DAZ-Fresh-up – was Apotheker wissen müssen

5 Jahre Medizinisches Cannabis auf Rezept – die wichtigsten Fragen und Antworten

Stuttgart - 09.03.2022, 07:00 Uhr

Verordnungen über medizinisches Cannabis gehören mittlerweile in den meisten Apotheken zum Alltag. (Foto: IMAGO / epd)

Verordnungen über medizinisches Cannabis gehören mittlerweile in den meisten Apotheken zum Alltag. (Foto: IMAGO / epd)


Seit dem Inkrafttreten des sogenannten „Cannabisgesetzes“ am 10. März 2017 können Ärzt:innen Patient:innen mit schwerwiegenden Erkrankungen und bei fehlenden Therapiealternativen medizinisches Cannabis verordnen. Vorab muss dazu eine Genehmigung bei der Krankenkasse eingeholt werden. Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein, was ist bei der Rezeptbelieferung in der Apotheke zu beachten und wie war das noch einmal mit den Hash-Codes? Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt – zum Auffrischen und immer wieder nachlesen. 

Welche Cannabis-Arzneimittel dürfen verschrieben werden?

Mit Änderungen in Betäubungsmittelgesetz (BtMG), Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) und fünftem Sozialgesetzbuch (SGB V) dürfen Cannabisblüten und -extrakte sowie Dronabinolzubereitungen auf einem BtM-Rezept zulasten einer GKV verordnet werden. 

Besteht für medizinisches Cannabis eine Genehmigungspflicht?

Patient:innen mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben nach § 31 Abs. 6 SGB V Anspruch auf eine Versorgung mit medizinischem Cannabis. Ärzt:innen müssen dazu vor Beginn der Therapie eine Genehmigung der Krankenkasse einholen, die nur in begründeten Ausnahmefällen abgelehnt werden darf. Für Patient:innen der PKV besteht kein Genehmigungsvorbehalt für medizinisches Cannabis. Dennoch kann es zur Ablehnung der Kostenübernahme kommen. Die Apotheke hat diesbezüglich jedoch keine Prüfpflicht, zur Vermeidung einer Retaxierung ist es allerdings ratsam, bei der Krankenkasse vor der Rezeptbelieferung nachzufragen, ob diese vorliegt. Sollte die Genehmigung für Cannabisblüten bestehen, so muss seit dem Inkrafttreten des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) im Jahre 2019 bei einer Änderung der Blütensorte keine erneute Genehmigung eingeholt werden. 

Dürfen Cannabisblüten und -extrakte in der Apotheke ausgetauscht werden?

Obwohl seit kurzer Zeit Rabattverträge für einige Cannabisprodukte bestehen, dürfen diese in der Apotheke nicht ausgetauscht werden. Das bezieht sich sowohl auf die Blütensorte als auch auf das Extrakt eines Herstellers. Dies gilt auch für den Fall eines Lieferengpasses. In diesem Falle muss ein neues Rezept ausgestellt werden. Hintergrund ist, dass die Angabe der Cannabisblütensorte bzw. des Extrakts eines Herstellers die Verschreibung eindeutig macht. Außerdem gelten laut DAV die Abgaberegelungen des Rahmenvertrags (§§ 10 bis 14) ausdrücklich nur für die Abgabe von Fertigarzneimitteln. Darunter seien Cannabisblüten, Cannabisextrakte und Dronabinol sowohl in unverändertem Zustand als auch in Zubereitungen nicht zu fassen. 

Ab wann muss bei Cannabisverordnungen das „Höchstmengen-A“ auf das BtM-Rezept?

Die Höchstmengen von Betäubungsmittelverschreibungen regelt § 2 Abs. 1 der BtMVV. Cannabisblüten: Bei der Verschreibung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten liegt die Höchstmenge bei 100.000 mg, also 100 g. Der Cannabinoidgehalt spielt dabei keine Rolle. Werden unterschiedliche Blütensorten verordnet, wird die Menge aller Blüten addiert. 

Cannabisextrakt: Wird Cannabisextrakt verordnet, liegt die Höchstmenge bei 1.000 mg, also 1 g. Hierbei wird die Menge auf den Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC)-Gehalt bezogen. Werden also beispielsweise 40 ml Cannabisextrakt mit einem THC-Gehalt von 20 mg/ml verordnet, werden für diese Verordnung 800 mg THC zur Berechnung der Höchstmenge herangezogen. 

Dronabinol: Die Höchstmenge für Dronabinol beträgt 500 mg. 

Die Höchstmengen (maximal zwei BtM) dürfen pro Patient:in in einem Zeitraum von 30 Tagen verordnet werden. Möchten verordnende Ärzt:innen diese Menge überschreiten, muss dies mit dem Buchstaben „A“ auf dem Verordnungsblatt gekennzeichnet werden.

Dürfen auf einem Rezept mehrere Cannabisprodukte verordnet werden?

