Eine Kolumne von #DerApotheker

Ärzt:innen in der Apotheke

11.05.2021, 17:50 Uhr

Ein Arztausweis ist nur in Kombination mit einem Personalausweis gültig. (Foto: hedgehog94 / AdobeStock)

Ein Arztausweis ist nur in Kombination mit einem Personalausweis gültig. (Foto: hedgehog94 / AdobeStock)


Manchmal kommen wildfremde Menschen zu uns an den HV-Tisch, bitten uns mit so einer Selbstverständlichkeit um etwas Verschreibungspflichtiges, dass uns sofort klar ist: Diese Person vor uns ist ein Arzt oder eine Ärztin. 

Da uns die ärztliche Aura allerdings nicht ausreicht, einfach etwas Verschreibungspflichtiges ohne Rezept herauszurücken, starten wir den Dialog in etwa so: „Dafür bräuchten Sie ein Rezept!“ Vielleicht machen wir aber auch auf Verständnis und sagen so etwas wie „Tut mir leid, das darf ich Ihnen leider nur mit Rezept geben!“ Als Antwort kommt dann meist sowas wie „Kein Problem, ich bin Arzt!“ oder „Ich habe was Besseres als ein Rezept: Einen Arztausweis.“ Dann tun wir so, als hätten wir das nicht sofort geahnt und bitten sie oder ihn doch beim nächsten Mal gleich den Arztausweis vorzulegen. So, wie es die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte auch vorbildlich macht. 

Ich betone letzteres, weil das hier kein „Ärzt:innen-Bashing“ werden soll, sondern nur eine Ansammlung von nicht ganz so schönen Ereignissen mit Ärzt:innen – „False Balance“ also.

Vor kurzem hatte ich einen Mann mittleren Alters in der Apotheke, der von mir eine große Packung Pantoprazol 40 Milligramm wollte, ohne darauf hinzuweisen, dass er Arzt war.

Der Tanz begann also: „Haben Sie ein Rezept?“ „Nein, einen Arztausweis!“ Er zeigte ihn mir. „Okay, ich bräuchte noch bitte den Personalausweis zur Verifizierung.“

Das gefiel ihm allerdings so gar nicht, weshalb er wütend wurde und schimpfte, dass das noch nie nötig gewesen wäre, und ob er mir nicht gleich all seine Papiere zeigen sollte. Nein, das war nun wirklich nicht nötig. Der Personalausweis reicht völlig aus.

Ich blieb freundlich und gelassen, wie der Stoiker, der ich bin oder zumindest gerne wäre. Außerdem möchte man sich einen Arzt nicht unbedingt zum Feind machen. Die Situation war allerdings nicht mehr zu retten und er wollte meine Freundlichkeit partout nicht anerkennen. Aufgebracht zeigte er mir seinen Personalausweis, bezahlte und verließ mit seinem Protonenpumpenhemmer die Apotheke.

Als er weg war, googelte ich zur Sicherheit, ob ich mich vielleicht ja doch irrte. Auf der Bundesärztekammerseite fand ich dazu folgendes: „Sichtausweis: Wie sein klassischer Vorgänger – der Arztausweis aus Papier – dient er zusammen mit dem amtlichen Lichtbildausweis als Sichtausweis, bspw. um in einer Apotheke verschreibungspflichtige Medikamente zu erwerben.“ Ich war dann doch ein wenig froh, mich nicht in diesem Punkt geirrt zu haben.

Denn genauso wie es da stand, lernte ich es damals auch in meinem Praktischen Jahr: Dass ein Arztausweis eben nur in Kombination mit einem Personalausweis gültig ist. Das hatte ich dann auch all die Jahre so gehandhabt und nie gab es Probleme. Zu meiner Schande muss ich gestehen, das auch nie wirklich hinterfragt zu haben. Dass einige Ärzt:innen mir schon von selbst beide Ausweise auf den HV-Tisch legten, bevor sie nach etwas Verschreibungspflichtigem fragten, ohne, dass ich danach fragen musste, bestätigte meine Vermutung.

