Ab September 2021 mit mRNA

Weg frei für Auffrisch- und Zusatzimpfungen gegen COVID-19

Stuttgart - 03.08.2021, 12:15 Uhr

Nicht nur vulnerable Gruppen sollen eine Auffrischimpfung bekommen. Im Sinne gesundheitlicher Vorsorge soll allen bereits vollständig Geimpften, die den ersten Impfschutz mit einem Vektor-Impfstoff erhalten haben, eine weitere Impfung mit einem mRNA-Impfstoff angeboten werden. (c / Foto: Valerii / AdobeStock)

Nicht nur vulnerable Gruppen sollen eine Auffrischimpfung bekommen. Im Sinne gesundheitlicher Vorsorge soll allen bereits vollständig Geimpften, die den ersten Impfschutz mit einem Vektor-Impfstoff erhalten haben, eine weitere Impfung mit einem mRNA-Impfstoff angeboten werden. (c / Foto: Valerii / AdobeStock)


Bereits im Vorfeld der gestrigen Konferenz der Gesundheitsminister (GMK) war bekannt geworden, dass es bald mit den Corona-Auffrischimpfungen für Risikogruppen losgehen könnte. Außerdem war von Zusatzimpfungen für diejenigen die Rede, die bislang mit Vektor-Impfstoffen geimpft worden sind. Nun liegt der GMK-Beschluss vor: Ab September können die Auffrisch- und Zusatzimpfungen starten. Außerdem werden „nunmehr alle Länder Impfungen für Zwölf- bis 17-Jährige auch in Impfzentren oder auch mit anderen niedrigschwelligen Angeboten anbieten“.

Anlässlich von Berichten über eine verminderte Wirksamkeit der Vektor-Impfstoffe gegen COVID-19-Varianten und gleichzeitig Berichten über „zu viel“ Impfstoff in Deutschland, war die DAZ bereits der Frage nachgegangen, ob in Deutschland vielleicht bald eine Empfehlung zu erwarten ist, einmal mit Janssen (Johnson & Johnson) Geimpfte mit einem mRNA-Impfstoff zweitzuimpfen? Bei der Pressestelle des RKI (Robert Koch-Institut) hatte man der DAZ zunächst nicht weiterhelfen können.

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Aus den Medien erfuhr man jedoch, dass es um diese Frage auch bei der Konferenz der Gesundheitsminister (GMK) am vergangenen Montag gehen sollte. Tatsächlich heißt es im nun veröffentlichten Beschluss der 94. GMK vom 2. August 2021 zum Thema Auffrischimpfungen:


Es wird ab September 2021 im Sinne einer gesundheitlichen Vorsorge in Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen der Eingliederungshilfe und weiteren Einrichtungen mit vulnerablen Gruppen eine Auffrischimpfung in der Regel mindestens sechs Monate nach Abschluss der ersten Impfserie angeboten.“ 

94. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) Beschluss vom 2. August 2021 


Außerdem sollen Patientinnen und Patienten mit Immunschwäche oder Immunsuppression sowie Pflegebedürftige und Höchstbetagte zu Hause durch ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte eine Auffrischimpfung angeboten bekommen.

Auffrischimpfungen sollen immer mit einem der beiden mRNA-Impfstoffe erfolgen – unabhängig vom vorher verabreichten Impfstoff. Dabei scheint der Impfstoff nicht noch einmal knapp zu werden, denn es heißt auch:


Darüber hinaus wird ab September ebenfalls im Sinne gesundheitlicher Vorsorge allen bereits vollständig geimpften Bürgerinnen und Bürgern, die den ersten Impfschutz mit einem Vektor-Impfstoff von AstraZeneca oder Johnson & Johnson erhalten haben, eine weitere Impfung mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer oder Moderna angeboten.“ 

94. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) Beschluss vom 2. August 2021


Auch solche Zusatzimpfungen sollen überall erfolgen können: In den Impfzentren der Länder, durch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie durch Betriebsärztinnen und Betriebsärzte.

Bereits am Freitag hatte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) noch darüber berichtet, dass man bei der STIKO (Ständige Impfkommission) – nach der Entscheidung Israels zu Auffrischimpfungen gegen Corona für ältere Menschen – für Deutschland noch nicht die nötigen Daten für eine solche Empfehlung sehe. Zum Vorgehen Israels sagte der Virologe und STIKO-Chef Thomas Mertens, dass nichts dagegen spreche, wenn ein Staat aus Fürsorgepflicht solche Impfangebote mache – auch ohne Evidenz. Aufgabe der STIKO seien jedoch Empfehlungen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. Insofern warte man eine Datengrundlage ab, hieß es.

STIKO-Chef: Mehr 18- bis 59-Jährige sollten sich impfen lassen

Wie bei einer Online-Veranstaltung mit der CDU-Bundestagsabgeordneten Ronja Kemmer am Montagabend in Ulm deutlich wurde, sieht Mertens an anderen Stellen eher Nachbesserungsbedarf: Laut dpa hat er dort nämlich die 18- bis 59-Jährigen aufgerufen, sich gegen Corona impfen zu lassen. Denn sie seien bei den Geimpften unterrepräsentiert. Insbesondere die ungeimpften 20 Prozent der Lehrer sollten das nachholen, heißt es.

