Neuer Rahmenvertrag ab 1. Oktober 2021

Wie DAV und GKV-Spitzenverband die Gleichpreisigkeit absichern wollen

Berlin - 27.09.2021, 17:15 Uhr

Im Deutschen Apothekerhaus in der Heidestraße führt die vom GKV-SV und dem DAV gebildete „paritätische Stelle“ ihre Geschäfte. (c / Foto: DAZ)

Im Deutschen Apothekerhaus in der Heidestraße führt die vom GKV-SV und dem DAV gebildete „paritätische Stelle“ ihre Geschäfte. (c / Foto: DAZ)


Wenn Deutscher Apothekerverband und GKV-Spitzenverband vom Gesetzgeber beauftragt sind, sich auf Anpassungen des Rahmenvertrags zu einigen, ist das nicht immer einfach. Das wurde zuletzt bei den pharmazeutischen Dienstleistungen deutlich. Über diese soll nun die Schiedsstelle entscheiden. In anderen Punkten kamen die Rahmenvertragspartner allerdings überein: Sie verständigten sich unter anderem auf ein Verfahren, wie bei Verstößen von Apotheken gegen die sozialrechtliche Preisbindung vorzugehen ist. Die Regelungen treten zum 1. Oktober in Kraft.

Zum 1. Oktober werden Neuerungen im Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung wirksam. Die Ergänzungen und Änderungen der vergangenen Monate fließen nun in eine „redaktionelle Gesamtfassung“ ein. Eigentlich sollte in dem Vertrag zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband auch genaueres zu den pharmazeutischen Dienstleistungen stehen. Für diese hat der Gesetzgeber Ende vergangenen Jahres mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) den Weg geebnet, die Regelungen im Detail jedoch der Selbstverwaltung überlassen. Tatsächlich werden die Dienstleistungen in der neuen Fassung des Rahmenvertrags aufgegriffen. So gibt es folgenden neuen Paragrafen:

§ 33 Pharmazeutische Dienstleistungen

Versicherte haben gemäß § 129 Absatz 5e SGB V einen Anspruch auf pharmazeutische Dienstleistungen durch Apotheken, die über die Verpflichtung zur Information und Beratung gemäß § 20 der Apothekenbetriebsordnung hinausgehen und die die Versorgung der Versicherten verbessern. Die pharmazeutischen Dienstleistungen sowie das Nähere zu den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, zur Vergütung der erbrachten Dienstleistungen und zu deren Abrechnung ist in Anlage 11 geregelt. Die Anlage 11 ist im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung vereinbart.

Spannend wäre nun also die Anlage 11. Doch bekanntlich konnten sich DAV und GKV-Spitzenverband noch nicht auf das „Nähere“ einigen – der DAV kündigte daher unlängst an, die Schiedsstelle anzurufen. Und so ist die Anlage 11 des Rahmenvertrags („Regelung der pharmazeutischen Dienstleistungen und des Näheren nach § 129 Absatz 5e SGB V“) in seiner Fassung vom 1. Oktober 2021 äußerst überschaubar: „Die Anlage und deren Anhänge befinden sich in der Erstellung“, heißt es dort.

Verfahren bei Verstößen gegen die Preisbindung

Geeinigt haben sich die Rahmenvertragspartner hingegen auf die flankierenden Maßnahmen zur Absicherung der Gleichpreisigkeit – genauer gesagt: ein Verfahren, wie vorzugehen ist, wenn eine Apotheke gegen die ebenfalls mit dem VOASG eingeführte Rx-Preisbindung im Sozialrecht verstößt. § 27 Rahmenvertrag, der „Vertragsmaßnahmen“ regelt, enthält dafür zwei neue Absätze. Zum einen wird klargestellt, dass der GKV-Spitzenverband die schon bislang möglichen Vertragsmaßnahmen gegenüber ausländischen Versandapotheken nach deren Anhörung ergreift – eine solche Anhörung ist allerdings nicht nötig, wenn es um Verstöße gegen die neue Preisbindungklausel in § 129 Abs. 3 Satz 3 SGB V geht.

