Was ist drin?

Wie man Kosmetik ohne Tierversuche erkennen kann

Stuttgart - 16.02.2022, 07:00 Uhr

Werbeslogans wie „wir distanzieren uns von Tierversuchen“ oder „wir sind gegen Tierleid“ sind häufig, aber kann man auf sie zählen? (Foto: Elnur / AdobeStock)

Werbeslogans wie „wir distanzieren uns von Tierversuchen“ oder „wir sind gegen Tierleid“ sind häufig, aber kann man auf sie zählen? (Foto: Elnur / AdobeStock)


Wer tierversuchsfreie Kosmetik wertschätzt, braucht für seine Kaufentscheidung entsprechende Informationen. Diese sind oft rar. Ein komplexer Markt und unklare Regelwerke erschweren die SituationKann man der Werbung oder Siegeln vertrauen? Welche Informationen können Apotheker an die Kunden weitergeben?

Tierversuche für Kosmetika und deren Bestandteile sind seit 2013 EU-weit verboten (Europäische Kosmetikverordnung), ebenfalls das „Inverkehrbringen“. Für Versuche an Tieren zur Toxizität, Hautsensibilisierung und Karzinogenität endete die Frist am 11.März 2013.1 

Die Regeln sind definiert, in der Praxis kann es dennoch haken. Denn wenn andere Regelwerke mit dem Verbot konkurrieren, verschwimmen die Grenzen.

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Tatsächlich werden nur etwa 10 Prozent der Inhaltsstoffe ausschließlich für Kosmetik verwendet. Der Großteil kommt in der Industrie anderweitig zum Einsatz2 – beispielsweise als Arzneimittelzusatz, oder als Bestandteil chemischer Mittel (z.B. Waschmittel)6. In diesen Bereichen gelten eigene Regeln, etwa die EU-Chemikalienverordung REACH. Zudem gilt das Kosmetik-Verbot nur für Produkte, die in der EU vermarktet werden. In vielen Ländern außerhalb der EU sind Versuche an Tieren weiterhin möglich oder sogar Pflicht, etwa in China.2 Kosmetikhersteller, die Tierversuche generell ablehnen, verzichten damit gleichzeitig auf Absatzmärkte in Ländern, in denen diese verpflichtend sind. Häufig sind dies Konzern-unabhängige Firmen und Naturkosmetik-Hersteller, sowie kleine Manufakturen.2 Doch wie findet man im Handel entsprechende Produkte?

Siegel, die Orientierung bieten

Damit potenzielle Käufer diese Produkte identifizieren können, tragen viele ein sogenanntes „Siegel“. Offizielle Siegel4 sind zertifiziert und werden gemäß eigenen Kriterien von einer Organisation vergeben. Sie beruhen meist auf einer Selbstauskunft des Herstellers, etwa für das Siegel der Tierschutzorganisation PETA, „PETA Approved“. Dort gelistete Firmen erklären, dass sie weder Tierversuche durchführen oder beauftragen noch in Kauf nehmen und binden sich per Zusicherungserklärung.3a/3.b Kritiker bemängeln, dass solche Selbstauskünfte kaum nachprüfbar sind. Befürworter argumentieren, dass die Hersteller sich freiwillig verpflichten und keinesfalls einen Markenschaden aufgrund einer Falschauskunft riskieren würden. In der PETA-Liste (Stand 10.Februar) findet sich beispielsweise Dr. Hauschka oder Louis Widmer SA – eine Lizenz für PETAs offizielles Logo für Kosmetik ohne Tierversuche haben die Marken jedoch nicht. 

Auf einer Liste von Ärzte gegen Tierversuche e.V. (Stand 21.04.2021) werden neben den PETA-Siegeln neun weitere gelistet. Wer genau sein will, sollte darauf achten, dass das „Nature“-Siegel und „ecocert“ zwar „keine Tiertestung“ des Gesamtprodukts versprechen, jedoch nicht „keine Tiertestung der Inhaltsstoffe“. 

Siegel sind sicher hilfreich zur Orientierung, aber es gibt Unterschiede. Wenn Hersteller beispielsweise selbst ein Siegel kreieren, hat das vorrangig Marketinggründe und verpflichtet nicht gegenüber einer Organisation. Übrigens: Das Siegel des Deutschen Tierschutzbundes e.V., die „Positivliste“ für Kosmetika, wird seit April 2021 nicht mehr vergeben.4

Warum Firmen Produkte nicht „tierversuchsfrei“ nennen 

Doch warum überhaupt der Umweg über ein Siegel? Weil die Firmen ihre Produkte nicht „tierversuchsfrei“ nennen dürfen. Denn niemand darf mit dem bloßen Einhalten eines Gesetzes werben. Der juristische Gedankengang dahinter: Der Kosmetikhersteller erfüllt lediglich die Mindestanforderung des Gesetzgebers und bietet dadurch allein keinen Mehrwert gegenüber Mitbewerbern. Nur Hersteller inklusive deren Zulieferer, die unter anderem nachweisen können, dass es für das Produkt und jeden Bestandteil noch nie Tierversuche gab, auch nicht durch andere Produzenten, dürfen rechtmäßig damit werben. Praktisch ist das kaum umsetzbar.

Alternative Werbeslogans wie „wir distanzieren uns von Tierversuchen“ oder „wir sind gegen Tierleid“ sind jedoch häufig. Organisationen wie PETA definieren hingegen eigene Richtlinien, gemäß derer sie Produkte oder Marken bewerten. Werden die geforderten Standards erfüllt, spricht eine positive Bewertung für das Erzeugnis.



Tatjana Ortinau, Apothekerin
redaktion@daz.online


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