Ärzte-Aufgaben für mehr Geld?

Ärzte wettern gegen pharmazeutische Dienstleistungen

Berlin - 13.06.2022, 16:45 Uhr

Apotheken können künftig eine erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation anbieten und erhalten dafür Geld von den Krankenkassen. In der Ärzteschaft sorgt dies für Kritik. (c / Foto: ABDA)

Apotheken können künftig eine erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation anbieten und erhalten dafür Geld von den Krankenkassen. In der Ärzteschaft sorgt dies für Kritik. (c / Foto: ABDA)


Die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen stehen. Bald können die Apotheken mit den ersten, von den Krankenkassen honorierten Angeboten für Versicherte starten. Harsche Kritik kommt nun aus der Ärzteschaft. Nachdem Apotheker:innen bereits gegen Grippe und COVID-19 impfen können, sehen einige Mediziner:innen den nächsten Angriff auf die hausärztliche Versorgung.

Seit vergangenem Freitag steht fest, welche fünf pharmazeutischen Dienstleistungen Apotheken Patienten künftig anbieten dürfen und wie viel Geld sie dafür erhalten. Die Schiedsstelle für Streitigkeiten von GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband hat das letzte Wort gesprochen.

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Am heutigen Montag regt sich nun Kritik in der Ärzteschaft. Als „inhaltlich fragwürdig und teuer“, bezeichnete Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), den Katalog pharmazeutischer Dienstleistungen. „Offenbar scheinen die Krankenkassen über genügend finanzielle Mittel zu verfügen. Da wäre es nur folgerichtig, die letztlich fundiertere ärztlich-medizinische Betreuung mindestens auf das den Apotheken zugestandene finanzielle Niveau anzuheben“. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte erbrächten die gleichen Leistungen, trotz der besseren fachlichen Qualifikation, derzeit zu einem deutlich geringeren Satz – das könne nicht sein, so Gassen. 

KBV-Vorstandsvize Stephan Hofmeister sieht gar einen „fundamentalen Angriff auf die hausärztliche Versorgung“. Er betont: „Nur die Ärztinnen und Ärzte weisen eine qualifizierte Heilkundeerlaubnis auf, die unter anderem die Anamnese, Untersuchung, Diagnostik und Differenzialdiagnosen sowie Pharmakotherapie umfasst. Die Apotheker haben dieses Wissen nun einmal nicht“.

Deutscher Hausärzteverband
Ulrich Weigeldt: Am Ende werden es die Hausärztinnen und Hausärzte richten müssen. 

Hausärzteverband befürchtet Versorgungschaos

Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, befürchtet wiederum, dass die Versorgung durch die „sogenannten pharmazeutischen Dienstleistungen“ weiter zerstückelt und hausärztliche Aufgaben ausgelagert würden. Wenn beim Medikationsmanagement in Zukunft neben den Krankenhäusern und diversen Fachärztinnen und Fachärzten auch noch die Apotheker:innen verstärkt mitmischten, wird aus seiner Sicht nichts besser. Mehr Akteure einzubeziehen, sei genau der falsche Weg, so Weigeldt. „Wir brauchen mehr Koordination und vor allem klare Verantwortlichkeiten. Wenn alle ein bisschen Verantwortung tragen, tut es am Ende keiner“.  Seine Befürchtung: Am Ende werden es die Hausärztinnen und Hausärzte, die für die Patient:innen ganz unterschiedliche Beratungen zusammenbringen und bewerten müssen. Der Hausärzte-Chef, der in der Vergangenheit auch immer wieder gegen impfende Apotheker:innen protestierte und dabei gern im gleichen Atemzug auf das Dispensierrecht der Ärzte zu sprechen kam, betonte aber auch, dass dies „keine mangelnde Wertschätzung der Kompetenzen der Apothekerinnen und Apotheker“ sei. Es sei „schlichtweg ein Blick auf die Versorgungsrealität, die eben nicht am grünen Tisch stattfindet“. Es gehe gar nicht, wenn Apotheker:innen durch Änderung der Dosierungen in die Therapie eingriffen.

