Kartellrechtliche Untersuchung

Copaxone: Teva im Visier der EU-Wettbewerbshüter

Berlin - 05.03.2021, 15:15 Uhr

Die EU-Kommission überprüft, ob Teva versucht hat, seine marktexklusive Stellung für Copaxone künstlich zu verlängern. (x / Foto: IMAGO / Shotshop)

Die EU-Kommission überprüft, ob Teva versucht hat, seine marktexklusive Stellung für Copaxone künstlich zu verlängern. (x / Foto: IMAGO / Shotshop)


Hat Teva die Marktexklusivität seines umsatzstarken MS-Präparats Copaxone nach dessen Patentablauf im Jahr 2015 künstlich verlängert? Dieser Frage geht die Europäische Kommission jetzt in einer förmlichen kartellrechtlichen Untersuchung nach.

Wie die Europäische Kommission mitteilt, hat sie eine kartellrechtliche Untersuchung gegen Teva eingeleitet. Das Pharmaunternehmen mit Hauptsitz in Israel ist in Europa über mehrere Tochtergesellschaften aktiv. Es geht um die Frage, ob Teva mit Blick auf sein einträgliches Multiple-Sklerose-Medikament Copaxone® (Wirkstoff: Glatirameracetat) seine marktbeherrschende Stellung missbraucht und damit gegen EU-Kartellrecht verstoßen hat.

2015 war das Grundpatent von Teva für Glatirameracetat ausgelaufen. Damit war der Weg für Generika grundsätzlich frei. Doch die Kommission will nun prüfen, ob das Unternehmen die Marktexklusivität von Copaxone nach dem Patentablauf künstlich verlängert hat, indem es aus strategischen Gründen Teilpatente angemeldet und wieder zurückgezogen hat. Teilpatente ergeben sich aus einem umfassenderen Hauptpatent und können Erfindungen mit wesentlichen Überschneidungen zum Hauptpatent abdecken. Damit kann der Patentinhaber den Markteintritt von Generika erschweren.

Mehr zum Thema

Teva verbucht Erfolg im Patentstreit

Vorerst kein Clift 40 mg/ml bei multipler Sklerose

Generische Konkurrenz für Copaxone

Teva senkt Umsatz- und Gewinnerwartungen für 2019

Die Kommission prüft überdies, ob Teva Gesundheitseinrichtungen und Angehörige der Gesundheitsberufe unrechtmäßig beeinflusst hat. Es lägen Hinweise vor, dass Teva mit einer Kommunikationskampagne darauf hinwirken wollte, „dass die Gesundheitsrisiken aus der Verwendung von Konkurrenzprodukten falsch wahrgenommen werden, auch wenn diese Arzneimittel von den zuständigen Gesundheitsbehörden bereits genehmigt worden waren“.

Bereits im Oktober 2019 hatte die EU-Kommission unangekündigte Nachprüfungen in den Geschäftsräumen mehrerer Teva-Tochtergesellschaften im Europäischen Wirtschaftsraum durchgeführt. Darauf folgten im Januar 2020 weitere Nachprüfungen.

Vestager: Wettbewerb muss funktionieren 

Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager verwies darauf, dass Multiple Sklerose eine chronische Erkrankung ist, „die mehr als eine halbe Million Europäer im Alltag beeinträchtigt und lebenslang behandelt werden muss“. Trotz großer Anstrengungen in der Forschung sei bisher kein Heilmittel gegen diese Krankheit gefunden worden. „Daher ist es sehr wichtig, dass auf dem Markt für verfügbare Arzneimittel, die das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen und die Lebensqualität der Patienten verbessern sollen, der Wettbewerb funktioniert. Wenn die Unternehmen um Innovationen konkurrieren, können neue und erschwingliche Behandlungsmöglichkeiten gefunden werden“, so Vestager. Die nun gestartete Untersuchung solle klären, ob Teva den Markteintritt von Copaxone-Generika „auf Kosten von Patienten und Gesundheitssystemen missbräuchlich verhindert oder verzögert hat“.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, könnte Teva eine marktbeherrschende Stellung missbraucht und gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie Artikel 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verstoßen haben.

Laut Kommission handelt sich um ihr erstes förmliches Prüfverfahren im Bereich des Missbrauchs von Patentverfahren und der Herabsetzung von Konkurrenzprodukten zur Behinderung ihres Markteintritts in der Pharmaindustrie.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.