COVID-19

Das Virus und das Herz – von Herzstillstand bis Herzmuskelentzündung

Stuttgart - 03.05.2021, 17:50 Uhr

Insgesamt lässt sich bislang nur feststellen, dass SARS-CoV-2 Zellen des Herzens befällt und schädigen kann – und dass Effekte daraus sich auch noch lange nach einer überstandenen Infektion als Long-COVID-Syndrom zeigen können. (c / Foto: shishkin13 / AdobeStock)

Insgesamt lässt sich bislang nur feststellen, dass SARS-CoV-2 Zellen des Herzens befällt und schädigen kann – und dass Effekte daraus sich auch noch lange nach einer überstandenen Infektion als Long-COVID-Syndrom zeigen können. (c / Foto: shishkin13 / AdobeStock)


Dass COVID-19 mehr ist als eine Lungenkrankheit, hat sich bereits früh gezeigt. Nun mehren sich die Anzeichen, dass sowohl akut als auch bei Post-COVID-Erkrankung das Herz in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Eine neue Studie bringt außerdem die steigende Zahl nicht klinischer Herzstillstände mit SARS-CoV-2 in Verbindung.

Dass COVID-19 mehr ist als „nur“ eine Lungenkrankheit, zeichnete sich bereits früh nach den ersten Fällen in Wuhan im Herbst 2019 ab. Mittlerweile aber ist das Bild etwas klarer, dank zahlreicher Studien, Untersuchungen und nicht zuletzt nach mittlerweile – Stand Ende April 2021 – fast 150 Millionen Fällen weltweit und über 3 Millionen Toten. Gleichzeitig fehlt es an gesicherten Erkenntnissen. 

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Vor allem das immer breiter werdende Spektrum an Symptomen – das sich mit den aufkommenden neuen Varianten noch verbreitert – macht es schwer, genaue Pathomechanismen des Virus zu erklären. 
Ein Beispiel für neue Erkenntnisse, die eigentlich noch zu mehr Fragen führen, sind die zahlreichen Symptomatiken, die sich rund um COVID-19 und das Herz zeigen.  

Rezeptor für SARS-CoV-2 in Lunge, Herz, Nieren, Endothel und Magen-Darm-Trakt zu finden

Dass SARS-CoV-2 in der Lage ist, Zellen des Herzens zu infizieren, ist dabei eigentlich gar nicht so überraschend – spätestens seit ACE-2 als Rezeptor des Spikeporteins des Virus identifiziert worden ist. ACE-2, das „Angiotensin-konvertierende Enzym 2“, ein Transmembranprotein mit der Funktionalität einer Metallocarboxypeptidase, gehört zum Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) des Körpers, mit dem über einen Regelkreis aus Hormonen und anderen Signalmolekülen das Volumen und der Blutdruck des Organismus reguliert werden. Entsprechend ist ACE-2 nicht nur auf Zellen der Lunge exprimiert – sondern insbesondere auch auf Herzzellen, Zellen des die Gefäßwände bildenden Endothels, Zellen der Niere und des Magen-Darm-Trakts. Zum Teil erklärt das die breite Symptomatik von COVID-19. Auch der SARS-Erreger SARS-CoV-1 hat eine Affinität zu ACE-2, Herz-Symptomatiken wurden dafür allerdings nicht beschrieben. Das kann allerdings auch mit der raschen Eindämmung der Pandemie im Jahr 2003 und der vergleichsweise „geringen“ Zahl Infizierten von 8.096 zusammenhängen.

Erhöhung der entzündungsassoziierten Zytokin-Werte im Herzgewebe

Über die nachgewiesene direkte Herzschädigung des COVID-19-Erregers berichtete jüngst auf der im April 2021 stattgefundenen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie Dirk Westermann, Professor an der Uni Hamburg und stellvertretender Direktor der Kardiologie im Universitären Herz- und Gefäßzentrum UKE Hamburg. (Eine Zusammenfassung seines Vortrags findet sich im Online-Portal „Medscape“.) 
Seine Arbeitsgruppe hatte bereits im Juli 2020 eine Autopsie-Studie im Fachmagazin „JAMA Cardiology“ veröffentlicht, bei der sie bei verstorbenen COVID-19-Patient:innen das Virus im Gewebe des Herzens nachweisen konnten – allerdings keine akute Entzündung des Herzens. Jedoch gibt es eine Erhöhung der entzündungsassoziierten Zytokin-Werte im Herzgewebe, dem Myokard. Weiterhin ist bislang unter anderem aus China bekannt, dass ein schwerer Verlauf von COVID-19 oft auch mit einem erhöhten Troponin-Wert im Blut einhergeht. 