Ein Dorn im Auge ist Weigeldt auch die Vergütung der Apotheken: „Hausärztliche Leistungen dürfen selbstverständlich nicht weniger wert sein als die Leistungen der Apothekerinnen und Apotheker. Alles andere würde wirklich kein Mensch mehr verstehen. Hier braucht es dann im Zweifel eine Anpassung der Bewertungen“.

Medi Verbund
Werner Baumgärtner: Das Problem sind nicht die Apothekerinnen und Apotheker, sondern die Politik. 

Medi-Verbund: Besser Ärzte angemessen vergüten

Auch der Ärzteverband Medi Verbund will nicht die Apotheker:innen selbst zum Problem machen. Dennoch sieht man in den Dienstleistungen nach der Grippeimpfung in Apotheken den „nächsten Seitenhieb für die niedergelassenen Hausarzt- und Facharztpraxen“. So sollten nun „anspruchsvolle Arzneimittelberatungen, Blutdruckkontrollen sowie Asthmatiker-Schulungen in Apotheken durchgeführt und dazu noch vergütet werden“, heißt es in einer Pressemitteilung. Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von Medi Geno Deutschland und Medi Baden-Württemberg, meint, die Politik sei das Problem: „Es wird versucht, mit Ideologie die ambulante Versorgung von Ärztinnen und Ärzten auf andere Heilberufe zu verlagern – ohne Sachverstand und Rücksicht auf die Versicherten.“ Aus seiner Sicht ist das schlicht unverantwortlich. „Wer Patientinnen und Patienten berät und behandelt, sollte nicht nur Medizin studiert haben, sondern klinische Erfahrung auf Facharztniveau haben“, so Baumgärtner.

Norbert Smetak, stellvertretender Vorsitzender von Medi Baden-Württemberg, ergänzt: „Wir Niedergelassene und unsere Praxisteams waren, sind und bleiben das Rückgrat in der Pandemie. Deshalb erwarten wir, dass uns und unseren Leistungen mehr Respekt entgegengebracht wird“. Statt ärztliche Leistungen in Apotheken zu bezahlen, sollte von den Kassen und der Politik endlich die Mehrarbeit der Praxisteams und der größere Aufwand in der Pandemie bezahlt werden. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

bitte trotzdem nach- und vordenken

von Dr. House am 14.06.2022 um 10:31 Uhr

Einige Punkte sind geldpolitisch, ok abgehakt als gute Lobbyarbeit - sowas darf man nicht persönlich nehmen. Aber es gibt auch gerechtfertigte Kritik! Bisher war ja eine Medikationsanalyse seitens der Apotheke eher ein Tipp oder im Extremfall der unterschwellige Ratschlag sich eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Mit den pharm. Dienstleistungen ist es nun aber ein echter Eingriff in die Therapie und wenn der Patient dadurch zu Schaden kommt, sind wir voll in der Verantwortung. Ich persönlich traue mir das voll umfänglich nicht zu, obwohl ich schon klinische Pharmazie hatte. Und ich kenne viele ältere Apotheker, die gerne mal Sachen wie das Impfen "nebenbei" machen, weil Apotheker ja alles Supermänner sind. Ich warne ausdrücklich davor Medikationsanalysen auf die leichte Schulter zu nehmen. Da kann sehr viel schief gehen - von Zerstörung des Arzt-Patientenverhältnis bis hin so lebensbedrohlichen Therapieversagern.

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Weltfremd

von Stefan Haydn am 14.06.2022 um 9:41 Uhr

Wie immer weltfremde Aussagen der Funktionäre.

Seit Jahren führe ich Beratungen zu Inhalationssystemen durch. Bis auf die Kinderärzte kommt da selten ein Patient, der aufgeklärt wurde.
"Da gibt es ein Video im Internet, schauen sie das an" ist die Aussage der Patienten aus hausärztlicher Versorgung.
Ich kann verstehen, wenn die Ärzte keine Lust oder Zeit haben, aber dann sollte der Apotheker für die geleistete Arbeit wenigstens auch Geld bekommen.
Sehen die Ärzte ja bei sich selbst auch so.

Und Inhalatoren sind da bei weitem nicht das einzige, das untergeht.
Ist auch nicht schlimm, dafür gibt es ja die "Arbeitsteilung". Nur kann es nicht sein, dass die Apotheken ständig unbezahlte Arbeit leisten, die Ärzte im Zweifel vergütet bekommen wollen.

