Spahn beim DAT

Viel geredet, wenig gesagt

Düsseldorf - 23.09.2021, 13:15 Uhr

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beim deutschen Apothekertag in Düsseldorf. (s / Foto: Schelbert)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beim deutschen Apothekertag in Düsseldorf. (s / Foto: Schelbert)


Drei Tage vor der Bundestagswahl stellte sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am heutigen Donnerstag den Fragen der Delegierten beim Deutschen Apothekertag in Düsseldorf. Viel Konkretes war ihm allerdings nicht zu entlocken – auch weil er nur wenige kritische Beiträge aus dem Plenum parieren musste.

Zwei Stunden lang besuchte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) heute den Deutschen Apothekertag in Düsseldorf. Die große Konfrontation blieb jedoch aus: Geradezu harmonisch ging es zu bei der Diskussion mit den Delegierten. 

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Zunächst widmeten sich die Apotheker:innen und der Minister der Rolle der Offizinen in Corona-Zeiten. Spuren hinterlassen hat offenbar die Rolle der Apotheken, wenn es um die Patientenversorgung vor dem Hintergrund der Lieferengpässe geht. Auf die Kritik vonseiten der Delegierten, dass die Abgabeerleichterungen bei Rabattverträgen noch immer nicht entfristet worden sind, obwohl die Apothekenteams sehr verantwortungsvoll mit ihren Möglichkeiten umgegangen seien, brachte Spahn einen Weg ins Spiel, den sich eigentlich die Linke auf die Fahnen geschrieben hat: Es gelte zu prüfen, ob es nicht möglich sei, über andere Mechanismen dieselben Spareffekte zu erzielen wie derzeit mit den Rabattverträgen – sprich: Ließe sich das Geld auch über eine Anpassung des Festbetragssystems einsparen? „Die Debatte hatten wir vor ein paar Jahren schonmal und sie wäre es wert, jetzt noch einmal geführt zu werden.“

Angesprochen auf die nachträglichen Vergütungssenkungen für Sonderleistungen der Apotheken während der Pandemie, gab Spahn sich defensiv. „Das kann ich nicht schönreden“, räumte er ein. Im Nachhinein hätte er lieber einen anderen Weg wählen und von vornherein realistische Preise für die Leistungen der Apotheken festschreiben sollen.

Was die aus der Sicht vieler Apotheker:innen zu niedrige Vergütung für die Verteilung der COVID-19-Impfstoffe betrifft, eröffnete Spahn vorsichtig eine Perspektive: Aktuell handele es sich um eine Mischkalkulation aus den Honoraren für das Handling der Vektor- und mRNA-Impfstoffe. Eine Anpassung sei auch deshalb schwierig, weil das Finanzministerium mitspielen müsse – und dort habe man ein bestimmtes Bild von der Apothekerschaft, deutete der Minister an. Wenn die Distribution der Impfstoffe allerdings in die Regelversorgung überführt werde, gelte es in diesem Zuge auch die Vergütung „anzupacken“.

Die COVID-19-Impfungen selbst sieht Spahn allerdings nicht in den Apotheken. Mit Blick auf einen am gestrigen Mittwoch verabschiedeten Antrag, die Impfungen niedrigschwellig auch in den Apotheken anbieten zu dürfen, um die Impfquote weiter zu erhöhen, warnte der Minister davor, aktuell den Zorn der Ärzteschaft weiter zu schüren – denn diese arbeite sich noch immer an den Modellprojekten zur Grippeimpfung in den Apotheken ab. „Es ist nicht an der Zeit, diesen Streit mit den Ärzten zu führen“, sagte Spahn.

„Sie haben uns auf Ihrer Seite“

Darüber hinaus betonte Spahn, bezüglich der fragwürdigen Kooperationen zwischen Telemedizinanbietern und Versandhändlern auf der Seite der Apothekerschaft zu stehen. Konkret ging es um die Möglichkeit, allein durch das Ausfüllen eines Fragebogens an Rezepte über verschreibungspflichtige Medikamente wie zum Beispiel Antibiotika zu gelangen, die dann auch noch automatisch an Arzneimittelversender weitergeleitet und von diesen beliefert werden. Die Opioidkrise in den USA zeige, was passiere, wenn man zu leicht an Mittel gelangen könne, die nicht ohne weiteres verfügbar sein sollten, so Spahn. Nicht ohne Grund gebe es hierzulande Apotheken und andere Sicherungsmechanismen, um so etwas zu verhindern.

Allerdings sei es schwierig, auf nationaler Ebene regulierend einzugreifen, wenn daraus Konsequenzen für den europäischen Binnenmarkt folgten, gab er zu bedenken. Es gelte, das Problem europäisch anzugehen. Spahn betonte: „Sie haben uns mit Ihrem Wunsch nach Regulierung auf Ihrer Seite.“

Auch die mehr als lückenhaften Kontrollen der EU-Versender seien ein Thema für ihn. Dieses bringe er bei jedem Treffen mit seinem niederländischen Amtskollegen auf den Tisch, er könne aber nunmal nichts erzwingen. Dennoch: „Die Awareness ist deutlich gestiegen aufseiten der Niederländer.“

Die Delegierten sprachen auch das Basishonorar für die Apotheken an. Davon, das Fixum zu erhöhen, hält Spahn allerdings offenbar nicht viel: Er stellte die Frage in den Raum, ob es nicht einen besseren Weg gäbe, insbesondere die Versorgung in der Fläche zu stärken. Mit der Erhöhung der Notdienstvergütung, der Etablierung eines Botendiensthonorars und der gesetzlichen Verankerung honorierter pharmazeutischer Dienstleistungen sei ein guter Anfang gemacht – für mehr sieht er mit Blick auf die GKV-Finanzen aktuell jedoch keinen Spielraum.

Mit dem Vorschlag aus Sachsen, eine Art Sockelvergütung für Apotheken einzuführen, konnte der Minister hingegen schon mehr anfangen. Für Apotheken, die in ländlichen Regionen für die Arzneimittelversorgung unerlässlich sind, sei das „durchaus vorstellbar – aber dann müssen wir über die Parameter reden“. Im Krankenhaussektor zum Beispiel gebe es bereits solche Zuschläge. Zu klären sei aber, was genau flächendeckende Versorgung im Apothekensektor bedeutet. Ab welcher Entfernung oder Fahrtzeit zur nächsten Offizin sei davon auszugehen, dass die Menschen in einer Region unterversorgt seien? Und: „Ob es allein die Finanzen regeln, muss man sehen.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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