Hamburger Apothekerverein

Graue: Zuversicht zum E-Rezept und Warnung vor drohendem neuen EuGH-Verfahren

Hamburg - 19.11.2021, 15:15 Uhr

Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins (s / Foto: DAZ)

Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins (s / Foto: DAZ)


Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, sieht die Apotheken durch das VOASG geschwächt. Da sich DocMorris nun gerichtlich gegen die im VOASG vorgesehene Stelle zur Überwachung des Boni-Verbots wendet, erwartet Graue erneut eine lange Reihe gerichtlicher Verfahren bis zum Europäischen Gerichtshof. Den Schwerpunkt der Mitgliederversammlung des Vereins bildeten die Weichenstellungen für die Digitalisierung. Für das E-Rezept sieht Graue die Apotheken gut aufgestellt.

In seinem Bericht für die Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am vergangenen Mittwoch blickte der Vorsitzende Jörn Graue kritisch auf die Amtszeit von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zurück. Die „Ära Spahn mit ihren Danaergeschenken“ hinterlasse „eine holprige Schleifspur“, der nach wie vor „eine beachtliche Sprengkraft für uns Apotheken innewohnt“.

Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) besiegele „eine existenzielle Schwächung der deutschen Apotheken“. Dazu erinnerte Graue an die vielfach diskutierte Streichung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG (Anmerkung: Diese mit dem VOASG gestrichene Regel übertrug die deutsche Arzneimittelpreisbindung auf das Ausland). Die Streichung sei widersprüchlich und inkonsistent. Gemeinsam mit namhaften Rechtsexperten bezweifle er, dass dies durchzuhalten sei.

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Die Tagesaktualität bestätigte Graues Mahnungen: Er wies auf den jüngsten Eilantrag von DocMorris vor dem Sozialgericht Berlin hin. DocMorris argumentiert, dass mögliche Sanktionen der neuen Paritätischen Stelle bei einer Bonusgewährung gegen EU-Recht verstoßen würden. Graue erinnerte, er habe stets vor einer solchen Entwicklung gewarnt. Nun drohe wieder ein jahrelanger Zug durch die Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof, erwartet Graue.

E-Rezept auf Kurs trotz offener Fragen

In seinem Rückblick wies Graue auch kritisch darauf hin, dass für das „Giftgeschenk Grippeschutzimpfungen“ die jahrhundertealte Trennung zwischen Ärzten und Apothekern außer Kraft gesetzt werde. Für Graue ist dies „ein beispielloser Missgriff, der das fragile Verhältnis der beiden Berufsstände zueinander einer unnötigen Belastung aussetzt“. Es sei zu hoffen, dass der mehrheitliche Apothekertagsbeschluss dazu folgenlos bleibe. Zu den pharmazeutischen Dienstleistungen erklärte Graue, es sei „ein ganz normales Gebaren“, dass die Krankenkassen dabei auf Zeit spielten. 

Zum E-Rezept erwartet Graue, dies werde trotz der schleppenden Einführung bei den Ärzten nicht gestoppt. Die Apotheker müssten hier anpacken und würden es in den nächsten zwei Jahren erfolgreich umsetzen. Allerdings gebe es noch viele technische Probleme und datenschutzrechtliche Unzulänglichkeiten. Außerdem bezweifelte Graue mit Blick auf Erkenntnisse des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums, dessen Vorsitzender er ebenfalls ist, dass die derzeitigen Regeln zum E-Rezept EU-rechtskonform sind. Zur geplanten neuen Übertragungsmöglichkeit des E-Rezept-Tokens über die elektronische Gesundheitskarte ohne PIN äußerte Graue die Hoffnung, dass dieser Weg den künftig Verantwortlichen gefällt. Insgesamt sieht Graue die Apotheken für das E-Rezept gut aufgestellt, aber es sei abzusehen, dass das Papierrezept daneben „noch geraume Zeit“ eine tragende Rolle spielen werde. 

Verein klagt gegen DocMorris-Flyer in Krankenkassen-Zeitschrift

Zur Lage der Apotheken erklärte Graue, dass es aufgrund der Pandemie gelungen sei, „selbst den härtesten Verfechtern des freien Warenverkehrs klarzumachen, dass der ‚Ort-Apotheke‘ und dem ‚Ort-Personal‘ eine wesentlich tragendere Bedeutung einzuräumen ist als etwa jener kapitalgesellschaftlich gesteuerter EU-Versender“. In diesem Zusammenhang berichtete Graue über eine Klage des Hamburger Apothekervereins gegen eine Ersatzkasse, die nach drei gegenteiligen unterinstanzlichen Entscheidungen und entsprechender Beschwerde gegen Nichtzulassung mittlerweile vom Bundessozialgericht zur Revision angenommen worden sei. Dabei gehe es um das Beifügen eines DocMorris-Flyers in der Mitgliederzeitschrift der Krankenkasse, das vom Verein gerügt werde. Die Klage stütze sich auf das Neutralitätsgebot des Arzneiliefervertrags, aber die unteren Gerichte hätten in dem Flyer einen redaktionellen Beitrag gesehen. Doch offensichtlich sehe der dritte Senat des Bundessozialgerichts nun doch Handlungsbedarf. Der Verein stütze sich für den Wiederholungsfall auch auf eine neue Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V zur Neutralität im Apothekenwettbewerb.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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