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Kommentierende Analyse Zu den Honorar-verhandlungen
Totalversagen mit Ansage
Die von Karl Lauterbach am Mittwoch publik gemachten Eckpunkte für eine Apothekenreform sind ein „Weihnachtsgeschenk“, auf das die Branche gerne verzichtet hätte. Die Strategie der ABDA mit ihren utopischen Forderungen ist damit krachend gescheitert, sie ist im Honorarpoker mit dem taktisch versierten Politprofi auf ganzer Linie unterlegen. Statt einer Honorarerhöhung XL wird es nun eine Umverteilung XS geben. Eine kommentierende Analyse von AWA-Chefredakteur Dr. Hubert Ortner.
Des Bundesgesundheitsministers Reformpläne für das Apothekenhonorar, die er ausgerechnet vier Tage vor Heiligabend via „Handelsblatt“ kundgetan hat, sind ein Desaster. Kaufmännisch betrachtet sind sie ein Nullsummenspiel, womöglich sogar ein Negativgeschäft. Umverteilung im XS-Format, statt Erhöhung im XL-Format, lassen sich die Kernpunkte des Eckpunktepapiers zusammenfassen. So soll das Rx-Fixum bis 2026 in zwei Stufen angehoben werden, Im Gegenzug soll der prozentuale Aufschlag von 3 % stufenweise auf 2 % abgesenkt werden. Damit wird das ohnehin risikoreiche Geschäft mit Hochpreisern noch unattraktiver, zudem wird das Honorar noch ein Stück mehr von der Umsatzentwicklung abgekoppelt. Und die Erhöhung des Festbetrags fällt derart mager aus, dass man – wie bei den 50 Cent fürs Lieferengpassmanagement – eigentlich von „Almosen“ sprechen müsste.
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Lauterbachs Eckpunkte für die Apothekenreform
Alle weiteren Details zu den Eckpunkten von Lauterbachs Reformvorschlägen hat Kollege Thomas Müller-Bohn in seinem Artikel „Nichts gewonnen“ gut beschrieben. Das gilt ebenfalls für die zukünftige Anpassung des Rx-Fixums, die der Bundesgesundheitsminister ab 1.1.2027 zu treuen Händen an die Selbstverwaltung übergeben möchte - die zuletzt nun wirklich nicht durch ihre Top-Performance aufgefallen ist. Der Fokus dieses Artikels liegt auf den politischen und wirtschaftlichen Hintergründen, warum die ABDA mit ihren utopischen Honorarforderungen so krachend gescheitert ist.
Profi versus Laienschauschspieltruppe
Kommt dieses Scheitern überraschend? Definitiv nicht. Karl Lauterbach hat eine substanzielle Honorarerhöhung stets kategorisch ausgeschlossen. Die Budgetlage der Krankenkassen gebe das nicht her, hat er immer wieder betont. Mehr Geld werde es allenfalls für zusätzliche Leistungen geben. In diesem zentralen Punkt ist er sich und seiner Position immer treu geblieben. Umso verwunderlicher, dass die ABDA diese glasklare Positionierung des Bundesgesundheitsministers schlicht ignoriert und eine Gegenposition aufgebaut hat, die unterschiedlicher nicht hätte sein können: Seit Monaten fordert sie unverdrossen eine Erhöhung des Rx-Festhonorars um 44 % (in Worten vierundvierzig Prozent) auf 12 Euro. Was die Beitragszahler mit gut 3 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich belasten würde.
Die Honorarforderung der ABDA war von vorneherein utopisch
Dabei ist das vermeintliche „Königsargument“, man würde nun schon fast 20 Jahre auf eine nennenswerte Honorarerhöhung warten, allenfalls für Chronisten von Interesse: Als ob Lauterbach dafür verantwortlich wäre, dass man es seinerzeit versäumt hatte, eine Koppelung der Vergütung an die wirtschaftliche Entwicklung festzuschreiben. Insoweit hatte die utopische Honorarforderung der ABDA von vorneherein nicht den Hauch einer Chance. Warum? Weil Lauterbach ganz genau weiß, wer in diesem Spiel der „Ober“ und wer der „Unter“ ist – beim bayrischen „Schafkopf“-Kartenspiel sticht der erstere immer den letzteren. Und weil er ein ausgekochter Profi ist, der mit allen Politwassern gewaschen ist, während die ABDA – anders als etwa die Ärztevertretung – nie über den Status einer Laienschauspieltruppe hinausgewachsen ist.
