekte die Ergebnisse verfälschen.

Um zu ermitteln, wie hoch der Finanzbedarf der gefährdeten Apotheken tatsächlich ist, teilten Götz und sein Team die Apotheken je nach Jahresumsatz in vier gleich große Quartile ein. Demnach erwirtschaftete das untere Viertel im Jahr 2023 gerade einmal ein Betriebsergebnis von durchschnittlich 44.000 Euro, wenn man die Notdienstpauschale, das Botendiensthonorar und Einkünfte aus pharmazeutischen Dienstleistungen herausrechnet. Inklusive dieser Zuschüsse waren es etwa 54.000 Euro. 

Zum Vergleich: Im umstrittenen 2hm-Gutachten gingen die Autoren dem Ökonomen zufolge von einem Betriebsergebnis von mindestens 100.000 Euro aus. Götz und sein Team orientierten sich an den Einkünften angestellter Apothekerinnen und Apotheker und zogen die Untergrenze bei 75.000 Euro. Ohne Zuschüsse fehlen den Apotheken im unteren Viertel folglich im Mittel etwa 30.000 Euro. Für diese und so manche Betriebe aus dem nächsthöheren Viertel gilt: Das Honorar reicht nicht aus, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, lautet die Diagnose des Volkswirts.

Wie kann es aber nun gelingen, das vom Bundesgesundheitsminister angestrebte Ziel zu erreichen? Sowohl eine Anpassung des Fixums als auch der 3-Prozent-Marge seien dazu als Hebel ungeeignet, sagte Götz – denn umsatzstarke Apotheken geben sowohl mehr als auch teurere Arzneimittel ab als umsatzschwächere. Sie würden also in jedem Fall besonders profitieren. 

Rechnung mit einer Mengenstaffel wirft Fragen auf

Der Ökonom und sein Team rechneten daher mit einer Mengenstaffel: Bis zu einer definierten Abgabemenge wird ein höheres Fixum gezahlt, für jede darüber hinausgehende Packung ein niedrigeres. Dieses niedrigere Fixum müsse jedoch mindestens kostendeckend sein. Als Schwellenwert zogen die Studienautoren eine Packungszahl von etwa 15.000 Stück heran. Denn das entspreche grob dem, was besonders umsatzschwache Apotheken abgeben. 

Unter der Voraussetzung, dass kein zusätzliches Geld ins System fließen soll, die existenzbedrohten Apotheken aber in ausreichendem Maße unterstützt werden, müsste demnach das obere Fixum bei 10,92 Euro (9,43 Euro nach Apothekenabschlag) liegen, das untere bei 7,49 Euro (6 Euro nach Apothekenabschlag). Dabei bleiben Götz und Kollegen „in der Denkwelt des BMG“ – der Apothekenabschlag wird also auf 1,77 Euro brutto (1,49 Euro netto) zurückgeschraubt, die Marge auf 2 Prozent gesenkt. In dieser Konstellation bekämen die Apotheken mit einem Jahresumsatz von weniger als 1 Million Euro im Mittel knapp 33.400 Euro extra, die Apotheken mit einem Jahresumsatz von 3 Millionen Euro oder mehr würden im Schnitt mit fast 30.000 Euro belastet.

Setzt man demgegenüber voraus, dass die umsatzstarken Apotheken nicht belastet werden sollen, ergibt sich ein unteres Fixum von 8,14 Euro (6,65 Euro nach Apothekenabschlag) pro Packung, das obere Fixum bliebe bei 10,92 Euro. Daraus folgten Mehrausgaben für die Gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von rund 310 Millionen Euro jährlich.

Die Berechnungen werfen Fragen auf – denn für die Umsetzung wäre es nötig, die Gleichpreisigkeit für Arzneimittel zu opfern. Auf Nachfrage der DAZ sagte Götz, der gewünschte Effekt lasse sich auch durch eine Art Bonussystem erreichen: Zunächst könnten demnach alle Apotheken die Arzneimittel für den Preis abgeben, der sich nach dem unteren Fixum ergibt. Im Anschluss werde dann für die ersten 15.000 Packungen eine Sonderzahlung fällig. Zudem betonte der Volkswirt während seines Vortrags mehrfach, dass die verwaltungsrechtliche Umsetzung nicht Gegenstand des Gutachtens gewesen sei. 


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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1 Kommentar

Das Ziel ist ja Vernichtung von Apotheken

von ratatosk am 24.04.2024 um 8:37 Uhr

Man kann sich Gutachten dazu bei Karl sparen, da er einfach Apotheken vernichten will, das sollte jetzt mal jeder auch kapiert haben.
Eine Basismenge mit geringerem Abschlag wäre natürlich eine einfache Sache, wenn man diese wollte, will man aber im BFARM natürlich nicht,
Es ist auch verlogen von dem angeblichen Problem des einheitlichen Apothekenpreises zu fabulieren, da die KK ja durch ihre intransparenten Hinterzimmerkickbacks ebenso jeweils andere Preise zahlen, hier sieht man ja erstaunlicherweise keine Problem - aber halt - hier ist es zum Wohl der KK , da gelten andere Grundsätze.
Es ist jetzt eine politische Entscheidung ob man Karls Weg der Vernichtung weiter bei SPD und Grünen unterstützt, in 2-4 Jahren ist es egal, dann ist die Lage so eskaliert, daß die flächendeckende Versorgung massiv zerstört ist und diese wird man auch nicht mehr aufbauen können, denn wer sollte noch so blöd sein im Vertrauen auf verlässliche Politische Vorgaben ein solches langfristiges Projekt wie eine Apothekengründung zu erwägen ?
Amazon und Co schnappen sich die Rosinen und Oma und Opa auf dem Land haben halt Pech gehabt.

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