INTERPHARM: Diskussion zur Apothekenreform

„Systemzerstörende Wirkung“

Stuttgart - 05.03.2024, 07:00 Uhr

Podiumsdiskussion zur geplanten Apothekenreform mit hochkarätigen Teilnehmern (von links nach rechts): Prof. Dr. Elmar J. Mand (Universität Marburg), Ina Hofferberth (Geschäftsführerin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg), Moderator Dr. Christian Rotta (Gastgeber ApothekenRechtTag) sowie Rechtsanwalt Dr. Timo Kieser (Oppenländer). (Foto: DAZ / Moritz Hahn)

Podiumsdiskussion zur geplanten Apothekenreform mit hochkarätigen Teilnehmern (von links nach rechts): Prof. Dr. Elmar J. Mand (Universität Marburg), Ina Hofferberth (Geschäftsführerin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg), Moderator Dr. Christian Rotta (Gastgeber ApothekenRechtTag) sowie Rechtsanwalt Dr. Timo Kieser (Oppenländer). (Foto: DAZ / Moritz Hahn)


Mit den Risiken und Chancen des Eckpunktepapiers von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zur geplanten Apothekenreform hat sich eine prominent besetzte Diskussionsrunde auf der INTERPHARM befasst. Die Kritik reichte von den Plänen zur Honorierung bis zur möglichen Aushöhlung des Berufsstandes durch „Apotheken light“. An die beruflichen Standesvertretungen richteten die Experten den Appell, mehr politische Aufklärungsarbeit zu leisten und den Druck von unten nach oben zu verstärken.

Eigentlich klingt es ja recht überzeugend. Es besteht Handlungsbedarf, um die Versorgung in der Fläche zu gewährleisten, heißt es im Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Apothekenreform. „Das ist ein nobles, ein hehres Ziel“, sagte Dr. Christian Rotta, Gastgeber des ApothekenRechtTags und Herausgeber von Arzneimittel&Recht der DAV-Verlagsgruppe, in seinem Eingangsstatement. Um gleich die Frage hinterher zu schieben: „Kann das Papier dem gerecht werden?“.

Dieses Eckpunktepapier, dessen Details im Dezember 2023 bekannt geworden sind, stand im Zentrum einer Diskussionsrunde. Daran beteiligten sich unter der Moderation von Rotta die Geschäftsführerin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg, Ina Hofferberth, Professor Dr. Elmar J. Mand (Universität Marburg) sowie der Rechtsanwalt Dr. Timo Kieser (Oppenländer Rechtsanwälte).

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Wie berichtet, sieht das BMG in dem Papier die Gefahr, dass der Fachkräftemangel, ein wachsendes Stadt-Land-Gefälle sowie die Abwanderung in andere Beschäftigungszweige perspektivisch zu Versorgungseinschränkungen in der Fläche führen könnten. „Deshalb wollen wir die notwendigen Rahmenbedingungen für eine bessere Arzneimittelversorgung durch Apotheken in der Fläche schaffen“, so das Ministerium in dem Papier. Konkret geht es darin auf die Aspekte Honorierung, Apotheken ohne Approbierte, neue Aufgaben in der Versorgung und Bürokratieabbau ein.

Honorierung: An der Nase herumgeführt

In den Details erntete das Papier bei den Diskutanten trotz seines offenbar apothekenfreundlichen Tenors allerdings nur wenig Zustimmung. Das zeigte sich bereits beim Punkt Apotheken-Honorierung. So fand es Mand schon rein sprachlich „merkwürdig“, dass darin die erbrachten Leistungen der Apotheker zum „finanziellen Fördervolumen“ umdeklariert werden. Verbandschefin Hofferberth wiederum kritisierte, dass die vorgesehene Erhöhung der Nacht- und Notdienstzuschläge um insgesamt 50 Millionen Euro lediglich ein „Nasenwasser“ sei. Zudem sei die durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz beschlossene Erhöhung des Apothekenabschlags ohnehin auf zwei Jahre, also bis Ende 2025, befristet. Anschließend würden die Zuschläge für die Apotheken wieder steigen. Sie fühle sich an der Nase herumgeführt, wenn diese sowieso geplante Entwicklung nun als Bonus verkauft werde. Rechtsanwalt Kieser stimmte ihr hierin zu – aus seiner Sicht ist dies eine Taktik, die sich durch das gesamte Eckpunktepapier zieht.

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Handeln statt lamentieren

Auch die vorgesehene schrittweise Absenkung des prozentualen Zuschlags von derzeit 3 Prozent auf 2 Prozent des Apothekeneinkaufspreises konnte die Expertenrunde nicht überzeugen. Anwalt Kieser bezeichnete diese Maßnahme als „nicht angemessen“ und „Unverschämtheit“. Mand wiederum wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass die hochpreisigen Arzneimittel schon jetzt finanziell nicht attraktiv seien. „Es ist eine fehlgeleitete Meinung, dass mit hochpreisigen Arzneien tolle Geschäfte gemacht werden können. Das trifft zumindest für die Breite der Hochpreisigen nicht zu.“ Die bislang in der Arzneimittelpreisverordnung geregelte Vergütung der Apotheken soll nach dem Eckpunktepapier mit Wirkung zum 1. Januar 2027 bei der Bestimmung und Anpassung des Festzuschlages (Fixum) zugunsten einer Verhandlungsregelung zwischen GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband ersetzt werden. Kommt es zu keiner Einigung müsste dann die Schiedsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses angerufen werden.

