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Cannabis-Report 2020
Glaeske: „Cannabis ist kein Wundermittel!“
Unverarbeitete Blüten auf der Liste ganz oben
Für den Cannabis-Report 2020 hat die BKK Mobil Oil gemeinsam mit Glaeskes Arbeitsgruppe seine Arzneimittelabrechnungen für Cannabis-Verordnungen von 2017 bis Oktober 2019 analysiert. 1.317 Anträge auf Kostenübernahme nach § 31 Absatz 6 SGB V wurden in diesem Zeitraum gestellt und rund zwei Drittel davon bewilligt. Als erstaunlichstes Ergebnis der Studie bezeichnen die Experten, dass im Jahr 2019 62 Prozent der Ausgaben auf unverarbeitete Cannabisblüten und Blüten in Zubereitungen entfielen. „Archaisch anmutende Therapien in Zeiten der Verfügbarkeit von standardisiert hergestellten und im Markt verfügbaren zugelassenen Cannabis-Produkten und vor allem gut geprüften, wirksamen und vielfach erprobten Schmerzmitteln“, meint Studienleiter Glaeske.
Weit überwiegend junge Männer in der Hochkostengruppe
Nach der Analyse der Ausgaben für Cannabinoide je Versicherten sind wenige (rund acht Prozent) für einen Großteil (über 50 Prozent) der Ausgaben verantwortlich. Weitere Auffälligkeiten machen die Studienautoren bei den „Hochkostenfällen“ mit mehr als 15.000 Euro im Analysezeitraum aus. Zum einen fallen diese in den Bereich der unverarbeiteten Cannabisblüten und Blüten in Zubereitungen. Zum anderen liegt der Anteil der männlichen Patienten in dieser Gruppe bis zu zehnfach höher als der bei weiblichen. Außerdem sind die männlichen Antragsteller meist im Alter von 20 bis 29 Jahren, während Frauen erst ab dem Alter 30 bis 39 Lebensjahre Cannabinoide erhielten. Stutzig machten die Experten auch die Tagesdosen, die nach ihren Berechnungen mitunter um ein Vielfaches über denen des staatlichen Cannabisprogrammes der Niederlande lagen. Dies lasse auch die Frage aufkommen, ob solche Dosierungen noch mit einer verantwortungsvollen Versorgung in Einklang zu bringen seien oder ob getrocknete Cannabisblüten auch als Rauschmittel „auf Rezept“ missbraucht oder sogar weiterverkauft werden, gibt der Versorgungsforscher Glaeske zu bedenken.
In-label- und Off-label-Verordnungen
Ein weiteres beunruhigendes Ergebnis: Lediglich ein Fünftel der Antragsteller erhielt Cannabis-basierte Arzneimittel im Rahmen gut geprüfter und zugelassener Anwendungsgebiete. Dazu gehören vor allem die spezialisierte ambulante Palliativversorgung von Krebspatient:innen sowie neurologische Leiden oder Anorexie. Ein Großteil bekam diese für Indikationen, die klinisch nicht belegt sind, zum Beispiel aufgrund eines chronischen Schmerzsyndroms (27 Prozent), wegen anhaltender Rückenschmerzen (7 Prozent) oder auch wegen Spastik oder Polyneuropathie (6 bzw. 5 Prozent). „Also überwiegend für Indikationen, in denen eine Reihe von Studien gezeigt haben, dass THC-haltige Medikamente im Mittel keine relevante Schmerzlinderung erzeugt“, kommentiert der Schmerzmediziner Christoph Maier, ehemaliger Chefarzt der Schmerzklinik an der Universität Bochum. Weiterhin fiel auf, dass auch psychiatrische Diagnosen wie Depression, Epilepsie oder Schizophrenie genannt wurden, die bei zugelassenen Fertigarzneimitteln in Fach- und Gebrauchsinformationen als Kontraindikationen aufgeführt werden.
Besonderes Rezept und Nutzenbewertung
Abschließend sprechen die Autoren des Cannabis-Reports 2020 einige Empfehlungen aus, mit denen die Anwendung von Cannabinoiden im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auf eine rationalere Basis gestellt werden könnte. So raten sie dazu, eine Einschränkung der Verordnung auf Ärzte mit besonderer Sachkunde bzw. Facharztweiterbildung anzustreben. Ein eigenes Rezeptformular (C-Rezept) für die Verordnung von Cannabinoiden analog dem T-Rezept könnte der Ärzteschaft außerdem den Status einer zumeist experimentellen Therapie besser verdeutlichen. Außerdem sollte die Anwendung von Cannabisblüten auf klinische Zulassungsstudien beschränkt werden. Angesichts ihrer Befunde werde die Forderung nach einer Nutzenbewertung der gesamten Cannabis-Anwendungspalette immer lauter, schreiben die Experten weiter. „Cannabis ist schließlich kein Wundermittel!“, fasst Glaeske zusammen. Er spricht sich deshalb nachdrücklich dafür aus, wie bei allen neuen Arzneimitteltherapien schnellstens eine AMNOG-Prüfung beim gemeinsamen Bundesausschuss nachzuholen.
1 Kommentar
JA leider
von Andreas Dömling am 16.03.2021 um 13:37 Uhr
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Cannabis kein Wundermittel...
von pille62 am 16.03.2021 um 13:11 Uhr
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