Fall-Kontroll-Studie aus England

Infekt unter oralen Antikoagulanzien erhöht Blutungsrisiko massiv

Stuttgart - 11.07.2022, 12:15 Uhr

Wer  eine orale Antikoagulation erhält und gleichzeitig an einem Atemwegsinfekt erkrankt, hat ein erhöhtes Blutungsrisiko. (x / Foto; Jelena Stanojkovic / AdobeStock)

Wer  eine orale Antikoagulation erhält und gleichzeitig an einem Atemwegsinfekt erkrankt, hat ein erhöhtes Blutungsrisiko. (x / Foto; Jelena Stanojkovic / AdobeStock)


Für Patienten, die eine orale Antikoagulation bekommen, kann ein Infekt der Atemwege zu einem deutlich erhöhten Blutungsrisiko führen. Eine Fall-Kontroll-Studie sollte nun klären, ob diese diese Komplikation auf den Infekt selbst zurückzuführen ist oder durch eine Interaktion mit Antibiotika verursacht wird, die zur Behandlung des Infekts eingenommen wurden.  

Die gleichzeitige Einnahme von Warfarin oder oralen direkten Antikoagulanzien und Antibiotika – vor allem von Makroliden und Fluorchinolonen – kann das Blutungsrisiko erhöhen. Ob dieses Risiko primär auf Interaktionen zwischen den Antikoagulanzien und Antibiotika oder auf die Infektion per se zurückzuführen ist, war bislang nicht bekannt. 

Um Klarheit zu gewinnen, wurde an Hausarztpraxen in England eine Fall-Kontroll-Studie durchgeführt. Die Kohorte umfasste 1.208 Erwachsene aus Hausarztpraxen, die Warfarin oder direkte orale Antikoagulanzien einnahmen und bei denen sowohl eine Blutungskomplikation als auch eine ambulant erworbene Atemwegsinfektion ohne anschließende Antibiotika-Therapie dokumentiert war. Für diese Patienten wurde die Häufigkeit von Blutungen innerhalb von zwei Wochen nach der nicht antibiotisch behandelten Atemwegsinfektion festgehalten. 

Die Kontrollgruppe bestand aus den gleichen Patienten, dieses Mal ohne eine Atemwegsinfektion, aber mit Blutungskomplikationen. Verglichen wurden also Blutungskomplikationen mit und ohne zeitnahe (innerhalb von 14 Tagen) Atemwegsinfektion in der Vorgeschichte. Die Komplikationen wurden in schwere Blutungen, die stationär behandelt werden mussten, und weniger schwere, aber klinisch relevante Blutungen unterteilt. Der gesamte Beobachtungszeitraum lag bei median 2,4 Jahren. 

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Innerhalb von 14 Tagen nach dem Hausarztbesuch aufgrund einer Atemwegsinfektion traten 41 schwere Blutungen und 81 klinisch relevante Blutungen auf. Ohne zeitlichen Zusammenhang mit der Atemwegsinfektion wurden 292 schwere und 1.003 klinisch relevante Blutungen registriert. Unter Berücksichtigung mehrerer Parameter wie etwa Alter der Probanden und Jahreszeit war die Zahl der Blutungskomplikationen innerhalb der ersten 14 Tage nach der Atemwegsinfektion mehr als doppelt so hoch wie in der infektionsfreien Zeit. Die Inzidenz für schwere Blutungen lag bei 2,68 (95%-Konfidenzintervall [KI] 1,83 bis 3,93) und jene für klinisch relevante Blutungen bei 2,32 (95%-KI: 1,82 bis 2,94). Die erhöhte Rate an Blutungskomplikationen war unabhängig vom Alter der Patienten und der Art der Antikoagulation (Warfarin oder direkte orale Antikoagulanzien).

Mögliche Konsequenzen

Die Vermutung, dass die Einnahme von Antibiotika das Blutungsrisiko unter einer Antikoagulation verstärkt, konnte somit nicht bestätigt werden. Als Ursache des erhöhten Risikos wird der Infekt angesehen. Vermutlich können akute Infekte das Gerinnungssystem im Sinn einer erhöhten Blutungsneigung verändern, so die Vermutung der Studienautoren. Bestätigen sich diese Ergebnisse in größeren Untersuchungen, könnte dies praktische Konsequenzen haben. Denkbar wäre eine Anpassung der Antikoagulanzien-­Therapie während der Infektion.

Literatur: Ahmed H et al. Respiratory tract infection and risk of bleeding in oral anticoagulant users: self-controlled case series. BMJ 2021;21;375:e068037, doi: 10.1136/bmj-2021-068037, PMID: 34933893, PMCID: PMC8689396


Dr. Petra Jungmayr, Apothekerin
redaktion@daz.online


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