Die Top-12-Kinderarzneistoffe

Olaflur für den Zahnschmelz – sind alle Fluoride gleich?

Rosenheim - 05.10.2022, 07:00 Uhr

Spätestens ab dem 1. Geburtstag sollte fluoridhaltige Zahnpasta zum Einsatz kommen. (Foto: LIGHTFIELD STUDIOS / AdobeStock) 

Spätestens ab dem 1. Geburtstag sollte fluoridhaltige Zahnpasta zum Einsatz kommen. (Foto: LIGHTFIELD STUDIOS / AdobeStock) 


In der Serie „Die Top-12-Kinderarzneistoffe“ beleuchtet die DAZ die Arzneimittel, die laut TK-Arzneimittelreport am häufigsten von Kinder- und Jugendmedizinern verordnet werden, aber zum Teil auch in der Selbstmedikation zum Einsatz kommen. Olaflur, ein Aminfluorid, fördert die Remineralisation von Zahnschmelz und kann dabei auch kleinste Defekte reparieren. Wie es wirkt und was es zu beachten gibt, darüber hat die DAZ mit Prof. Dr. Schiffner gesprochen. 

Zähne haben eine vielfältige Bedeutung: nicht nur zum Kauen, auch für die Ästhetik, das Sprechen und sogar die Sozialisation von Kindern. Am besten wird die richtige Zahnpflege daher von klein auf gelernt und etabliert. Mit dem ersten Zahn oder – falls Eltern zunächst Fluoridtabletten bevorzugen – spätestens mit vollendetem 1. Lebensjahr darf eine fluoridhaltige Zahnpasta nicht fehlen.

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Besser mit Fluorid

In Zahnpasten und -gelen kommen verschiedene Fluoridverbindungen zum Einsatz. „Grundsätzlich ist die Fluoridwirkung bei allen Fluoriden die gleiche“, erläutert Professor Dr. Ulrich Schiffner des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Der Oberarzt ist spezialisiert auf präventive Zahnmedizin sowie Kinderzahnheilkunde. „Fluorid wirkt direkt an der Zahnoberfläche und hat dort verschiedene Einzeleffekte.“ 

Je nach Konzentration, pH-Wert des Präparats und Zustand des Zahnschmelzes entsteht an der Schmelzoberfläche ein Calciumfluorid-Niederschlag. Er dient als Fluoridreservoir, aus dem Fluoridionen in Schmelz und Plaque diffundieren. Das ist deshalb so wichtig, da am Zahn permanent eine Entkalkung und Wiederauffüllung stattfindet. Zahnärzte nennen dies De- und Remineralisierung. „Essen wir etwas Süßes, entsteht in Zahnbelägen Säure und der Zahn wird entkalkt. Da wir aber diese Speicherschicht haben, ist Fluorid genau an der Stelle, an der wir es brauchen. Es verschiebt das Gleichgewicht hin zur Remineralisierung.“ Natürlich spielt sich all dies zunächst im submikroskopischen Bereich ab. Das ist aber nicht alles. Fluorid kann sogar etwas größere Fehlstellen im Kristallgitter auffüllen und einen beginnenden Defekt reparieren. Initialkaries ist so bis zu einem gewissen Punkt umkehrbar.

Olaflur als „Premium-Flourid“?

Wenn es um Kariesschutz ging, schnitten im Labor sogenannte Aminfluoride wie Olaflur stets am besten ab. Der Name Aminfluorid dient als Sammelbegriff und ist chemisch nicht ganz korrekt. Denn genau genommen handelt es sich um kationische Tenside mit einer langen, hydrophoben Alkylgruppe und einem polaren, protonierten Amin mit Fluoridanion.

