Pflanzenporträt

Nicht nur hübsch: Passionsblume

15.08.2023, 13:27 Uhr

Passionsblumenkraut wirkt regulierend auf das Zentralnervensystem und das Schlafzentrum und kann nervöse Unruhezustände und Schlafstörungen lindern. (Foto: Flower_Garden / AdobeStock)
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Passionsblumenkraut wirkt regulierend auf das Zentralnervensystem und das Schlafzentrum und kann nervöse Unruhezustände und Schlafstörungen lindern. (Foto: Flower_Garden / AdobeStock)


Faszinierend schöne Blüten und lange Ranken, die sich dekorativ an Spalieren oder um Drahtbögen winden – optisch macht die Passionsblume wirklich einiges her. Doch die Pflanze kann mehr als nur hübsch aussehen. Extrakte daraus haben sich bei der Behandlung von nervöser Unruhe und damit einhergehenden Schlafstörungen bewährt. 

Die Passionsblume (Passiflora incarnata) ist ein ursprünglich aus Amerika stammender, immergrüner Kletterstrauch. Sie gehört zur Familie der Passionsblumengewächse (Passifloraceae), die sich durch eine große Vielfalt auszeichnet: In der Natur findet man über 400 verschiedene Passiflora-Arten – inzwischen über die ganze Welt verteilt. 

Die Passionsblume wächst in tropischen Regionen ebenso wie in subtropischen und kommt auch mit gemäßigten Klimabedingungen zurecht. Nur Kälte und Frost mag die Pflanze nicht. Hierzulande findet man Passionsblumen daher hauptsächlich als Zimmerpflanzen. Blütezeit ist der Sommer. Die ersten Blüten zeigen sich im Juni, die letzten im September.

Wie die Passionsblume zu ihrem Namen kam

Ihren ungewöhnlichen Namen „Passionsblume = Leidensblume“ verdankt die Pflanze wahrscheinlich christlichen Missionaren, die im 16. Jahrhundert nach Amerika kamen. Sie sahen in dem auffallenden Erscheinungsbild der Passionsblume Elemente aus der Passion Jesu Christi. 

Die drei aufrecht stehenden Narben deuteten sie als Nägel, die fadenartige Umrandung der Blütenmitte als Dornenkrone und die Staubgefäße als Wundmale. In den zehn Blütenblättern erkannten sie zehn Apostel Jesu Christi, die Sprossranken der Pflanze wurden als Riemen der Geißel gedeutet und die drei Deckblätter um die Blüte herum erinnerten die Missionare an die Dreifaltigkeit. 

Passionsblume: Von Amerika nach Europa

Im 17. Jahrhundert fand die Passionsblume ihren Weg nach Europa, wo sie zunächst wegen ihrer prächtigen Blüten als Zierpflanze kultiviert wurde. Dass sie auch Potenzial als Arzneipflanze besitzt, war zu dieser Zeit zwar prinzipiell bereits bekannt. Unter anderem erwähnte der spanische Arzt Francisco Hernández in seinen Reisenotizen aus dem Jahr 1649, dass die Passionsblume gegen Schlaflosigkeit, Schmerzen und Appetitlosigkeit, Gifte und Melancholie helfe. Medizinisch erforscht und in der Folge auch genutzt wurde sie jedoch erst ab dem 19. Jahrhundert. 

Heute wird Passionsblumenkraut als pflanzliches Arzneimittel zur Behandlung von nervösen Unruhezuständen, Einschlafstörungen, Angstzuständen sowie nervös bedingten Beschwerden im Magen- und Darmbereich eingesetzt. Es liegt alleine oder in Kombination mit anderen pflanzlichen Komponenten in verschiedenen Fertigarzneimitteln vor.  

