TGL Nordrhein

Pharmazeutischer Nachwuchs: unbezahlbar?

Stuttgart - 29.10.2021, 10:45 Uhr

Die Jahreshauptversammlung der TGL Nordrhein am vergangenen Mittwoch in Neuss war die letzte für Heidrun Hoch als TGL-Vorsitzende. (s / Foto: privat)

Die Jahreshauptversammlung der TGL Nordrhein am vergangenen Mittwoch in Neuss war die letzte für Heidrun Hoch als TGL-Vorsitzende. (s / Foto: privat)


Kann es gelingen, allein über das Gehalt wieder vermehrt junge Approbierte in die öffentlichen Apotheken zu locken? Laut dem Ergebnis einer Umfrage vertritt mehr als die Hälfte der Mitglieder der TGL Nordrhein die Auffassung, dass dem Fachkräftemangel nicht durch Lohnerhöhungen zu begegnen sei. „Wenn wir es nicht übers Geld regeln, wie regeln wir es dann?“, fragte die scheidende TGL-Vorsitzende Heidrun Hoch am Mittwoch bei der Jahreshauptversammlung der Organisation in Neuss. 

In Nordrhein-Westfalen sind die Apotheken und Berufskolleginnen und -kollegen nicht nur zwei Kammern und zwei Verbänden zugeordnet. Das bevölkerungsreichste Bundesland verfügt auch über eine eigene Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter in Nordrhein – kurz TGL. Sie unterstützt Apothekeninhaberinnen und -inhaber in arbeitsrechtlichen Fragestellungen und handelt mit der Apothekengewerkschaft Adexa einen eigenen Tarifvertrag aus. 15 Jahre lang war Heidrun Hoch Vorsitzende. Auf der Jahreshauptversammlung am vergangenen Mittwoch in Neuss übergab sie ihr Amt an Constantin Biederbick, der zuvor ihr Stellvertreter war. Neuer Stellvertreter ist Sebastian Berges. Heidrun Hoch wurde zugleich Ehrenvorsitzende.

Seit vielen Jahren ist Hoch auch als Delegierte in der Apothekerkammer Nordrhein aktiv, zeitweise war sie auch im Kammervorstand. Ihre standespolitische Leidenschaft ließ sie stets in ihre Arbeit als TGL-Vorsitzende einfließen. Auf Deutschen Apothekertagen trug sie regelmäßig Wortmeldungen und auch Ad-hoc-Anträge bei. Ende Januar 2020 – also kurz vor Beginn der Coronakrise in Deutschland – hatte die Jahresversammlung der TGL Nordrhein zuletzt getagt. Damals „ahnten wir nicht, was alles auf uns zukommen wird“. Mit diesen Worten eröffnete Heidrun Hoch ihre Rede eineinhalb Jahre später bei der Jahreshauptversammlung am vergangenen Mittwoch. Plötzlich „überrollten uns die Ereignisse und waren wir vor immer neue Aufgaben gestellt“. So beschrieb Hoch den Beginn der Pandemie. In kürzester Zeit haben Apotheken Infektionsschutzsysteme aufgebaut, Desinfektionsmittel hergestellt, Schutzmasken verteilt, Teststrategien und Impfstoffversorgung realisiert und für die Bevölkerung Impfnachweise digitalisiert. Um „Fels in der Brandung“ zu sein, mussten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „unbedingt mitziehen und bei der Stange bleiben“ und konnten nicht etwa aus Angst vor Ansteckung nicht zur Arbeit kommen.

Den größten Teil ihres letzten Berichts vor der Jahreshauptversammlung widmete die scheidende TGL-Vorsitzende Hoch dem Thema „Fachkräftemangel“. Eingangs verwies sie auf die Aussage von ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz beim Deutschen Apothekertag Mitte September in Düsseldorf, dass von 2019 bis 2029 ein altersbedingter Ersatzbedarf an zusätzlichen Apothekern von bis zu 28.400 Vollzeitäquivalenten bestehen werde. Zeitgleich erwarte man aber nur 20.000 bis 23.000 neue Approbationen. In diesem Zusammenhang verwies sie auf einen DAZ-Kommentar, der die Nachwuchssorgen folgendermaßen auf den Punkt brachte: „Guter Rat ist hier im wahrsten Sinne des Wortes wirklich teuer: Nur wenn dem pharmazeutischen Personal in den öffentlichen Apotheken Gehälter geboten werden, die mit denen anderer Berufe konkurrieren können, wird sich das Nachwuchsproblem lösen lassen.“

Geld ist nicht alles, aber ...