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Das Grundproblem der Apothekenstandesvertretung ist ihre mangelnde Glaubhaftigkeit außerhalb der eigenen Blase. Von jeher wird das Bild des armen, im Schweiße seines Angesichts hart arbeitenden und dennoch notleidenden Apothekeninhabers gezeichnet. Befeuert mit Zahlen, die konsequent dem einen Ziel untergeordnet waren und sind, die wirtschaftliche Situation der Apotheken schlechtzurechnen. Deshalb wird der Scheinwerferspot einseitig auf das unterste Viertel der Unternehmen gerichtet, von denen in der Tat eine wachsende Zahl in wirtschaftliche Schieflage gerät. Daraus jedoch die Schlussfolgerung zu ziehen, dass es im Grunde allen Apotheken von Flensburg bis Freilassing wirtschaftlich schlecht geht, wie das die ABDA bei jeder Gelegenheit tut, ist in der Sache falsch und unlauter. Richtig ist vielmehr, dass die Spreizung im Apothekenmarkt in den letzten fünf Jahren extrem zugenommen hat: So wie es auf der einen Seite eine wachsende Zahl an Apotheken gibt, die gerade noch so über die Runden kommen, gibt es auf der anderen Seite eine ebenfalls wachsende Zahl an Betrieben, denen es blendend geht. Es sei ihnen von Herzen gegönnt!
„Armutsstatistik" à la McKinsey gefällig?
Karl Lauterbach weiß das sehr genau. Und die Beamten im Bundesgesundheitsministerium können weit besser rechnen, als ihnen das oft unterstellt wird. Gegebenenfalls könnten sie sich auch ein wenig „Nachhilfeunterricht“ von McKinsey & Co. zukaufen – die richten ihren Fokus üblicherweise auf das oberste Viertel in einem Markt. Da würden wir uns verwundert die Augen reiben, wie deren „Armutsstatistik“ für unsere Branche ausfiele. Auch in diesem Punkt hat der SPD-Politiker mit offenen Karten gespielt und nie einen Hehl daraus gemacht, was er von den Zahlen der ABDA hält: nichts. Warum sonst hat er auf dem diesjährigen Apothekertag auf die Zahlen von Destatis referenziert und im Vorfeld an der Standesvertretung vorbei eigene Kontakte in die Branche geknüpft?
Lauterbach sieht keine Notwendigkeit, eine Schippe draufzulegen
Übrigens hat der Bundesgesundheitsminister seine ablehnende Haltung gegenüber einer substanziellen Honorarerhöhung auch klar begründet: Angesichts eines Apothekendurchschnittsgewinn von 165.000 Euro (Stand 2022, brutto vor Steuern) sehe er keinerlei Notwendigkeit, hier noch eine Schippe draufzulegen. Schon gar keine LKW-Ladung voll, wie von der ABDA gefordert. Da gäbe es andere Berufsgruppen, bei denen eine Einkommenserhöhung dringender vonnöten sei. Mit dieser Einschätzung weiß Lauterbach die Mehrzahl der Deutschen hinter sich – ob uns das gefällt oder nicht. Was ist schon die Aussagekraft von hunderttausenden „Wir haben euch Apotheker alle ganz dolle lieb“-Kärtchen, wenn man den Leuten verschweigt, wer die Zeche dafür bezahlt und wie hoch diese ausfällt?
Ohne Druckmittel kein Druck
So weit wie die Positionen von Lauterbach (kein Cent Erhöhung) und ABDA (3 Mrd. Euro mehr) lagen noch nicht einmal die Vorstellungen der streitbaren Gewerkschaft der Deutschen Lokomotivführer GDL und der Deutschen Bahn zu ihren „besten“ Zeiten auseinander. Doch fehlt den Apothekern im Gegensatz zu den Lokführern das entscheidende Druckmittel: Letztere schaffen es immerhin, deutschlandweit den Zugverkehr lahmzulegen, wie wir ab 8. Januar wieder erleben werden. Und erstere? Die Auswirkungen eines Apothekenstreiks sind tatsächlich weit geringer, als wir uns das innerhalb unserer Branchen-Blase gerne gegenseitig versichern. Das ist das eigentliche Dilemma: Die Abgabe von Fertigarzneimitteln ist zumindest für alle außerhalb der Branche bei weitem keine solche heilberufliche Raketenwissenschaft, wie stets behauptet. Insofern hat die ABDA sich und ihre Möglichkeiten im Honorarpoker der letzten sechs Monate völlig überschätzt und dabei geflissentlich ignoriert, wer hier der „Ober“ und wer der „Unter“ ist. . Das ist ein Scheitern auf der ganzen Linie mit Ansage!