Beispiele für Passionsblumen-Monopräparate

Präparate (Hersteller)Wirkstoff (Konzentration pro Darreichung)
Dr. Böhm Passionsblume (Apomedica)Passionsblumenkraut-Trockenextrakt (425 mg) 
Lioran® classic für Nacht und Tag
(Cesra) 
Passionsblumenkraut-Trockenextrakt (260 mg) 
Lioran® centra zur Förderung des Schlafs (Cesra)Passionsblumenkraut-Trockenextrakt (425 mg) 
Pascoflair (Pascoe) Passionsblumenkraut-Trockenextrakt 
(425 mg) 
Passidon (Ardeypharm) Passionsblumenkraut-Trockenextrakt 
(260 mg) 
Passiobalance  (Stada) Passionsblumenkraut-Trockenextrakt 
(425 mg) 
Schoenenberger Naturreiner Heilpflanzensaft Passionsblumenkraut (Salus) Passionsblumenkraut-Presssaft (10 ml) 

Das steckt in Passionsblumen

Das arzneilich verwendete Kraut enthält verschiedene Flavonoide, hauptsächlich die C-Glycoside von Apigenin und Luteolin in variablen Anteilen, je nach Herkunft der Pflanze. Des Weiteren findet man in dem Kraut Cumarin-Derivate, essenzielle Fettsäuren sowie ätherische Öle. 

Für die arzneilich genutzten Effekte, die Passionsblumenkraut zugeschrieben werden, sind vor allem die Flavonoide verantwortlich. Sie hemmen über eine antagonistische Wirkung an GABA-B-Rezeptoren die Wiederaufnahme von Gamma-Aminobuttersäure (GABA) aus dem synaptischen Spalt. Darüber steigern sie die Wirkung des Neurotransmitters an GABA-A-Rezeptoren. Diese finden sich häufig an Nervenzellen und führen meist zu einer Hemmung der Nervenleitung.

Passionsblumenkraut wirkt daher regulierend auf das Zentralnervensystem und das Schlafzentrum und kann nervöse Unruhezustände und Schlafstörungen lindern. In Tierversuchen zeigte Passionsblumenkraut beruhigende, angstlösende und entzündungshemmende Effekte. 

Gut zu wissen: GABA-A-Rezeptoren sind auch ein Angriffspunkt von Benzodiazepinen und Alkohol. Allerdings binden diese an eine andere Untereinheit der Rezeptoren. Darüber erklärt sich, dass Passionsblumenkraut in Gegensatz zu Benzodiazepinen und Alkohol nicht zu einer Gewöhnung führt. 

Wirkungen in Studien belegt

Die beruhigende und angstlösende Wirkung von Passionsblumenkraut bzw. von daraus hergestellten Extrakten wurde wie bereits erwähnt in verschiedenen Tiermodellen gezeigt, darüber hinaus aber auch in kleineren klinischen Studien. Unter anderem wurde Passiflora-Extrakt mit Placebo bei Patienten verglichen, die eine Spinalanästhesie erhielten. 

30 Minuten vor dem Eingriff verabreicht, führte der Extrakt bei den Patienten zu einer signifikant geringeren Ängstlichkeit als in der Placebogruppe. In einer weiteren Studie erhielten 60 Probanden über einen Zeitraum von drei Tagen vor einem Bewerbungsgespräch entweder 3x täglich Passionsblumentrockenextrakt oder Placebo. Die Verumgruppe berichtete über eine bessere Schlafqualität als die Placebogruppe und ging entsprechend ausgeruhter in das Gespräch. 

Arzneipflanze des Jahres 2011

Die Passionsblume hat sowohl optisch als auch innerlich viel zu bieten. Ihren pharmakologischen Wirkungen verdankt sie es, dass sie im Jahr 2011 zur „Arzneipflanze des Jahres“ gekürt wurde. Weil „das Wirkprofil einzigartig ist und sie als Arzneipflanze eine lange Geschichte besitzt“ begründete der Studienkreis der Universität Würzburg, der die Auszeichnung vergibt, damals seine Wahl.  

Seit 1999 wählt der Würzburger Studienkreis, in dem Medizinhistoriker, Ärzte, Apotheker und Biologen vertreten sind, eine Arzneipflanze des Jahres. Das gekürte Gewächs soll eine interessante Kultur- und Medizingeschichte aufweisen, seine Wirkung muss in wissenschaftlichen Studien überprüft sein. 


Dr. Beatrice Rall, Redakteurin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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