Grundsätzlich ist es möglich, dass Ärzt:innen ihren Patient:innen verschiedene Extrakte oder Blütensorten verschreiben (unter Einhaltung der Höchstmengen). Jedoch dürfen sie nach Bundesmantelvertrag pro Verordnungsblatt nur eine Rezeptur verordnen. Da die Abrechnung für Cannabis-Rezepturen mittels Hash-Code erfolgt, ist die Abrechnung auch aus technischen Gründen nicht mehr anders möglich.

Was ist ein Hash-Code?

Seit dem 1. Juli 2021 müssen Rezepte über Cannabisrezepturen (Cannabisblüten, Cannabisextrakte und Dronabinol unverändert und in Zubereitungen) mit einem Hash-Code bedruckt werden. Der 40-stellige Code dient der Verknüpfung von Papierrezepten mit elektronisch an die Krankenkasse übermittelten Zusatzdaten (Z-Daten). Der Hash-Code wird in die 2. und 3. Taxzeile der Rezepte gedruckt. In die 1. Taxzeile wird die Sonder-PZN und die Gesamt-Taxe (inklusive BtM-Gebühr!) gedruckt. Gesamt-Brutto und die 1. Taxzeile weisen also denselben Betrag aus.

Quelle: DeutschesApothekenPortal

Hash-Code

PZN (10-stellig): Stellen 1–10

Faktor (3-stellig): Stellen 11–13

Taxe (7-stellig): Stellen 14–20

PZN (10-stellig): Stellen 21–30

Faktor (3-stellig): Stellen 31–33

Taxe (7-stellig): Stellen 34–40

Z-Daten: elektronische Zusatzdaten, die in bestimmten Fällen bei der Abrechnung einer Verordnung übermittelt werden

Die Übermittlung verschiedener Z-Segmente im Z-Datensatz von Cannabis-Rezepturen sieht unter anderem die PZN der eingesetzten Packung, die Menge und den Preis der verwendeten Bestandteile sowie das genaue Herstellungs- und Abgabedatum vor.

Welche Sonder-PZN gibt es für Cannabiszubereitungen?

AbrechnungSonder-PZN
Cannabisblüten in unverändertem Zustand06460694
Cannabisblüten in Zubereitungen06460665
Medizinalcannabis aus Deutschland, unverarbeitet06461423
Medizinialcannabis aus Deutschland in Zubereitung06461446
Cannabinoid-haltige Stoffe oder Fertigarzneimittel in Zubereitungen (z.B.  Herstellung Dronabinol-Kapseln/-Tropfen, Verdünnung Cannabisextrakte)06460748
Cannabinoid-haltige Stoffe in unverändertem Zustand (z.B. Abfüllen von  Cannabisextrakten)06460754

Wie werden Cannabis-Zubereitungen taxiert?

Seit dem 1. März 2020 bildet die Anlage 10 der Hilfstaxe die Berechnungsgrundlage für cannabinoidhaltige Arzneimittel. Zu beachten ist, dass diese nur für die Abrechnung von Rezepten der GKV gilt. Die Berechnung für Privatversicherte und Selbstzahler sowie für Rezepte zulasten der Berufsgenossenschaften richtet sich hingegen nach der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV); bei der Umfüllung nach § 4 AMPreisV, bei Herstellung einer Zubereitung nach § 5 AMPreisV.

Die Packungsgrößen bzw. Packungsgrößenkombinationen sind wirtschaftlich entsprechend dem stoffbezogenen Versorgungsbedarf der Apotheke auszuwählen.

Für die Zubereitungen dürfen verschiedene Zuschläge berechnet werden:

  • 90 % für die erforderlichen Hilfsstoffe und Verpackungen (§ 5 Abs. 1 Ziffer 1 AMPreisV)
  • Rezepturzuschlag (§ 5 Abs. 1 Ziffer 2 i.V.m. Abs. 3 AMPreisV)
  • Festzuschlag von 8,35 Euro (§ 5 Abs. 1 Ziffer 3 AMPreisV)

Für die Abgabe von Stoffen in unverändertem Zustand darf für die Verpackung ein prozentualer Aufschlag von 100 % nach § 4 Abs. 1 AMPreisV zuzüglich der BtM-Gebühr abgerechnet werden. Dabei handelt es sich um die Nettopreise ohne Umsatzsteuer.

Taxierung Cannabisblüten

Für die Cannabisblüten kann, unabhängig davon, ob es sich um eine Zubereitung oder um Blüten in unverändertem Zustand handelt, ein Festzuschlag von 9,52 Euro pro Gramm berechnet werden. Abhängig von der verordneten Menge kommen weitere Fixzuschläge dazu. Diese unterscheiden sich für Zubereitungen und unveränderte Blüten.

