Präeklampsie

Blutdruck-Selbstmessung in der Schwangerschaft – sinnvoll oder nutzlos?

Stuttgart - 19.05.2022, 16:15 Uhr

Neuen Untersuchungen zufolge nutzt eine zusätzliche Blutdruckselbstmessung nicht, um Bluthochdruck in der Schwangerschaft früher zu erkennen. (Foto: Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock)

Neuen Untersuchungen zufolge nutzt eine zusätzliche Blutdruckselbstmessung nicht, um Bluthochdruck in der Schwangerschaft früher zu erkennen. (Foto: Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock)


Profitieren Schwangere mit einem hohen Risiko für eine Präeklampsie von Blutdruckselbstmessungen zu Hause? Ob sich dadurch Bluthochdruck und Präeklampsie früher erkennen lassen, haben Wissenschaftler evaluiert.

Weltweit leiden etwa 18 Millionen Frauen an einer Schwangerschaftshypertonie1 (Daten aus 2019). Dabei zeichnet die unzureichende Behandlung von erhöhtem Blutdruck wesentlich für Todesfälle bei den Müttern verantwortlich und stellt einen Risikofaktor – neben Alter > 40 Jahre, BMI > 30, Erstgebärend, Diabetes mellitus, vorbestehende Nierenerkrankungen, chronische Hypertonie, Zustand nach Präeklampsie, familiäre Vorbelastung – für eine Präeklampsie dar.

Bei den routinemäßigen Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft bekommen Schwangere deswegen regelmäßig ihren Blutdruck bestimmt. Auch beim Präeklampsie-Screening im ersten Trimenon finden Blutdruckmessungen (zwei Werte in Folge an jedem Arm) statt und lassen vor allem das Risiko einer Early-Onset-Präeklampsie (vor 34 + 0 Schwangerschaftswochen) vorhersagen. Wie sinnvoll ist es, dass Schwangere darüber hinaus noch Blutdruck-Selbstkontrollen durchführen – wie es Hypertoniepatienten auch tun? 

Frauen mit zusätzlichen Risikofaktoren könnten unter Umständen von solchen Blutdruckselbstkontrollen profitieren – denn: „Blutdruck kann in der Schwangerschaft schnell steigen und eine Hypertonie zwischen zwei Arztbesuchen folglich unentdeckt bleiben“, schreiben Wissenschaftler in einem Beitrag im US-amerikanischen Ärzteblatt „JAMA“2. Bislang sind Blutdruckselbstkontrollen während der Schwangerschaft nur in kleinen und meist nicht randomisierte Machbarkeitsstudien untersucht worden, den JAMA-Wissenschaftlern zufolge häufig sogar ohne validierte Blutdruckmessgeräte, was die Aussagekraft der Studien einschränkt. Ihre Studie – „Blood Pressure Monitoring in High Risk Pregnancy to Improve the Detection and Monitoring of Hypertension (BUMP 1)“ – sollte dies ändern. Das Ziel war herauszufinden, ob sich bei Hochrisikopatienten, wenn diese zur üblichen Versorgung ihren Blutdruck zu Hause selbst bestimmen, ein klinischer Bluthochdruck schneller erkennen lässt.

2.441 Schwangere (16. bis 24. Schwangerschaftswoche) mit einem laut britischer NICE-Leitlinie3 erhöhtem Präeklampsie-Risiko (Alter > 40 Jahre, Nulliparität seit mehr als zehn Jahren, familiäre Vorgeschichte von Präeklampsie, Anamnese einer Präeklampsie oder von Schwangerschaftsbluthochdruck, BMI > 30, chronische Nierenerkrankung, Zwillingsschwangerschaft, Schwangerschaftsdiabetes, Autoimmunerkrankung, wie systemischer Lupus erythematodes oder Antiphospholipidsyndrom) erhielten entweder die übliche Standardbehandlung oder sollten zusätzlich ihren Blutdruck nach Schulung und schriftlicher Anweisung selbst bestimmen, was die Wissenschaftler über Telemonitoring überwachten. Nicht teilnehmen durften Schwangere, die bereits an Hypertonie litten, die Studie lief unverblindet. 