Troponin ist ein Protein aus den Muskelzellen, das etwa im Falle eines Herzinfarktes aus den dabei zerstörten Herzzellen ins Blut freigesetzt wird und als ein molekularer Marker für Herzsymptomatiken gilt. In welchem Ausmaß SARS-CoV-2 in der akuten Phase der Infektion Herzzellen schädigt und warum das nicht immer der Fall ist, wird allerdings noch untersucht. Unter anderem Forscher:innen der University of California in San Francisco und andere Mediziner:innen weltweit berichten, dass es bei hospitalisierten COVID-19-Patient:innen zu einer Verschlimmerung bestehender Herz-Probleme sowie zum Neu-Auftreten einer Vielzahl von Herz-Symptomatiken kommen kann. 

Nicht-klinische Herzstillstände haben signifikant im Rahmen der Pandemie zugenommen

Beachtenswert ist dabei eine jetzt veröffentlichte Studie im Fachmagazin „The Lancet“, die den signifikanten Anstieg von Herzstillständen außerhalb des Krankenhauses (out-of-Hospital cardiac Arrests OHCA) in großen Städten in den USA untersucht, der zeitlich mit der COVID-19-Pandemie korreliert.

Die Mediziner:innen – in dem Fall die Chefärzte der Notfallmedizin aus 50 großen US-Städten – kommen dabei zu dem Schluss, dass es sehr wahrscheinlich einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg plötzlicher Herztode und dem Virus gibt und dass dies nicht mehrheitlich darauf beruht, dass in Pandemie-Zeiten Betroffene zu spät mit Herzproblemen ins Krankenhaus kämen. Insbesondere, weil die OHCA-Fallzahlen zum Teil bereits früh bei lokalen COVID-19-Ausbrüchen auftraten und zum Teil auch unmittelbar zeitlich davor, vermuten die Mediziner:innen, dass ein Herzstillstand ein Krankheitssymptom bereits in der Frühphase von COVID-19 sein kann. 

Da allerdings viele der Fälle nie auf COVID-19 getestet wurden, ist der ursächliche Zusammenhang – noch – nicht unmittelbar bewiesen. Dementsprechend müssten nicht nur die Fallzahlen um die entsprechende Dunkelziffer nach oben revidiert werden, sondern auch die der Todesfälle. 

Herz-Symptomatiken beim Long-COVID-Syndrom

Herz-Symptomatiken als eine spätere Folge einer „überstandenen“ COVID-19-Erkrankung gelten dagegen mittlerweile als gesichert – wenngleich die Pathomechanismen dabei auch noch nicht aufgeklärt sind. Eine Vielzahl von Symptomen bei dem sogenannten Long-COVID könne, so sagen Westermann oder auch Nisha Parikh, Medizin-Professorin der Universität von Kalifornien in San Francisco, dabei auf Schädigungen des Herzens zurückgehen. Long-COVID ist dabei das breit gefächerte Syndrom, das sich bei zehn bis 20 Prozent aller Infizierten (auch der leichten oder asymptomatischen Fälle) zeigt – mit einer Vielzahl an individuell unterschiedlich ausgeprägten Symptomen von Erschöpfung über Atemnot, Kopfschmerzen, aber auch Brustschmerzen oder Herzrhythmusstörungen in Form sogenannter Palpitationen (wenn der Herzschlag bewusst und heftig wahrgenommen wird). 

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Häufung einer Myokarditis nicht erwiesen

Pathologisch sind in Studien unter anderem Herzveränderungen im MRT Wochen nach einer COVID-19-Infektion nachgewiesen worden. „Wir konnten feststellen, dass Patienten, die eine Corona-Infektion durchgemacht hatten, einige Wochen später auffällig wurden mit Symptomen einer akuten Herzmuskelentzündung“, erklärte auch Philipp Wenzel, Kardiologe an der Universitätsklinik Mainz, gegenüber dem Bayrischen Rundfunk. Die Forscher:innen der Uniklinik Mainz veröffentlichten eine Arbeit dazu im Fachmagazin „Cardiovascular Research“.

Zumindest interessant in dem Zusammenhang ist, das eine Myokarditis auch als eine mögliche unerwünschte Wirkung einer Impfung mit dem Biontech-Impfstoff mit einigen Dutzend Fällen bislang in Israel gemeldet wurde. (Eine Thrombozytopenie, eine Reduktion der Blutplättchen, ist analog sowohl als ein Symptom einer Infektion mit SARS-CoV-2 sowie bei SARS-CoV-1 bekannt – als auch als wahrscheinliche unerwünschte Wirkung einer Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff.) 