„Ich solle gefälligst damit aufhören, seine Patient:innen zu beraten“

Naiv wie ich war, dachte ich, dass sich diese Geschichte damit erledigt hatte und wir beim nächsten Mal vielleicht schon drüber lachen können und Dinge sagen würden wie „Ich hatte letztens einen schlechten Tag. Es tut mir leid!“ oder „Diese ganzen Regeln kann sich doch eh keiner merken.“ Aber weit gefehlt, denn trotz des Pantoprazols stieß ihm die Geschichte auch am nächsten Tag noch so sauer auf, dass er unbedingt das Bedürfnis hatte, sich bei meinem Chef über diesen unfreundlichen Apotheker – mich – zu beschweren.

Mein Chef beschwichtigte ihn jedoch und als er das nächste Mal wieder in der Apotheke war, war ausgerechnet ich derjenige, dessen Kasse zuerst frei war, so dass er zu mir kommen musste. Wir taten dann so, als wäre nie etwas geschehen. Damit konnte ich leben.

Ich gebe zu, das war nicht der erste Arzt, der sich über mich beschwerte. Vor ein paar Jahren, in einer anderen Apotheke, nutzte ein Arzt seine verdiente Mittagspause, um mit meiner damaligen Chefin über mich zu sprechen. Seine Anklage: Ich solle gefälligst damit aufhören, seine Patient:innen zu beraten. Ganz besonders störte ihn, dass er meinetwegen vermehrt Sartane verordnen musste, weil ich seine Patient:innen darauf hinwies, dass ACE-Hemmer Reizhusten verursachen können. Ein paar von ihnen litten tatsächlich unter Reizhusten, der dann verschwand, nachdem die ACE-Hemmer durch Sartane ausgetauscht wurden, wofür sie mir äußerst dankbar waren. Der Arzt allerdings nicht. Meine Chefin, war auf seiner Seite und verlangte, dass ich seine Patient:innen in Zukunft nicht mehr berate. Schließlich war ich für sie genauso ersetzbar wie sie für ihn.

Aber nicht alle Ärzt:innen, die sich über mich beschweren wollten, haben das dann auch so konsequent getan, wie diese beiden.

Wieder in einer anderen Apotheke stand mir eine sehr unfreundliche Frau gegenüber, die ebenfalls etwas Verschreibungspflichtiges wollte. „Dafür benötigen Sie leider ein Rezept. Das ist verschreibungspflichtig.“ „Nein, brauche ich nicht.“ „Ich fürchte schon.“ „Nein, ich bin Ärztin.“ „Dann müsste ich bitte ihren Arztausweis sehen!“ „Sie sind der Erste, der den sehen will!“ Es war ein extrem absurdes Gespräch, ich weiß auch nicht, welche Laus ihr über die Leber gelaufen ist, aber selten hatte ich jemanden vor mir, der oder die so extrem unfreundlich war, wie diese Dame. Nachdem sie dann widerwillig ihren Arztausweis aus der Tasche gezogen hatte, schaute ich ihn mir an. Mit großem Bedauern musste ich feststellen, dass er abgelaufen war und ich ihr die geforderten Codein-Tropfen leider nun doch nicht geben konnte. Ich lernte an diesem Tag sehr viele neue Beleidigungen kennen und warte auch heute noch auf das angedrohte Nachspiel. Aber woher soll ich wissen, ob sie noch praktizieren darf und nicht ihre Approbation verloren hat?

Möchte man sich und uns Zeit und Stress ersparen, würde ich ganz unkonventionell vorschlagen, den Arztausweis gleich am Anfang mit dem Personalausweis zusammen vorzulegen, wenn man etwas Verschreibungspflichtiges möchte.

