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Zwischen Erkenntnis und Ignoranz
Das Krebsarzneimittel-Paradoxon
Der Umgang des Gesetzgebers mit Krebsarzneimitteln ist paradox: Auf der eine Seite hat er die Engpassrisiken bei generischen Präparaten erkannt und mit verschiedenen Instrumenten gegengesteuert. Auf der anderen Seite lässt er für biologische Onkologika jetzt die Substitution zu und drängt sie in exklusive Ausschreibungen. Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer fehlt das Verständnis, warum ein funktionierender Markt in Gefahr gebracht wird.
Vergangene Woche ist eine Änderung der Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Kraft getreten: Der G-BA ist dem gesetzlichen Auftrag nachgekommen, den Austausch von biologisch hergestellten Fertigarzneimitteln, die für parenterale Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patient*innen verwendet werden, auf Apothekenebene zu regeln. Die Vorgaben gelten also erst einmal nur für Apotheken mit Sterillabor.
Vorrangig, so bestimmt die Richtlinie in ihrem neuen § 40b, soll die Ersetzung durch ein Fertigarzneimittel erfolgen, für das ein Rabattvertrag nach § 130a Abs. 8c SGB V besteht – also ein von den Kassen einheitlich und gemeinsam auf Landesebene geschlossener Rabattvertrag. Diese spezielle gesetzliche Regelung für onkologische Fertigarzneimittel, die für parenterale Zubereitungen verwendet werden, wurde eingeführt, nachdem die Politik sich von den Rabattverträgen auf Apothekenebene verabschiedet hatte. Bislang gibt es allerdings solche einheitlichen und gemeinsamen Rabattverträge gar nicht. Die Kassen tun sich offensichtlich schwer, sich hier zusammenzutun. Eine dennoch aufgesetzte Ausschreibung endete zuletzt ohne Gebot. Bei biologischen Krebsarzneimitteln sind derzeit vielmehr Open-House-Verträge ein übliches Sparinstrument der Kassen.
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Wenn es nun keine Rabattverträge nach § 130a Abs. 8c SGB V gibt – nach welchen Kriterien soll der Austausch von Biologika in der Apotheke dann erfolgen? Der Gesetzgeber macht hier keine speziellen Vorgaben. Vielmehr sind derzeit Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband dabei, die Vorgaben des G-BA in der Anlage 3 der Hilfstaxe umzusetzen. Denn bislang sieht die Hilfstaxe keine besondere Abgabehierarchie vor. Wie weit diese Verhandlungen gediehen sind, ist bislang unklar. Vom DAV hieß es auf Nachfrage, die Vertragspartner hätten sich bereits über die technische Umsetzung zum 1. Juni 2024 einigen können. „Über die Anpassung des Vertragstextes zur Anlage 3 der Hilfstaxe, d.h. über die Regelungen zur Substitutionsgruppenbildung und die Abrechnungspreise, werden weiterhin Verhandlungen geführt“, erklärte am Mittwoch ein DAV -Sprecher.
Bork Bretthauer, Geschäftsführer des Branchenverbandes Pro Generika, kann nur hoffen, dass GKV-Spitzenverband und Apothekerschaft „Mittel und Wege finden, dass wir nicht in dieselbe Situation rasseln, wie wir sie bei Generika haben“. Seine Fantasie, wie hier die Lösung aussehen könnte, sei begrenzt, räumt er im Gespräch mit der DAZ ein.
Einsicht bei generischen (Krebs-)Arzneimitteln
Für Bretthauer ist es aber vor allem nicht nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber bei den biologischen Arzneimitteln nun den gleichen Weg einschlägt, der bei Generika in die Engpassmisere geführt hat. Bei Letzteren habe man erkannt, dass der große Preisdruck den Markt verengt und die Produktion in günstigere Länder verdrängt habe. Mit dem Arzneimittellieferengpassgesetz (ALBVVG) wollte man gegensteuern: Für Kinderarzneimittel, gegebenenfalls künftig aber auch für Krebsarzneimittel, können zum Beispiel die Festbeträge um 50 Prozent angehoben werden. Und für Antibiotika gibt es nun Rabattvertragsausschreibungen mit EU-Los, das heißt: Mindestens die Hälfte der Lose muss an Unternehmen vergeben werden, die für die Herstellung ihrer Arzneimittel in der EU oder im EWR produzierte Wirkstoffe verwenden. Diese Regelung könnte im Prinzip bald auch für Krebsarzneimittel gelten – die Vorbereitungen hierfür laufen jedenfalls. Das hatte das Bundesgesundheitsministerium mehrfach betont. Allerdings: Laut Pro Generika machen die vom ALBVVG erfassten Onkologika nur 0,4 Prozent der Generika-Verordnungen insgesamt aus, also eine insgesamt kleine Menge an Arzneimitteln.
Und nun die gleichen Fehler bei Biologika?
„Das ganze Regelungsgefüge für Krebsarzneimittel passt nicht mehr zusammen“, konstatiert Bretthauer gegenüber der DAZ. „Es gibt keine politische Strategie, wie wir mit diesen Arzneimitteln umgehen wollen“. Die Biosimilar-Substitution sei nicht etwa eingeführt worden, um Biosimilars schneller in die Versorgung zu bringen, sondern lediglich, um aus Open-House-Verträgen exklusive Ausschreibungen zu machen. Gegen Krebserkrankungen eingesetzte Biosimilars wie zum Beispiel Bevacizumab oder Trastuzumab hätten schließlich schon eine Marktdurchdringung von 80 bis 90 Prozent. Man habe hier einen rundum funktionierenden Markt: Biosimilars würden auch noch in nennenswertem Umfang in Deutschland oder der EU hergestellt, es gebe keine Abhängigkeiten, keine Engpässe. Und gespart werde ebenfalls: Die Abschläge der Hilfstaxe auf die Wirkstoffe lägen bei rund 60 bis 70 Prozent, zudem müssen die Hersteller den 7-prozentigen Abschlag zahlen und es gibt die Open-House-Verträge.
Hier jetzt in die exklusiven Ausschreibungen zu starten, ist aus Bretthauers Sicht höchst riskant – auch weil es weniger Unternehmen sind, die die Arzneimittel anbieten, als bei „normalen“ Generika. Und auch wenn die Biologika-Substitution auf Apothekenebene in einem sehr eng begrenzten Bereich beginnt – es ist ein höchst empfindlicher.
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