Plattformen vor Gericht

AKNR klagt gegen gesund.de

Berlin - 13.05.2022, 17:55 Uhr

(Screenshot:gesund.de)

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Telemedizinanbieter ohne fachliche Standards: Prüfpflicht für gesund.de? 

Im zweiten Teil der Klage geht es dann um die Verantwortlichkeit der Plattform für das Geschäftsmodell. Während die AKNR im Verfahren gegen Kurando diese Frage im Zusammenhang mit der Missachtung der Beratungspflicht aufgeworfen hat, setzt sie nun einen anderen Fokus: Es geht um elektronische Verordnungen, die von Telemedizin-Plattformen hereingespielt werden und die Apotheken laut vertraglicher Vereinbarung zur Abgabe des verordneten Arzneimittels berechtigen – ohne eigene Prüfung. Abseits dieser vertraglichen Regelung hält es die AKNR auch generell für unzulässig, dass Apotheken solche telemedizinischen Verordnungen einlösen, denen eine ärztliche Konsultation vorausgegangen ist, die nicht den medizinischen Standards entspricht – insbesondere solche, die sich im Ausfüllen eines Fragebogens erschöpfen. In diesem Zusammenhang verweist sie auf das im vergangenen Dezember ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs zur Werbung für Fernbehandlungen. Hier stellte das Gericht fest, dass es für Fernbehandlungen noch keine allgemein anerkannten fachlichen Standards gebe.

Douglas verweist in der Klageschrift darauf, dass Noventi, einer der gesund.de-Gesellschafter, mit dem Telemedizinanbieter GoSpring.de kooperiert. Mit einer Schnittstelle solle GoSpring-Kunden ermöglicht werden, „die unter Missachtung der medizinischen fachlichen Standards ausgestellten Verschreibungen dann über gesund.de einzulösen“. 

Der Partnervertrag erwecke den Eindruck, dass die Apotheke die Rechtmäßigkeit solcher Verordnungen gar nicht mehr prüfen müsse. Dabei sei es „ureigenste Aufgabe einer jeden Apotheke zu prüfen, ob eine Verschreibung ordnungsgemäß ist“. Ist sie das nämlich nicht, dürfe die Apotheke das Arzneimittel gar nicht abgeben. Mit der besagten vertraglichen Vereinbarung verstoße gesund.de gegen ihre wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten, heißt es in der Klageschrift. Es entspreche nicht der unternehmerischen Sorgfaltspflicht, Vertragspartner davon abzuhalten, die ihnen obliegenden Prüfpflichten einzuhalten. In einer solchen Situation sei es vielmehr Aufgabe der Plattform, die Ordnungsgemäßheit der ausgestellten Verschreibungen dem Grunde nach zu prüfen beziehungsweise – da gesund.de ja selbst keine Apotheke ist – sicherzustellen, dass die elektronischen Verschreibungen den medizinischen fachlichen Standards entsprechen. Ob gesund.de tatsächlich eine solche Verantwortung trifft, hat nun das Landgericht München zu prüfen.

Zuletzt fordert die AKNR auch noch die Rückzahlung bereits eingezogener Transaktionsgebühren an die Apotheken ein.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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