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Falsche Ergebnisse von POC-Antigentests auf SARS-CoV-2 liegen nicht selten in einer falschen Anwendung. Die Temperatur spielt eine unterschätzte Rolle. Selten verfälschen Störfaktoren das Ergebnis.
Manche Apotheken berichten von unklaren Ergebnissen bei POC-Antigentest, etwa dünne Banden im Testfeld, wobei die fällige Kontrolle mittels PCR öfters negativ ausfällt. Die Kollegen haben sicherlich nicht Cola auf den Teststreifen geträufelt, wie ein österreichische FPÖ-Politiker, der im Parlament mit solcher (bewusst) falschen Durchführung die Untauglichkeit des Tests vorführen wollte.
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Cola hat einen pH-Wert von ca. 2,5. Die Säure zersetzt Antikörper auf dem Teststreifen, an denen eigentlich die Antigen-Proteine des Virus andocken sollen. Durch das Zersetzen entstehen Bindungsstellen für die Farbpartikel im Test, und die Streifen werden sichtbar.
So einfach wird die Abklärung unklarer oder eindeutig falscher Ergebnisse in der Offizin nicht sein. Sie könnte mit einem (erneuten) Blick in die Gebrauchsanleitung des Tests beginnen. „Die Herstellervorgaben zur Anwendung müssen strikt eingehalten werden“, betont Professor Jan Kramer, Facharzt für Laboratoriumsmedizin, Geesthacht. „Anwendungsfehler können immer zu verfälschten Ergebnissen führen, das reicht von falscher Lagerung, falscher Probeentnahme, z. B. zu wenig Material, über zeitliche Verzögerungen, Nichteinhalten der Testtemperatur bei Kälte, Hitze, Sonnenlicht, bis zum Nichteinhalten der Ablesefrist.“
Ein ganz wesentlicher Faktor für die Qualität des Ergebnisses ist die Temperatur. Aus dem praktischen Arbeitsalltag gibt es zahlreiche Einzelfallbeschreibungen, in denen Unter- oder Übertemperatur zu falsch positiven oder falsch negativen Ergebnissen führte, so Kramer. Das beginne schon bei der
Lagerung: Jedes Testkit muss durchgehend bei der richtigen Temperatur gelagert werden (meist 2 °C bis 30 °C), es darf nicht einfrieren oder in überhitzten Autos transportiert werden.
Arbeitstemperatur: Jeder Test ist bei einer definierten Temperatur bzw. Temperaturspanne evaluiert, die im Wesentlichen der Raumtemperatur entspricht. Vor der Durchführung sind Teststreifen und Reagenzien auf „Arbeitstemperatur“ bzw. „Raumtemperatur“ zu bringen, wobei die Spanne unterschiedlich definiert ist (10 °C bis 30 °C, 15 °C bis 30 °C). Das spielt z. B. bei der Durchführung in Testzelten in der Kälte oder Hitze eine Rolle. Manche Tests limitieren auch die Luftfeuchtigkeit ≤70 Prozent (z. B. Hotgen). Entnommene Testmaterialien sind kurzfristig zu benutzen, die Probeflüssigkeit ist in der vorgeschriebenen Frist zu verarbeiten.
Zur Probeentnahme: Manche Gebrauchsanleitungen schließen visuell blutige oder übermäßig viskose Proben aus. Denn Hämoglobin aus Schleimhautverletzungen kann zu schwächeren bis falsch negativen Testergebnissen führen. Andererseits kann es genügen, die Probe auf einem Nasenloch zu beschränken, wenn die Tupferspitze gesättigt ist (z. B. Clinitest nasopharyngeal).
Probenentnahme erst 20 Minuten nach Nasenspray-Anwendung
Nasensprays: Die Anwendung abschwellender Sprays kann nach der Erfahrung des LADR-Zentrallabors Dr. Kramer & Kollegen (Geesthacht) dazu führen, dass zu wenig Abstrichmaterial gewonnen wird, was ebenfalls Tests an ihre Sensitivitätsgrenze bringen kann. Andere Einflussfaktoren könnten Erkältungs-Abwehrsprays mit sich bringen, etwa wenn Säuren (Bernstein- und Pyroglutaminsäure) den pH-Wert der Nasenschleimhaut auf pH 4 herabsetzen, um säurelabile Erkältungsviren zu inaktivieren (WICK Erste Abwehr). Würde im Abstrich enthaltene Säure nicht ausreichend abgepuffert, könnte sie Antikörperproteine auf dem Teststreifen zersetzen und die Farbreaktion auslösen (siehe Cola). Oder wenn ein Carragelose-Spray, das auf der Nasenschleimhaut einen Schutzfilm gegen Erkältungsviren bilden soll, bei einem Nasalabstrich möglicherweise mit Coronaviren interagiert und diese „kupiert“ (Algovir).