„Hallo, ich bin Ärz:tin. Hier bitte: Mein Arztausweis und mein Personalausweis. Ich bräuchte Tilidintropfen.“

„Tut mir leid, aber dafür bräuchten Sie leider ein BTM-Rezept.“

Okay, Spaß beiseite. Die Mehrheit der Ärzt:innen hält sich ja, wie erwähnt, an die richtige Reihenfolge, aber leider sind es eben die, die sich nicht daran halten, die sich und uns das Leben schwer machen.



#DerApotheker
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


7 Kommentare

Ausweis mal genau ansehen und denken anfangen...

von Thomas Eper am 12.05.2021 um 14:09 Uhr

Witzig für einen Apotheker wird es, wenn man die Angabe auf dem Ärzte-Ausweis "Gültig nur in Verbindung mit einem Personalausweis" nicht so ernst nimmt und wenn es ein "Testkauf" der Kammer ist.
Witzig ist auch, das Ärzte nicht auf die Idee kommen, sich ein Rezept auszustellen. Wäre viel zu einfach und man könnte sich nicht so aufblasen und rumbrüllen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Schon wieder

von Gert Müller am 11.05.2021 um 19:05 Uhr

Sie machen es sich und ihrem Chef/innen das Leben auch immer schwer. Letztesmal war so ungefähr das gleiche Thema- ohne Rezept -Ich persönlich finde Sie sehr schwierig.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Schon wieder

von Conny am 11.05.2021 um 19:13 Uhr

Es wird jetzt als Gegenargument die persönliche Haftung kommen, und damit wird der Schreiber viel Zustimmung erfahren.

Päpstlicher als der Papst?

von Andreas Grünebaum am 11.05.2021 um 18:38 Uhr

Bei uns bekommt weiss Gott nicht jede dahergelaufene ärztliche Person ihr Wunschkonzert, aber: Auf dem Arztausweis ist doch schon ein Lichtbild aufgebracht. Sollte Ihnen das zur Legitimation nicht ausreichen? Was machen Sie denn, wenn Ihnen jemand ein polnisches Privatrezept vorlegt: das müssen Sie beliefern, wenn Sie zweifelsfrei erkennen können, dass es den ausstellenden Arzt auch gibt. Können Sie da wirklich sicher sein, dass am Ende der Leitung eine ärztliche Person aus einem EU-Land oder sogar nur ein Anrufbeantworter antwortet? Wenn es sich dann auch noch um gewöhnliche Arzneimittel zur Senkung des Blutdruckes oder ähnlichem ohne Mißbrauchspotential handelt? Wie würden Sie handeln, wenn es sich um ein Privatrezept von einem Ihnen unbekannten Arzt aus Deutschland handelte?

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Päpstlicher als der Papst

von André Kramer am 12.05.2021 um 9:56 Uhr

Der Kollege hat korrekt gehandelt. Auf Arztausweisen steht auf der Rückseite. "Die Inhaberin/der Inhaber des Ausweises muss sich ggf. durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises identifizieren"

AW: Päpstlicher als der Papst

von Andreas Grünebaum am 12.05.2021 um 11:13 Uhr

@André Kramer
"korrekt" und "angemessen" - dazwischen liegen oft Welten. Was bezwecke ich damit, auf die Vorlage eines Personalausweises oder Reisepass zu bestehen, sofern es sich um einen aktuellen Arztausweis handelt?
https://www.laekh.de/fileadmin/user_upload/Aerzte/Mitgliedschaft/Arztausweis_komplett.jpg

AW: Päpstlicher als der Papst

von André Kramer am 12.05.2021 um 11:44 Uhr

Lieber Herr Grünebaum,
gerne können wir uns privat noch einmal zu dem Thema austauschen, wenn Sie mögen. Ergänzen Sie Apotheker beim Klarnamen in der Google-Suche und Sie finden meine Kontaktdaten.
Kollegiale Grüße!

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.