 Sodann heißt es:

§ 27 Abs. 4 RahmenV neu

Inländische und ausländische Apotheken erhalten bei einem gröblichen oder einem wiederholten Verstoß gegen § 129 Absatz 3 Satz 3 SGB V Vertragsstrafen von bis zu 50.000 € für jeden Verstoß, wobei die Gesamtvertragsstrafe für gleichgeartete und in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang begangene Verstöße 250.000 € nicht überschreiten darf. Wird eine Vertragsstrafe nach § 129 Absatz 4 Satz 4 SGB V ausgesprochen, kann vorgesehen werden, dass die Berechtigung zur weiteren Versorgung bis zur vollständigen Begleichung der Vertragsstrafe ausgesetzt wird. Vertragsstrafen nach Satz 1 und 2 werden durch eine paritätisch besetzte Stelle ausgesprochen. Das Nähere zur Einleitung und Durchführung des Verfahrens wird in Anlage 10 geregelt.

Paritätische Stelle mit Sitz in der Heidestraße und vom DAV bestimmten Vorsitzenden

Die Anlage 10 erläutert sodann, was es mit der paritätischen Stelle auf sich hat: Diese wird beim DAV geführt und ist mit jeweils drei Mitgliedern des GKV-Spitzenverbandes und des DAV besetzt. Der DAV benennt eines seiner Mitglieder als Vorsitzenden. Überdies hat jedes Mitglied einen Stellvertreter. Weiterhin wird geregelt, wie diese neu eingesetzte Stelle zu verfahren hat, wenn ihr ein grober oder wiederholter Verstoß gemeldet wird. Denn mit einem entsprechenden Antrag des DAV oder des GKV-Spitzenverbands beginnt das Verfahren. Innerhalb von zehn Werktagen haben die Mitglieder der paritätischen Stelle über einen mit Nachweisen bestückten Antrag zu befinden. Halten sie ihn für unbegründet, endet das Verfahren sanktionslos. Ist dagegen „zumindest die Hälfte der Mitglieder“ der Auffassung, dass der Antrag begründet ist, müssen sich diese auf eine Sanktion verständigen. Das heißt: Auch die Apothekerseite allein kann sich hier durchsetzen, wenn sie von einem Verstoß überzeugt ist. Sind sich die sanktionsbereiten Mitglieder über eine konkrete Strafe einig, so ist diese auszusprechen. Besteht keine Einigkeit, wird die Sanktion ausgesprochen, für die die Mitglieder mehrheitlich stimmen. Ist man sich hingegen uneins, wie die Sanktion konkret aussehen soll und gibt es keine Mehrheit, „wird die höhere Sanktion ausgesprochen, für die sich zumindest die Hälfte der Mitglieder ausspricht“. 

Sodann wird die ins Visier genommene Apotheke informiert, dass ein Verfahren läuft und wie die Strafe aussehen soll. Innerhalb von zehn Tagen kann sie Stellung beziehen. Haben die Mitglieder der paritätischen Stelle diese erhalten, haben sie wiederum einen Monat Zeit, ihre Entscheidung zu treffen und zu begründen. Diese Entscheidung wird wirksam, sobald sie der betroffenen Apotheke zugestellt wurde. 

Auch wenn die Apothekerseite in einem solchen Verfahren die GKV-Vertreter überstimmen kann: Gut geprüft muss ihre Entscheidung natürlich sein. Landet der Fall am Ende vor Gericht und die sanktionierte Apotheke hat dort Erfolg, greift eine Haftungsregelung (§ 4 der Anlage 10). Demnach trägt das Haftungsrisiko der Verband, dessen Mitglieder den Antrag für begründet hielten und die Strafe ausgesprochen haben. 

Geregelt wird übrigens auch, wohin gezahlte Vertragsstrafen fließen sollen: Vorrangig sollen sie zur Bestreitung der Kosten der paritätischen Stelle verwendet werden, gegebenenfalls auch für Anwalts-, Sachverständigen- und Beraterkosten oder Gerichtskosten. Was dann noch übrig bleibt, soll einer gemeinnützigen Organisation zugutekommen – für den Fall, dass sich GKV-Spitzenverband und DAV nicht auf eine einigen können, dürfen sie auch für sich entscheiden und können jeweils den hälftigen Teil hierfür verwenden.

Der neue Rahmenvertrag enthält überdies weitere Änderungen – unter anderem geht es dabei um Mehrkosten, aber auch Anpassungen mit Blick auf das E-Rezept.

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Anmerkung der Redaktion: Der Absatz zur Haftungsreglung wurde am 28. September 2021, 9 Uhr aktualisiert.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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