Ebenfalls prophylaktisch gegen Erkältung eingesetzt wird Viruprotect-Mundspray mit der Peptidase Trypsin. Es besteht zumindest theoretisch das Risiko, dass Trypsin den Teil des Spike-Proteins spaltet, der vom Test-Antikörper erkannt werden soll, was zu falsch negativen Tests führen könnte. Diese Interaktionen sind zwar nicht nachgewiesen – schon weil sie nicht untersucht wurden –, aber auch nicht gänzlich auszuschließen. Es dürfte also kein Fehler sein, Patienten vor der Durchführung von Nasalabstrichen zu einem gewissen Zeitabstand zur Anwendung von Erkältungssprays zu raten. Viruprotect-Vertreiber Stada empfiehlt auf Anfrage, während 20 Minuten nach dem Einsprühen keine Proben zum Testen zu entnehmen, da gemäß Untersuchungen erst nach 20 Minuten die aufgesprühte ViruProtect Dosis von der Schleimhautoberfläche im Mund/Rachenbereich wieder ausgewaschen ist.
Bakterielle Besiedelung bzw. Infektionen: Virologen haben wiederholt darauf hingewiesen, dass falsch positive Befunde bei Nasalabstrichen relativ häufig als Kreuzreaktion durch eine bakterielle Besiedelung ohne Krankheitswert auftreten. Den Fehler verursachen Antikörper-bindende Proteine von Staphylokokken und Streptokokken, erläutert die Molekularbiologin Dr. Ulrike Zelck, Geesthacht: „Staphylococcus aureus-Bakterien, die zur normalen Besiedelungsflora von Schleimhäuten gehören, besitzen das Zellwandprotein A, das an den Fc-Teil von Antikörpern (insbesondere IgG) bindet. Nasalproben mit Zellwandprotein A von Staph. aureus können daher zu falsch-positiven Testergebnissen führen; das gleiche Problem kann bei Rachenabstrichen mit Protein G von Streptokokken auftreten.“
Kreuzreaktionen: Im Rahmen der EU-Richtlinie für In-vitro-Diagnostika (IVDD 98/79EG) sind Hersteller von Medizinprodukten aufgefordert, bei jedem Test in der Packungsbeilage über potenzielle Kreuzreaktivitäten, endogene und exogene Störeinflüsse und deren Grenzwerte zu informieren. In den Gebrauchsinformationen sind demzufolge auch Arzneistoffe wie Dekongestiva, Corticosteroide und Antibiotika gelistet und bis zu welchen Konzentrationen sie die Testleistung nicht störten. Auch diese Listung sollte spätestens bei Auftreten unklarer Testergebnisse beachtet werden, wenngleich sie bei all den Tests nicht vereinheitlicht ist.
Zeitfenster einhalten: Das Testergebnis muss meist nach 15 bis 30 Minuten abgelesen werden und darf danach nicht mehr gewertet werden. „Es gibt genügend Fallbeschreibungen, wonach ein eigentlich negativer Test bei verspäteter Ablesezeit falsch positiv werden kann“, sagt Kramer. „Logisch erklärbar ist, dass bei verfrühter Ablesezeit der Test (der dann noch nicht abgeschlossen ist) falsch negativ sein wird.“
Testperformance: Unabhängig von Anwendungsfehlern hat jedes Testkit seine eigene Performance oder Leistungsgrenze hinsichtlich Spezifität und Sensitivität. Praktische Erfahrung aus Testreihen mit mehr als 50.000 Personen bei Patienten des Universitätsklinikums Heidelberg zeigen, dass leistungsstarke Antigentests bei korrekter Anwendung nur sehr wenige falsch-positive Ergebnisse hervorbringen, berichtet PD Dr. Claudia Denkinger: „Wir haben über 40.000 Personen mit dem SD Biosensor-Test (Vertrieb bei Roche) untersucht und hatten nur 20 falsch positive Ergebnisse, d. h. die Spezifität ist nicht 99 Prozent, sondern 99,9 Prozent. Auch beim Abbott-Test sind es mindestens 99,7 Prozent. Das trifft nicht für alle Tests zu, aber die guten sind wirklich gut.“
3 Kommentare
Das Coronaspiel
von Volker Camphausen am 07.05.2021 um 23:42 Uhr
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Artikel "Positiv, negativ, ungültig?"
von Volker Camphausen am 07.05.2021 um 7:56 Uhr
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AW: Artikel "Positiv, negativ, ungü
von Christof Werner am 07.05.2021 um 9:15 Uhr
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