Schweden

E-Rezept geht zulasten der stationären Apotheken

11.04.2022, 15:15 Uhr

 Bis 2009 waren die Apotheken in Schweden in staatlicher Hand. (c / Foto: IMAGO / Kamerapress)

 Bis 2009 waren die Apotheken in Schweden in staatlicher Hand. (c / Foto: IMAGO / Kamerapress)


Erstmals seit der Liberalisierung weniger stationäre Apotheken 

Während der Versandhandel also boomt, nimmt die Zahl der stationären Apotheken ab – erstmals seit 2009 der Markt liberalisiert wurde. Sie ging 2021 von 1.433 auf 1.411 Betriebsstätten zurück. Bis 2009 waren nämlich die etwa 1.000 Apotheken in staatlicher Hand, nach der Marktfreigabe nahm die Zahl bislang immer zu. Geschlossen haben dem „Handelsblatt“ zufolge vor allem Apotheken in größeren Städten – hier scheine der Wettbewerb besonders groß zu sein, heißt es. In kleinen Städten hingegen sei die Apothekenzahl sogar leicht gestiegen.

Der Gründer der Online-Apotheke „Meds“, Björn Thorngren, erklärt das mit den „zunehmend digitalaffinen Großstadtbewohnern“. „Warum sollte ich in Stockholm in die Apotheke gehen, wenn ich das Medikament innerhalb von zwei Stunden geliefert bekomme?“ wird er zitiert. Zudem bieten auch in Schweden die Versender hohe Rabatte auf OTC. 

Längere Lieferzeiten außerhalb der Großstädte

Ein weiter Grund für die gegenläufige Entwicklung der Apothekenzahl in Groß- und Kleinstädten – neben vermeintlichen Unterschieden in der digitalen Affinität –  könnte sein, dass der Versandhandel außerhalb der Ballungsräume keine attraktive Alternative ist. So schrieb das IGES-Institut in seinem „Ökonomischem Gutachten zum Apothekenmarkt“ aus dem Jahr 2020: „In den Großstädten in Schweden könne dagegen die Bedeutung der Liefergeschwindigkeit auf die Marktentwicklung beobachtet werden: In Stockholm wird aufgrund von großen Arzneimittellagern innerhalb von zwei Stunden geliefert, im Vergleich dazu dauere die Lieferung in Göteborg ca. 24 Stunden und entsprechend hoch bzw. gering seien die Marktanteile des Versandhandels in diesen Städten.“ 

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Nichtsdestotrotz: Das E-Rezept ist in den Augen vieler in Schweden ein Gamechanger gewesen. Die Pandemie habe den Umsatz dann zusätzlich angekurbelt. „Die elektronische Verschreibungspflicht ist ein entscheidender Faktor für das explosive Wachstum der Online-Apotheken in Schweden“, wird Gustav Hasselgren, Chef der kleinsten der drei Online-Apotheken in Schweden Apohem, in dem Newsletter zitiert. Er wüsste nicht, warum das in Deutschland anders kommen sollte.

Warum sich trotz des großen Wachstums kein ausländischer Versender in Schweden breitmacht, begründet Meds-Gründer Thorngren mit dem komplizierten Markteinstieg. Man müsse sich an die nationale Apotheken-IT anschließen, außerdem hätten sich bereits Marken etabliert, das müssten andere aufholen. Ob diese Faktoren Zur Rose und Co. wirklich abschrecken oder ob nicht doch ganz andere Gründe eine Rolle spielen, zum Beispiel, dass einfach nicht genug zu holen ist, ist fraglich. Für die Entwicklung in Deutschland, wo sie sich bereits breitgemacht haben, ist diese Frage aber ohnehin hinfällig.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Nicht überraschend - bis auf Umweltirrsinn

von ratatosk am 12.04.2022 um 9:27 Uhr

Die politisch gewollte Bevorzugung des Versandes ist für alle klar, jedoch ist schon erstaunlich, daß eine angeblich so um die Umwelt besorgte jüngere Bevölkerung den verkehrstechnischen Irrsinn, des Versandes aus Bequemlichkeit bevorzugt. Bis auf Ausnahmen ist jedem klar, daß die meisten Medikamente auf den normalen Wegen ( aus Arzpraxis, Arbeit, Einkauf, Sport etc.etc. ) mitgenommen werden. Man kann auch nicht mit den vielen Radlern argumentieren, da die auch nicht alles leisten können und nebenbei bemerkt den Status mittelalterlicher Tagelöhner haben, soviel zur sonst so woken Jugend.
Leider aber schlagen Großkapital und Bequemlichkeit jede Vernunft.

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