Und immer das leidige Thema Grippeimpfung!
Liebe Ärzte, fangt doch mal an das Gesundheitswesen auch aus Sicht des Patienten zu betrachten.
Da würde manches "Schießen" gegen die Apotheken ganz schnell ausbleiben.

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pharmazeutische und ärztliche Dienst-Leistungen

von Thomas B am 14.06.2022 um 9:11 Uhr

Ich habe eine Menge Verständnis, wenn sich Ärzte mit Impf-Apotheken schwertun. Auch beim Blutdruckmessen könnte ich einen Aufschrei gerade noch so verstehen. Machen wir zwar, wenn erforderlich, aber keinesfalls in Konkurrenz zur Ärzteschaft. Und schon gar nicht bilden wir uns ein, das besser zu können als die Damen und Herren Halbgötter.

Aber seit wann sind Ärzte denn interessiert am oder gar besser beim Erklärbär-Spiel mit Asthma-Inhalatoren? Seit wann interessieren sie sich für OTC Arzneimittel oder gar Nahrungsergänzungen und kennen sich (natürlich!) auch da besser aus als Pharmazeuten? Warum nur fordern die kranken Kassen die Aufnahme der Pharm. Betreuung von Onkologiepatienten in die Liste der pharm. Dienstleistungen?
Es stünde allen gut, sich selbst ein bisschen weniger wichtig zu nehmen und stattdessen so wie eigentlich gedacht und auch in den diversen Gesetzesgrundlagen verankert "zum Wohle des Patienten zusammenzuarbeiten". Nicht dazu passen Neid, Ellenbogenmentalität und sich gegenseitig Knüppel zwischen die Füsse zu werfen.
Schliesst übrigens auch andere Leistungserbringer und insbesondere die kranken Kassen mit ein.

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locker bleiben

von Olaf Rose am 14.06.2022 um 9:07 Uhr

Dass die Funktionäre so reagieren und poltern darf man nicht überbewerten, auch wenn es aus unserer Sicht schön wäre, wenn sie sich (endlich einmal) konstruktiv äußern würden und die angebotene Zusammenarbeit auch öffentlich gutheißen würden. Was dem Patienten hilft wird sich letztlich immer durchsetzen. Die Versorgungsrealität mit überfüllten Praxen und Personalmangel auf allen Sektoren zwingt uns alle zur Zusammenarbeit. Vor Ort ist man über jede Hilfe dankbar.
Die ABDA hat trotzdem gut daran getan, dass die Dienstleistungen von uns selbst ausgelöst werden können. So werden sie unaufhaltbar kommen und schon bald zur Selbstverständlichkeit werden. Das nützt der beruflichen Entwicklung, macht die Apotheken attraktiver und vor allem hilft es dem Patienten. Lassen wir uns den Erfolg nicht klein reden!

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Enttäuschend

von Dr. med. S.Strube am 13.06.2022 um 21:24 Uhr

Enttäuschend, dass die Ärzteschaft nicht die Chancen einer zukunftsorientierten Zusammenarbeit mit Nutzung synergistischer Kompetenzen zweier HeilberuflerInnen in der ambulanten Versorgung vor Ort sieht. Sähen beide Berufsgruppen eine Chance zur Qualitätsverbesserung durch eine engere Zusammenarbeit im Rahmen der rationalen Pharmakotherapie - wie sie selbst erfahrene KlinikärztInnen mittlerweile durch ApothekerInnen auf Station zu schätzen wissen - könnte eine hohe Versorgungsqualität im ambulanten Setting gesichert werden. Eine Qualität, die TeleMEDIZIN- und TelePHARMAZIE-Anbieter langfristig ins Abseits befördern könnte und eine spürbare Verbesserung für jeden einzelnen Patienten bedeuten kann. In unserem Arbeitsalltag funktioniert diese Zusammenarbeit auf Augenhöhe seit geraumer Zeit im Übrigen sehr gut - zum Wohle von Arzt, Apotheker UND unseren Patienten!

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AW: Enttäuschend

von Dr. Radman am 14.06.2022 um 9:09 Uhr

...Sehe ich auch so. Vielen Dank für Ihren Beitrag!

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