Gehalt, Schmerzensgeld oder Rendite-Turbo?

So können Apothekenleiter mehr Wertschöpfung aus den Mitarbeitern herausholen

Stuttgart - 29.02.2024, 07:00 Uhr

Die Mitarbeiter sollten für ihren Job motiviert sein. (Foto: Robert Kneschke/AdobeStock)

Die Mitarbeiter sollten für ihren Job motiviert sein. (Foto: Robert Kneschke/AdobeStock)


Die Gehälter machen rund die Hälfte des Rohertrages aus, und die meisten Apotheken können daran nicht allzu viel ändern. Entscheidend ist daher, was dafür geschieht. Trotz hoher Lohnkosten kann sich Ihr Betrieb renditeschwach dahinschleppen – oder florieren. Warum? Ein ausführlicher Beitrag aus dem aktuellen AWA klärt auf.

In der letzten Ausgabe des apothekenwirtschaftlichen Fachmagazins AWA  (AWA 3/2024, Seite 4 f.) haben wir uns die Wertschöpfungsketten angesehen und die erzielten Gewinne pro Mitarbeitenden verglichen. Traditionell liegen Handelsunternehmen dabei am unteren Rand. Dennoch gibt es auch hier beträchtliche Unterschiede. Einige tausend Euro mehr oder weniger Gewinn pro Kopf machen sich schon empfindlich bemerkbar.

Apotheke & Wirtschaft

Bei unserem bewährten Online-Format Apotheke & Wirtschaft am 2. März 2024 werden wir Lauterbachs Reformpläne ebenso diskutieren wie neue Märkte mit Zukunftspotenzial sowie das Profil einer erfolgreichen Apotheke in Zeiten von Abgabeautomaten, KI und einer durchdigitalisierten Kundenkommunikation. Zielgruppe sind Apothekeninhaber, denen die Chancen von morgen mehr am Herzen liegen als die verpassten Gelegenheiten von gestern.

Tickets und alle weiteren Infos gibt's hier. 

Doch wo liegen die Ansatzpunkte, mehr Wertschöpfung aus der menschlichen Arbeitskraft speziell in einer Apotheke herauszuholen? Ein wohl äußerst wichtiger Punkt liegt in der Motivation und Schaffenskraft der einzelnen Person. Ohne in den Sprech irgendwelcher Marketing-Gurus oder Motivationstrainer mit am Ende doch eher flachen Botschaften abgleiten zu wollen: Wenn jemand nicht richtig „zieht“, gehemmt ist oder gar bereits innerlich gekündigt hat und nur noch eine Anwesenheitsprämie oder gar „Schmerzensgeld“ mitnimmt, bedeutet das regelhaft den höchsten Verlust an Gewinnpotenzial.

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Potenziale heben

Während das in streng strukturierbaren und leicht messbaren Arbeiten noch am ehesten durch straffe Führung im Griff zu behalten ist, verliert sich das, je höher qualifiziert eine Tätigkeit ist. Die gereinigte Fläche je Stunde oder die Quadratmeter an verlegten Fliesen sind leicht nachprüfbar. Der Kundenkontakt in der Apotheke, neben den vielen anderen Aufgaben, ist da schon viel schwieriger in ein Schema F zu packen.

Natürlich gibt es auch hier Kenngrößen. Aber eingebettet sind diese viel mehr als in anderen Routinetätigkeiten in ein neudeutsch sogenanntes „Mindset“ oder schlicht den Leistungswillen und die Bereitschaft, persönlich das Beste zu geben – wie freundlich und zuvorkommend zu sein. Das lässt sich nur schwer mit der Brechstange verordnen, oder wird schnell papageienhaft-kafkaesk einschließlich „Uniform“, wie wir das von einigen (gern US-amerikanischen) Handelsketten kennen. Die Psychologie der Mitarbeitermotivation soll hier nicht vertieft werden, wohl aber die wirtschaftlichen Fakten, die sich daran bemessen:

  • Am augenfälligsten ist die „Schlagzahl“: Wie viele Kunden werden – und zwar mit Freude und positiver, intrinsischer Motivation – pro Stunde bedient? Notabene: Jeder Kunde mehr pro Stunde steht für 10 € bis 15 € Rohertrag und damit schon fast einem halben PTA-Stundenlohn.
  • Trick- und facettenreicher ist der erwirtschaftete Ertrag je Kunde, für dessen Optimierung es etliche Ansatzpunkte gibt – mit unter dem Strich aber einer sehr hohen Hebelwirkung auf den Gewinn.
  • Pflege und Ausbau der eigenen Marke: Das Erscheinungsbild, die Freundlichkeit, der „Spirit“ im Betrieb tragen nennenswert dazu bei, dass Kunden gerne (wieder-)kommen und die Konkurrenz deklassiert wird. Nebenbei: Attraktive Menschen haben mehr Erfolg und setzen mehr um, wobei Attraktivität viele Facetten über reine Schönheitsideale hinaus hat!
  • Besetzung renditeträchtiger Segmente und Nischen: ein weiterer Ansatzpunkt, die Rentabilität zu steigern. Mitarbeiter, welche solche Spezialsegmente bespielen können, erzielen höhere Erträge.

Welche Differenzen das ausmachen kann, illustriert beispielhaft die Tabelle 1 anhand dreier Vollzeit-PTA mit gleichen Lohnkosten (Annahme: 56.000 € p. a. zu Arbeitgeber-Vollkosten). Alle seien 1.300 Stunden pro Jahr im Handverkauf, den Rest von 400 bis 450 Stunden verbringen sie mit Verwaltung, Labor, Aushilfe in der Warenwirtschaft u. a. m.

Während PTA A Dienst nach Vorschrift macht, 9 Kunden je Stunde bedient und hier den nicht verhinderbaren Umsatz tätigt, ist die durchschnittliche PTA B schon etwas flinker unterwegs (10 Kunden pro Stunde) und tätigt auch den einen oder anderen Zusatzverkauf. Der Bonertrag liegt deshalb mit 14,25 € etwas höher. PTA C toppt das jedoch mit 11 Kunden je Stunde und nochmals höheren Erträgen von 14,75 € je Kunde.

Diese Werte sind realistisch. Unter dem Strich  addiert sich das zu beachtlichen Unterschieden in den Deckungsbeiträgen (= erzielter Mitarbeiter-Rohertrag minus Lohnkosten). Die schwache Kraft fällt gegenüber dem Durchschnitt um beachtliche 21.450 € ab, während die Top-Kraft sich um über 25.000 € vom Durchschnitt absetzt.

Verteilungsspielräume

Die Konsequenzen aus diesen Zahlen liegen auf der Hand:

  • Fordern (nämlich die schwächeren),
  • fördern (diejenigen, die im Mittelfeld unterwegs sind, aber auch noch Potenzial haben),
  • und die Top-Kräfte gut bei Laune halten, damit diese nicht irgendwann den Sinn ihres weit überdurchschnittlichen Engagements hinterfragen oder gar zu besseren Konditionen abwandern.

Dazu gilt es, zuerst die „Zugnummern“ und die „Mitläufer“ zu identifizieren. Mit den heutigen IT-Systemen ist das möglich, ergänzt durch die tägliche Anschauung. Letztere setzt voraus, dass Sie präsent sind und fein beobachten. Je nach Team kommt ein interner Wettbewerb in Betracht, der im angelsächsischen Raum verbreitet ist, wenn auch teils übertrieben. Aber wäre die „HV-Kraft des Monats“, aber auch die „Rezepturkönigin“, „Lagerfee“, der flinkste Bote oder der „Daniel Düsentrieb“ (mit den klügsten Ideen) nicht eine Überlegung wert?

Am Ende braucht es aber handfeste materielle Anreize. Ein Ansatz ist, Rohertragssteigerungen (z. B. nach dem 50–25–25-Schema, 50 % für Personal, 25 % für Sachkosten, 25 % für den Gewinn) sowohl als Gesamtprämie als auch persönlich nach individueller Leistung auszureichen. Dabei sollten Top-Leistungen mit wirklich attraktiven Ausschüttungen prämiert werden – die Zahlen, siehe oben, geben das her.

Fazit

Schwaches Personal kostet in der Apotheke viel Geld, so wie ein schlechter Lokführer nochmal sein Gehalt an unnötiger Energie verpulvern kann! Umgekehrt winken erhebliche Gewinn- und Effizienzsteigerungen, wenn es personell rund läuft.

Die Kennzahl „Gewinn pro Mitarbeitenden“ stellt sich so in einem ganz neuen Licht dar, nämlich als offenkundige Management-Herausforderung. Damit kommen wir wieder auf den Anfang zurück: Sinn für Wertschöpfung statt Rotieren im Hamsterrad, und zwar bei allen Beschäftigten, Chefin bzw. Chef eingeschlossen!