„Wer beim Schafkopfspiel nicht weiß, wer der ‚Ober‘ und wer der ‚Unter‘ ist, der kann nur verlieren. Genauso ist es der ABDA nun ergangen: Sie hat mit den Protesten versucht, Druck auf Lauterbach aufzubauen – ohne ein wirksames Druckmittel in der Hand zu haben. Dass die Arzneimittelabgabe eine heilberufliche Raketenwissenschaft ist, glaubt nämlich außerhalb unserer Apothekenbranche niemand ernsthaft.“
Overwiening hat ein starkes „Wir“-Gefühl geschaffen
War damit alles umsonst – all die Proteste, die Geschlossenheit und der gemeinsame Kampf für bessere Rahmenbedingungen? Das sicher nicht. So muss man Overwiening zugutehalten, dass sie die „Deutsche Apothekerseele“ so gut erreicht hat wie wohl kein anderer ABDA-Funktionär vor ihr. Mit viel Empathie, einem kämpferischen Geist und den richtigen Worten hat sie ein starkes „Wir“-Gefühl geschaffen. So weit, so gut. Das ist aber nicht die primäre Aufgabe einer Standesvertretung – dafür kann man auch einen psychologisch geschulten Coach buchen. Die Kernaufgabe einer professionellen Interessenvertretung besteht schlicht darin, die wichtigsten Forderungen ihrer Klientel politisch durchzusetzen. Dazu braucht es zuerst eine realistische Selbst- und Fremdeinschätzung, sodann eine kluge Taktik und Verhandlungsgeschick. In all diesen Punkten muss man bei nüchterner Betrachtung einen Totalausfall konstatieren. Insoweit bräuchte die ABDA einen kompletten Reset. Personell wie strukturell. Sonst drehen wir uns auch in den nächsten Jahren weiterhin in unserer Blase im Kreis – ohne jede Durchschlagskraft nach außen. Wirkungslos mit sich und der Selbstvergewisserung nach innen („Was sind wir aber auch bemitleidenswert“) beschäftigt.
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Wenn es nach mir ginge, dann dürfte das Rx-Fixum gerne auf (eher realistische) 9,50 Euro erhöht werden, um die deutlichen Kostensteigerungen der letzten Monate aufzufangen. Das Leben ist aber kein Wunschkonzert. Und das deutsche Gesundheitssystem schon gar nicht.
15 Kommentare
Karlchens "Spezialkekse"
von ch_grom am 27.12.2023 um 12:51 Uhr
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Krachend daneben…
von Ulrich Ströh am 23.12.2023 um 8:46 Uhr
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AW: Krachend daneben
von Roland Mückschel am 23.12.2023 um 11:58 Uhr
Tschüss
von AufNimmerwiedersehen am 22.12.2023 um 21:53 Uhr
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Grandioser Kommentar
von Björn Kersting am 22.12.2023 um 18:39 Uhr
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Grenzwertige Analyse
von Dr. Christoph Behrendt am 22.12.2023 um 18:23 Uhr
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FA
von Dr. Radman am 22.12.2023 um 14:36 Uhr
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Hmm
von peter am 22.12.2023 um 14:09 Uhr
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AW: Hmm
von DAZ-Redaktion am 22.12.2023 um 14:39 Uhr
Herr Ortner
von Roland Mückschel am 22.12.2023 um 14:05 Uhr
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Oberschlaule
von Karl Friedrich Müller am 22.12.2023 um 14:01 Uhr
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.
von Anita Peter am 22.12.2023 um 13:17 Uhr
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eben nicht
von Mathias Mallach am 22.12.2023 um 13:07 Uhr
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AW: eben nicht
von DAZ-Redaktion am 22.12.2023 um 14:37 Uhr
Krachend verloren!
von Ulrich Ströh am 22.12.2023 um 12:38 Uhr
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