Geld sei zwar nicht alles, so Hoch, aber eine wesentliche Grundlage. Wenn junge Menschen sich für einen Beruf entscheiden, schauten sie nicht nur interessengerichtet, sondern sie informieren sich auch über Verdienstmöglichkeiten – erst dann nach den Arbeitsbedingungen. Selbst, wenn die Zahl an Studien- und Ausbildungsplätzen erhöht werde, steige damit nicht unmittelbar die Anzahl der Berufsabsolventen, die in die öffentliche Apotheke wollen. Derzeit entscheide sich nur ein Drittel der Approbierten für eine Tätigkeit in der Apotheke. Dazu komme der immer häufiger geäußerte Wunsch nach Teilzeit.

Hoch fürchtet, Angebot und Nachfrage könnten hier langfristig den Preis bestimmen, „soweit das nicht jetzt schon zu spüren ist“. Die Apothekenleiter fühlten sich zunehmend erpressbar. Doch einer Umfrage unter TGL-Mitglieder zufolge vertritt mehr als die Hälfte von ihnen eher nicht die Meinung, dass dem Fachkräftemangel durch Lohnerhöhungen zu begegnen sei. „Wenn wir es nicht übers Geld regeln, wie regeln wir es dann?“, fragte Hoch.

Als Tarifpartner bei den Verhandlungen mit der Apothekengewerkschaft Adexa sind der TGL offenbar seit vielen Jahren die Hände gebunden: Der Fixaufschlag wurde in 17 Jahren nur ein einziges Mal, nämlich 2013, um 25 Cent erhöht, während die Kosten überproportional gestiegen seien.

Die Zulagen für Nachtdienst, Rezeptur und Botendienst konnten die Teuerungsrate nicht kompensieren. „Vielmehr hat uns der Gesetzgeber mit zusätzlichen Dienstleistungen oder bürokratischen Vorgaben weiter belastet“, so Hoch. Dennoch sei es über die Jahre gelungen, den Spagat zwischen Lohnforderungen und Wirtschaftlichkeit „irgendwie hinzukriegen“. Inzwischen sei man aber an Grenzen gestoßen.

Tarife an tatsächlich gezahlte Gehälter anpassen

Als einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma bringt Hoch einen Basis- oder Sockelbetrag ins Spiel, der zumindest da eingesetzt werden könnte, wo es nötig erscheint. Dazu zählt sie auch leistungsbezogene Gehaltsanteile und die Implementierung von Fort- und Weiterbildungsmodulen.

Außerdem hat sie einen weiteren Denkansatz mit „Außenwirkung“. So gut wie alle Apotheken zahlten inzwischen „über Tarif“, was außerhalb der Branche aber so gut wie keiner wisse. „Hier könnten wir einen positiven Effekt erreichen, wenn wir die tarifliche Tabelle an die tatsächlich gezahlten Löhne schrittweise annähern würden“, schlug Hoch vor. Das ginge jedoch nur, wenn zeitgleich übertarifliche Anteile in gleicher Weise zurückgefahren werden. Von diesem Vorschlag verspricht sich Hoch, dass damit die Schere nach und nach geschlossen werden könnte und nicht weiter auseinandergehe. „Vielleicht wäre es tatsächlich klüger, sich ein wenig ‚ehrlicher‘ zu machen“, gibt sie zu bedenken. Dies habe man ohnehin schon bei den Zulagen für Filialleiterinnen und -leiter ein Stück weit geschafft. „Zumindest haben wir die Erwartung herunterfahren können, dass auf tarifliche Vereinbarungen immer noch ein deutliches Schippchen obendrauf kommen muss!“

Abschließend wies sie darauf hin, dass die ABDA sich nun auch vorgenommen habe, ein abgestimmtes, ineinandergreifendes Konzept zur Nachwuchsgewinnung zu entwickeln. „Das finde ich gut!“ In jedem Fall wolle Hoch allen Mut machen: „Die Pandemie hat doch gezeigt, dass wir mit Krisen umgehen können. So werden wir Herausforderungen erst recht dann bestehen, wenn wir bei erkennbaren Schwierigkeiten frühzeitig gegensteuern. Auch wenn das manchmal unbequem ist.“



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Adieu Frau Hoch

von Dr.Diefenbach am 29.10.2021 um 13:39 Uhr

....und ihre Nachfolger werden es nicht leicht haben! Dank an eine engagierte Kollegin.Und SEHR WOHL wird-heute mehr denn je-Vieles über das Gehalt geregelt.Es gilt ja auch an die Altersvorsorge zu denken!!!Und wenn ein Herr geschäftsführender Minister Spahn sagt dass er sich 4 TE bei Pflegekräften vorstellen könne, dann dürften solche Worte auch
Tarifverhandler-und Innen beschäftigen!!!

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