Exkurs: Lohnkosten in der Relation

Die Lokführer (und wenige Lokführerinnen) sind in aller Munde. Doch wie steht es eigentlich um die Relation des Gehaltes zu dem, was so ein „König der Schiene“ bewegt? Betrachten wir einen ICE bzw. Fernzug.

  • Anschaffungskosten um 30 Mio. €; die Kapitalkosten auf 25 bis 30 Jahre gerechnet betragen damit etwa 1,5 bis 2 Mio. € jährlich oder beachtliche 300 € bis 500 € je Betriebsstunde.
  • Wartung über 100.000 € p. a. und Verschleiß je nach Fahrweise.
  • Maximale Leistung etwa 6.000 KW bis 8.000 KW je nach Baureihe, somit teils über 500 € Stromkosten pro Stunde.
  • (Zeit-)Kosten für Verspätungen plus Folgewirkungen mit beachtlichen Dimensionen.

Dagegen betragen die Lohnkosten „nur“ etwa 35 € bis 45 € zu Vollkosten. Wenn da jemand schlechte Laune hat, verpulvert er ein Mehrfaches an Energie oder Zeitkosten der Fahrgäste!

Bei Piloten sind die Relationen noch extremer trotz hoher Löhne, angesichts von tausenden Litern Kerosinverbrauch je Flugstunde und nochmals weit höheren Kapital- und Wartungskosten. Quintessenz: Der Lohn ist das eine, Verantwortung und die Hebel in der Position für Einsparungen bzw. zusätzliche Wertschöpfung das andere!


Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Potentiale heben

von Dorf-Apothekerin am 29.02.2024 um 13:07 Uhr

Wichtig ist dass der Chef für eine positive Arbeitsatmosphäre sorgt,present und in der Lage ist Spannungen auszugleichen, Vorbild ist, dannarbeiten die Angestellten auch gerne für ihn und die Kunden. Eine gute PTA messe ich nicht an der Anzahl von Kunden pro Stunde, die ja auch erst einmal kommen müssen. Ich messe sie an ihren Stammkunden. Diese Stammkunden kommen, weil sie sich nicht abgefertigt sondern betreut fühlen. Wir haben es in der Regel mit Patienten zu tun, deren Therapieerfolg in erheblichem Maße von der Zuwendung abhängt. Menschen sind keine technischen Geräte, die zur Reparatur kommen! Und diese Betreuung kostet Zeit und damit Geld, das uns die KK beharrlich verweigern. Langfristig würden aber die KK durch vermiedene Folgekosten das wieder erwirtschaften können.
Von den oben errechneten 21 000 Euro hätte ich mir keine so dringend benötigte approbierte Person einstellen können.
Es scheint in den oberen Etagen immer noch nicht durchgedrungen zu sein, dass der Patient Apotheke mittlerweile lebensunfähig auf der Intensivstation liegt und Nahrung braucht und keine Berechnungen.

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passen unsere Narrative zusammen?

von Dr. House am 29.02.2024 um 9:00 Uhr

Diese wichtige und richtige, sowie für ein Unternehmen überlebensnotwendige Veranschauchlichung ist Ihnen gut gelungen, Herr Dr. Herzog.
Umso krasser muss der Widerspruch mit den PDL (Medicheck) auffallen. Ich arbeite ja, wenn ich für 1,5-2 Stunden Arbeitsaufwand 90€ bekomme, nicht nur gegen die Kunden/Rohertrag/Zeit-Ratio der PTA an, sondern eigentlich ja auch gegen die Zusatzverkäufe. Oder kann die PTA die OTC Arzneimittel genau so intensiv auf Plausibilität prüfen, wie ich es in meinem Medicheck tun sollte? Die einzige Chance da noch wirtschaftlich raus zu kommen ist: ich schaue nicht so genau hin. Sind wir mal ehrlich. Jeder zweite Diclo-Schmerzgel Patient, Thomapyrin/Neuranidal-Dauerkunde höheren Alters therapiert sich selbst viel zu weit jenseits der empfohlenen Grenze der Selbstmedikation.
Wir können das ganze ethisch betreiben, doch für wielange? Wie sehen die Betriebsergebnisse und die Apothekenzahlen dann aus? Wir sind ja schon maximal auf Kante genäht.

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