Die Schwangeren überprüften ihren Blutdruck dreimal pro Woche mit je zwei Messungen, wobei sie die zweite Messung über eine App übermittelten – bei zu hohen Werten erhielten sie die Aufforderung zu einer dritten Messung, war dieser Wert ebenfalls erhöht, sollten sie sich mit der örtlichen Entbindungsstation in Verbindung setzen. Das galt ab systolischen Werten von 135 bis 139 mmHg und diastolischen von 85 bis 89 mmHg.

Bluthochdruck wird nicht früher erkannt

Nach wie vielen Tagen wurde in den jeweiligen Gruppen erstmals eine klinische Hypertonie (anhaltender Bluthochdruck von mindestens 140/90 mmHg – systolisch oder diastolisch oder beides – über mindestens eine Woche) festgestellt (primärer Endpunkt)? Insgesamt entwickelten 363 Schwangere (15,5 Prozent) einen klinischen Bluthochdruck – 179 in der Selbstmessungsgruppe und 184 mit der üblichen Betreuung. Insgesamt kam es zu 102 Fällen (4 Prozent) von Präeklampsie. Bis erstmals eine klinische Hypertonie diagnostiziert wurde, dauerte es bei zusätzlicher Eigenblutdruckmessung 104,3 Tage, bei routinemäßiger Überwachung 106,2 Tage – der Unterschied von 1,6 Tagen war statistisch nicht signifikant.

Nicht weniger Fälle von Präeklampsie

Auch schien die regelmäßige Blutdruckselbstmessung sich weder auf die Rate von Präeklampsie, schwerem Bluthochdruck oder schweren mütterlichen Komplikationen, noch auf spontane Wehen oder das Angstempfinden der Schwangeren signifikant auszuwirken (sekundäre Endpunkte). Bezogen auf das Baby änderte die Blutdruckmessung ebenfalls nichts: Geburtsgewicht und Geburtszeitpunkt (Woche 39) waren in beiden Schwangerengruppen vergleichbar, auch, wie lange Babys im Krankenhaus waren oder auf der Neugeborenenstation betreut werden mussten. Totgeburten und neonatale Todesfälle werteten die Wissenschaftler aufgrund der geringen Häufigkeit nicht aus. 

Allerdings kam es zu 18 unerwünschten Ereignissen – zwölf (1 Prozent) in der Selbstkontrollgruppe (zwei Fehlgeburten, fünf Totgeburten, zwei Todesfälle bei Neugeborenen, drei Schwangerschaftsabbrüche wegen fetaler Anomalien) und sechs (0,5 Prozent) in der Gruppe mit üblicher Betreuung (drei Totgeburten und drei Schwangerschaftsabbrüche wegen fetaler Anomalien und Sepsis). Der Studienarzt bringt diese Ereignisse jedoch nicht mit der Intervention in Zusammenhang.

Das Fazit der Studienautoren: „Bei Schwangeren mit erhöhtem Präeklampsierisiko führte die Blutdruckselbstkontrolle mit Telemonitoring im Vergleich zur üblichen Betreuung nicht zu einer signifikant früheren Erkennung des Bluthochdrucks in der Klinik.“

Literatur:

1. BMC Pregnancy and Childbirth: Epidemiological trends of maternal hypertensive disorders of pregnancy at the global, regional, and national levels: a population‐based study; doi.org/10.1186/s12884-021-03809-2

2. JAMA: Effect of Self-monitoring of Blood Pressure on Diagnosis of Hypertension During Higher-Risk Pregnancy – The BUMP 1 Randomized Clinical Trial; doi:10.1001/jama.2022.4712

3. NICE: Hypertension in pregnancy: diagnosis and management (clinical guideline CG107). National Institute for Health and Care Excellence


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.