Olaflur ist das Dihydrofluorid eines langkettigen tertiären Diamins. (Quelle: DAZ)

Durch diese Molekülstruktur wirken sie oberflächenaktiv und können besonders gut an der Deckschicht des Zahnes haften. Günstig auf die rasche Bildung von Calciumfluorid wirkt sich auch der pH-Wert der Aminfluoridprodukte zwischen 4,5 und 5,0 aus. Besonders interessant ist dabei ihre Affinität zu Plaque, die dort eine leicht erhöhte Fluoridkonzentration und längere Verweildauer ermöglicht. Zumindest in der Theorie bietet Olaflur damit Vorteile gegenüber beispielsweise Natriumfluorid, allerdings kommen in der Praxis zahlreiche Faktoren zusammen.

Richtige Dosis entscheidend

„Je höher konzentriert Fluorid auf die Zähne aufgetragen wird, desto weniger Karies“, fasst Schiffner das Ergebnis zahlreicher Studien zusammen. „Wir haben fast eine lineare Beziehung.“ Hochdosierte Fluoridgele, die beispielsweise einmal wöchentlich angewendet werden, können den Kariesschutz daher erhöhen.

Auf dem deutschen Markt gibt es drei hochdosierte Präparate (elmex Gelée, Ledermix Fluorid Gel, Dynexaminfluorid Gel), die Olaflur enthalten. Gemäß § 31 SGB V können im Rahmen der Individualprophylaxe bis zum 17. Lebensjahr apothekenpflichtige Fluoridarzneimittel zur häuslichen Anwendung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse verordnet werden.

Davon profitieren insbesondere Kinder ab sechs Jahren, die bereits Karies haben oder eine hohe Kariesgefährdung aufweisen. Auch ältere Kinder mit festen kieferorthopädischen Apparaturen haben ein erhöhtes Kariesrisiko. Das Gel wird einfach einmal pro Woche zum Zähneputzen aufgetragen, zwei Minuten einwirken gelassen und dann locker ausgespült. Zweckmäßig erfolgt die Anwendung vor dem Schlafengehen. Ein fester Wochentag wie beispielsweise Freitag als Start in das Wochenende kann helfen, eine Routine zu etablieren. Wichtige Voraussetzung ist allerdings, dass Kinder das Gel aktiv ausspucken können und nicht schlucken. „Das ist keine Gefährdung im Sinne von Lebensgefahr, aber Fluorose ist der einzige mögliche Nachteil erhöhter Fluoridaufnahme, und die möchten wir verhindern.“ Sie entsteht bei chronisch erhöhter Fluoridaufnahme und zeigt sich als weiße Flecken auf den Zähnen. Sinn machen diese Zahngele also etwa ab dem Schulalter.

Fluoride sind kein Allheilmittel gegen eine ungesunde Ernährung!

Sie ergänzen, ersetzen jedoch keinesfalls die gründliche Zahnpflege mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta. Zudem sind sie kein Allheilmittel gegen eine ungesunde Ernährung! „Fluorid verschiebt das Gleichgewicht zwischen De- und Remineralisation, bietet jedoch keine 100%ige Sicherheit“, mahnt Schiffner. Insbesondere wenn ständig Süßes konsumiert wird, die Zähne nicht gründlich geputzt werden, dabei Stellen oder enge Zahnkontakte immer wieder vergessen werden, könne auch Fluorid keine Karies sicher verhindern. Alles in allem sei die Zahngesundheit der Jugendlichen in Deutschland vorbildlich, schildert Schiffner. In den letzten zwanzig Jahren konnte bei 12-Jährigen Karies um 90 Prozent reduziert werden. Bei jüngeren Kindern ist hingegen noch viel Luft nach oben: Jedes siebte Kind im Alter von drei Jahren hat durchschnittlich vier kariöse Zähne. Zur Einschulung ist etwa die Hälfte der kariösen Zähne unversorgt. Denn je jünger die Patienten, desto schwieriger die Behandlung – mitunter ist sie sogar nur in Narkose möglich. Umso mehr zeigt sich: Vorsorge ist besser als Nachsorge.


Anna Carolin Antropov, Apothekerin
redaktion@daz.online


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