Verordnete MengeFixzuschlag für Cannabisblüten in unverändertem Zustand
Bis einschließlich 15,0 g9,52 € pro Gramm
> 15,0 g bis einschließlich 30,0 g3,70 € je weiteres Gramm
> 30,0 g2,60 € je weiteres Gramm
Verordnete MengeFixzuschlag für Cannabisblüten in Zubereitungen (verarbeitet)
Bis einschließlich 15,0 g8,56 € pro Gramm
> 15,0 g bis einschließlich 30,0 g3,70 € je weiteres Gramm
> 30,0 g2,60 € je weiteres Gramm

Taxierung Cannabisextrakte

Bei Cannabisextrakten sind die günstigsten Apothekeneinkaufspreise (AEK) pro Milliliter abrechenbar. Zusätzlich können bei Cannabisextrakten, die unverändert abgefüllt werden, folgende Zuschläge je nach AEK des Extrakts abgerechnet werden:

AEKZuschlag
≤ 4,85 € pro Milliliter100 % des AEK je Milliliter, bis max. 80,00 €
> 4,85 € pro Milliliter4,85 € je Milliliter, bis max. 80,00 €

Bei Cannabisextrakten in Zubereitungen werden bis maximal 80 Euro 90 % auf den günstigsten AEK pro Milliliter aufgeschlagen. Bei Verwendung mehrerer Packungen wird für die Berechnung des Zuschlags zuerst der günstigste AEK herangezogen. Ist die maximale Summe von 80 Euro erreicht, werden für jeden weiteren Milliliter 3 % auf den für die Restmenge ermittelten Preis aufgeschlagen. Ist die Menge des Extrakts in Gramm angegeben, muss sie zur Preisberechnung anhand der Dichte in Milliliter umgerechnet werden.

Taxierung Dronabinol

Auch bei Zubereitungen mit Dronabinol können die günstigsten AEK pro Milligramm abgerechnet werden. Bis maximal 100 Euro kann außerdem ein Zuschlag von 90 % auf den AEK pro Milligramm geltend gemacht werden. Bei Verwendung mehrerer Packungen wird auch hier mit dem günstigsten AEK begonnen. Ist die maximale Summe von 100 Euro erreicht, können nur noch 3 % auf den AEK der Restmenge (in Milligramm) aufgeschlagen werden.

Worauf muss die Apotheke bei der Rezeptbelieferung achten?

Cannabisblüten, Cannabisextrakte sowie Dronabinolzubereitungen müssen auf einem BtM-Rezept verordnet werden.

  1. Ausstellungdatum: Ein BtM-Rezept muss laut BtMVV nach 8 Tagen (Ausstellungsdatum + 7 Tage) in der Apotheke vorgelegt werden.
  2. Eindeutige Verordnung: Die Angabe der Blütensorte und des spezifischen Extraktes ist notwendig und machen die Verordnung eindeutig. Die Angabe „Cannabis flos“ ist beispielsweise nicht ausreichend. Die Gewichtsmenge des Produktes ist je Packungseinheit bzw. je abgeteilter Form anzugeben. Die Menge des Arzneimittels muss in Gramm oder Milliliter bzw. Stückzahl bei abgeteilter Form verordnet werden.
  3. Dosierungsangabe: Eine Dosierungsangabe ist unbedingt erforderlich. Wurde der Vermerk „Gemäß schriftlicher Anweisung“ auf das Rezept gebracht, so muss diese auch der Apotheke in schriftlicher Form tatsächlich vorliegen oder zumindest von den Patient:innen vorgezeigt werden. Das ergibt sich aus der Kennzeichnungspflicht der Primärverpackung bei Rezepturarzneimitteln gemäß § 14 ApBetrO. Fehlt diese Angabe, ist die Rezeptur als nicht plausibel einzustufen.
  4. Arztstempel: Name, Vorname, Berufsbezeichnung der ärztlichen Person und Anschrift der Praxis oder der Klinik einschließlich einer Telefonnummer zur Kontaktaufnahme (§ 2 Abs. 1 AMVV) müssen auf dem Rezept angegeben werden.
  5. Höchstmengen: Die Höchstmengen nach § 2 Abs. 1 BtMVV müssen eingehalten werden (vgl. Abschnitt „Ab wann muss bei Cannabisverordnungen das „Höchstmengen-A“ auf das BtM-Rezept?“). Bei Überschreitung muss die ärztliche Person dieses durch den Buchstaben „A“ kenntlich machen.
  6. Herstellung: Die Substanz muss vor der Herstellung mindestens auf Identität geprüft werden. Die verordnete Rezeptur muss plausibel sein und es ist ein Herstellungsprotokoll anzufertigen. Die Herstellung muss in der BtM-Kartei entsprechend dokumentiert werden.


Apothekerin Dr. Verena Kirsch, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Kommentar

von Limp am 09.03.2022 um 19:51 Uhr

Wenn es so ist,ist es gut.MfG

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