Mand, der zurzeit Mitglied einer Schiedsstelle ist, wies darauf hin, dass sich eine solche Lösung bei der Frage nach der Vergütung der Apotheken noch hinziehen kann. Nicht nur, dass die Honorierungsargumente von Seiten der Schiedstelle schwer zu bewerten seien, die diskutierten Zahlen würden auch sämtlich bestritten. Die Länge des Verfahrens bezeichnete er als „grausig“.

„Apotheke Light“: systemzerstörende Wirkung

Auch der Aspekt der Telepharmazie beziehungsweise „Apotheke Light“, wonach nicht approbierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Videorücksprache mit einem voll ausgebildeten Apotheker Arzneimittel abgeben dürfen sollen, stieß in der Runde auf erheblichen Widerspruch. 

So wies Rotta darauf hin, dass die Argumentation des Eckpunktepapier, wonach solche Arzneimittelabgabestellen auf dem Lande besser seinen als keine Apotheken, nur auf den ersten Blick plausibel klinge. Auf den zweiten Blick werde schnell deutlich, dass solche „Zwergapotheken“ innerhalb kürzester Zeit bestehende Vollapotheken verdrängen und dadurch die Arzneimittelversorgung nicht verbessern, sondern verschlechtern würden. Sollte sich dieses Konzept durchsetzen, so Kieser, werde es die Apotheke in der heutigen Form in 20 Jahren nicht mehr geben.

Das sieht auch Ina Hofferberth so: Der vermeintlich kleine Eingriff habe eine „systemzerstörende Wirkung“. Wenn es dazu komme und künftig beispielsweise bundesweit an Bahnhöfen Abgabeautomaten aufgestellt würden, dann gebe es „kein Halten mehr“. Dann werde es den Beruf des Apothekers so nicht mehr geben.

Entbürokratisierung – „ein gefährlicher Begriff“

Für zusätzlichen Diskussionsbedarf sorgte der im Eckpunktepapier enthaltene Aspekt der Entbürokratisierung. „Ich halte das für einen sehr gefährlichen Begriff“, sagte Rotta. In Wirklichkeit gehe es hierbei um Liberalisierung und Deregulierung in einem Berufsstand, der aus gutem Grund reguliert sei: „Da sollen Pflöcke rausgenommen werden.“ Auch die Aussicht, dass Apotheker künftig zusätzliche Versorgungsaufgaben übernehmen sollen, wurde von den Fachleuten kritisch hinterfragt. Wie sollen die Apotheken dies bewältigen, wenn die Apothekenmitarbeiter schon heute nicht ausreichend bezahlt werden können und in der Branche Personalmangel herrsche? 

Was kann getan werden?

Angesicht der erwarteten tiefgreifenden Eingriffe in Honorierung und Struktur der Apothekerschaft und des „handwerklich unschlüssig ausgestalteten“ Eckpunktepapieres fragte Rotta in die Runde: „Lässt sich da noch was machen?“ Nach kurzem Schweigen wies Hofferberth darauf hin, dass es immerhin noch keinen Referentenentwurf gebe.

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass die Standesvertretungen aktiver werden müssen. So sollten diese nicht nur mehr politische Erziehungsarbeit leisten, sondern auch mehr Druck „von unten nach oben“ ausüben. Es müsse, so Hofferberth, „aus allen Rohren geschossen werden.“ Immerhin, Lichtblicke gibt es. So gab die baden-württembergische Verbandschefin zwar zu bedenken, dass man mit Lauterbach einen Gesundheitsminister habe, der nicht zuhöre; andererseits gebe es die Chance, auf dem Verhandlungsweg beispielsweise beim Thema Honorierung gewisse Fortschritte zu erzielen. 

Auch Anwalt Kieser warf abschließend zwei Aspekte des Eckpunktepapiers in die Runde, die aus seiner Sicht positiv zu bewerten sind: die vorgesehene Flexibilisierung der Öffnungszeiten sowie die Möglichkeit, eine Filialleitung künftig auf zwei Personen zu verteilen. „Immerhin ein kleiner Lichtblick in einem ansonsten dunklen Umfeld“, wie Rotta resümierte.


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Systemzerstörung durch Light

von Roland Mückschel am 05.03.2024 um 10:20 Uhr

Halte die Systemzerstörung durch die ABDA für
zerstörender für die meisten von uns.
Bin mir nicht sicher, aber das könnte alles das selbe sein.

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.

von Anita Peter am 05.03.2024 um 10:20 Uhr

"sowie die Abwanderung in andere Beschäftigungszweige"

Also im Bereich der Pflege, in dem besser verdient wird als im PTA/PKA Bereich will man den Personalmangel mit höheren Gehältern lösen. Bei uns verweigert man den Apotheken die Honorarerhöhung, die notwendig ist, um die Angestellten besser zu bezahlen. Was soll dieses verlogene Theater?

Unsere Angestellten sind im roten Bereich, weil sie täglich mit nicht funktionierenden erezepten, Lieferengpässen und daraus folglich schlecht gelaunten Kunden zu kämpfen haben, und dazu schlecht verdienen.

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