POTS könnte mit Herzbeteiligung bei COVID-19 in Zusammenhang stehen

Ein weiteres Syndrom, das in Zusammenhang mit einer Herzbeteiligung bei COVID-19-Infektion gebracht wird, ist das sogenannte POTS. Das steht für „Posturales Orthostatisches Tachykardie-Syndrom“ – es äußert sich insbesondere durch eine abnorme erhöhte Herzschlagrate nach dem Aufstehen und kann zu Schwindel, Schwäche und Benommenheit führen. Das Online-Portal Medscape“ berichtet darüber und bezieht sich auf Forscher der Universität von Kalifornien. Auch in dem Bereich wird noch geforscht – möglich sei, so die Forscher:innen, dass dabei neben dem Herzen auch die den Herzschlag regulierenden Nerven betroffen seien. 

Insgesamt lässt sich bislang nur feststellen, dass SARS-CoV-2 Zellen des Herzens befällt und schädigen kann – und dass Effekte daraus sich auch noch lange nach einer überstandenen Infektion als Long-COVID-Syndrom zeigen können. 



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Herzfehler möglich weil Immunsystem zurückbleibende Viren nicht mehr bekämpfen kann

von Ch.Wiechering am 04.05.2021 um 14:31 Uhr

Auch nach einer Grippeerkrankung können Herzfehler auftreten, das ist bekannt, kommt aber nicht so häufig vor wie nach einer COVID-19 Erkrankung.
Möglicherweise liegt es nur daran, das zum Bekämpfen der akuten Erkrankung bei Gippeviren weniger Vitamin-D verbraucht wird als zur Bekämpfung von COVID-19 Viren, da diese agressiver sind.

Somit ist nach einer COVID-19 Erkrankung der Vitamin-D Vorrat in Blut häufiger aufgebraucht, und
reicht nicht mehr aus, um die restlichen Viren in den Organen zu bekämpfen.
In Folge dessen verbleiben diese für länger Zeit dort und können verspätete Schäden anrichten, das gilt nicht nur für
das Herz sondern z.B. auch für Bauchspeicheldrüse. So entwickeln ca.10% der schwer an COVID-19 Erkrankten
Patienten in Folge eine Diabetes.

Das bei schwer an COVID-19 Erkrankten üblicherweise ein sehr niedriger Vitamin-D Spiegel gemessen wird,
ist unbestritten und das Ergebnis vieler Studien.
Zur Bekämpfung von Viren ist zwingend Vitamin-D erforderlich und wird dabei verbraucht.
Entsprechend sinkt der Vitamin-D Spiegel im Blut ab.

Ist der Vorrat alle, wird die Aktivierung von T-Zellen und somit die Virenbekämpfung eingestellt.
Siehe Studie der EU aus Kopenhagen von 2010 "Sonne unverzichtbar für starkes Immunsystem"
"...T-Zellen brauchen unbedingt ausreichende Mengen an Vitamin D im Blut, um in Aktion treten und entsprechend funktionieren zu können… Sind keine ausreichenden Mengen dieses Vitamins im Blut verfügbar - so die Forscher - blieben die Zellen in einem schlafähnlichen Zustand und seien daher unfähig zur "Aktivierung" und somit zur gezielten Bekämpfung fremder Krankheitskeime. "
https://cordis.europa.eu/article/id/31850-more-sun-means-a-better-immune-system/de

Ist kein Vitamin-D mehr vorhanden, können Viren für längere Zeit im Körper verbleiben, und verspätete Schäden verursachen.
Das ist ein Faktor, und möglicherweise der entscheidende Faktor für Long-COVID.

In deutschsprachigem Raum gibt es noch keine Publikationen dazu, im englischsprachigen aber schon.
https://richmondfunctionalmedicine.com/risk-factors-long-covid/

Es ist also wichtig nach einer COVID-19 Erkrankung den Vitamin-D Spiegel zu prüfen, und einen Mangel möglichst
schnell zu beseitigen. Das kann Spätschäden verhindern und die Genesung beschleunigen.

Bezüglich Fatigue der meistgenannten Folge von Long-COVID gibt eine Doppelblindstudie
der Universitätsklink Zürich. Hier erholten sich die Probanden der Vitamin-D Gruppe 4 mal schneller als die der Vergleichsgruppe.
Universitäts Hospital Zürich 30.12.2016
"Effect of vitamin D3 on self-perceived fatigue"
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5207540/

Ch.Wiechering
Kiel

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