Eine generelle Impfung von Kinder- und Jugendlichen – und dabei bezieht sich Mertens auf den zweiten neuen Beschluss der GMK – trage zur Herdenimmunität hingegen nicht bei. Dass in anderen Ländern aufgrund derselben Daten aus internationalen Studien andere Entscheidungen gefallen seien, verwundere dabei nicht: Die Auswertung der Daten und die Schlussfolgerungen seien immer mit den jeweiligen Voraussetzungen verbunden. Dass etwa in den USA so viele Jugendliche geimpft seien, sei Folge höherer Anteile an Mangelernährung, Übergewicht und Diabetes in dieser Altersgruppe. Bei gesunden Kindern sei eine intensivmedizinische Behandlung eine „absolute Rarität“, Todesfälle gebe es nur bei schwerst vorerkrankten Kindern und Jugendlichen. Einig sind sich laut Mertens die Wissenschaftler, dass derzeit für 9,1 Millionen Kinder von 0 bis 11 Jahren in Deutschland eine Impfung nicht infrage komme.

Im Einklang mit den Empfehlungen der STIKO?

Laut GMK-Beschluss werden nun alle Länder Impfungen für Zwölf- bis 17-Jährige auch in Impfzentren oder auch mit anderen niedrigschwelligen Angeboten anbieten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte dabei: „Ein solches Angebot zur individuellen Entscheidung steht im Übrigen im Einklang mit den Empfehlungen der STIKO.“ Laut dpa ordnet Mertens den GMK-Beschluss als reine Vorsorgemaßnahme ein, sie basiere nicht auf wissenschaftlicher Evidenz.

Bei den Impfangeboten für Zwölf- bis 17-Jährige bleibt auch laut dem neuen GMK-Beschluss eine ärztliche Aufklärung erforderlich, außerdem ist eine notwendige Zustimmung der Sorgeberechtigten einzuholen. Man erhofft sich von der Maßnahme offenbar einen sichereren Start in den Lehr- und Lernbetrieb nach den Sommerferien. Die Angebote seien jedoch so auszugestalten, dass die Freiwilligkeit der Annahme dieses Impfangebotes nicht infrage gestellt wird, heißt es.

Sächsische Impfkommission verteidigt Impfempfehlung für Kinder ab 12

Der Vorsitzende der Sächsischen Impfkommission (SIKO), Thomas Grünewald, hat die Empfehlung für eine Corona-Schutzimpfung für alle Kinder ab zwölf Jahren – entgegen der aktuellen STIKO-Empfehlung – verteidigt: „Der individuelle Nutzen für ein Kind ist deutlich größer als der Schaden oder die Probleme, die eine Impfung anrichten kann“, sagte der Experte der Leipziger Volkszeitung (LVZ) am Dienstag. Grundlage seien neue Daten aus Ländern wie den USA oder Israel, wo seit Langem auch ab 12 Jahren geimpft werde.

Laumann: NRW hält sich bei Impfung von Kindern an STIKO-Rat

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat hingegen die wegen ihrer Haltung zur Impfung von Kindern und Jugendlichen unter Druck geratene Ständige Impfkommission (STIKO) verteidigt. Man solle die Unabhängigkeit der STIKO akzeptieren, er habe Vertrauen in das wissenschaftliche Gremium, sagte der CDU-Politiker am Dienstag auf WDR 5 im „Morgenecho“. Nordrhein-Westfalen werde die STIKO-Empfehlung zur Corona-Schutzimpfung von Heranwachsenden ab 12 Jahren weiter einhalten. NRW macht Kindern ab 12 Jahren allerdings bereits seit rund zwei Wochen in Praxen und Impfzentren ein Impfangebot, wie Laumann schilderte. Man gehe dabei „sehr sorgsam“ vor. In den Impfzentren des Landes würden bestimmte Zeiten angeboten, in denen speziell Eltern mit ihren Kindern kommen könnten und die Impfungen von Kindern- und Jugendärzten vorgenommen würden. Laumann appellierte an Eltern, Großeltern, Personal in Kitas und Schulen oder Jugendvereinen, sich impfen zu lassen. Denn das erhöhe auch den Schutz für die Kinder.

Kinderärzt:innen drängen STIKO zu Neubewertung

Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, hat währenddessen, die STIKO zu einer Neubewertung ihrer Position aufgerufen: „Bereits heute dürfen Ärztinnen und Ärzte entsprechend der aktuell gültigen STIKO-Empfehlung nach intensiver Aufklärung Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren impfen“, sagte Fischbach der „Rheinischen Post“ (Dienstag). „Ich persönlich bin ein Befürworter dieser Impfungen. Das Risiko von Nebenwirkungen durch die Impfung ist extrem gering, das zeigen alle Daten aus anderen Ländern.“ Daher wünsche er sich „eine zeitnahe Neubewertung durch die STIKO“.

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Der Deutsche Hausärzteverband kritisierte das Vorgehen der GMK ohne vorherige Empfehlung der STIKO. „Diese Diskussion unter Missachtung der Kompetenz der Ständigen Impfkommission kann eher zur Verunsicherung führen, als dass sie der Impfkampagne hilft“, sagte dessen Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag).

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) will Eltern bei der Entscheidung über eine Corona-Impfung ihrer Kinder nun jedenfalls mit einem Merkblatt unterstützen. 



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