Zur Rose bastelt am E-Rezept-Fachdienst

„Der Albtraum aller Vor-Ort-Apotheken“

Berlin - 18.11.2020, 16:00 Uhr

Die Gematik muss dafür Sorge tragen, dass der gesetzliche Auftrag eingehalten wird. Das heißt konkret, keine Vor-Ort-Apotheke darf beim E-Rezept gegenüber Online-Apotheken benachteiligt werden, sagt FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann. (c / Foto: imago images / Political-Moments)

Die Gematik muss dafür Sorge tragen, dass der gesetzliche Auftrag eingehalten wird. Das heißt konkret, keine Vor-Ort-Apotheke darf beim E-Rezept gegenüber Online-Apotheken benachteiligt werden, sagt FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann. (c / Foto: imago images / Political-Moments)


Eine Zur Rose-Tochter soll im Konsortium unter der Führung von IBM den deutschen E-Rezept-Fachdienst entwickeln und betreiben. Und die Gematik, die am Montag über den Zuschlag informierte, flankiert ihre Entscheidung nicht gerade mit einer ausgeklügelten Kommunikationsstrategie. Wie kommt das im politischen Berlin an? DAZ.online hat erste Stimmen eingefangen.

Die Gematik beauftragt den deutschen Zweig des US-Konzerns IBM damit, den zentralen E-Rezept-Fachdienst zu entwickeln. Mit an Bord ist die Zur Rose-Tochter eHealth-Tec, die Teil des Konsortiums um IBM ist. Die Apotheker:innen sind alles andere als erfreut darüber, dass die Schweizer den Fachdienst mitgestalten dürfen. Wie nehmen die Gesundheitspolitiker im Deutschen Bundestag die Nachricht auf?

„Diese Kooperation klingt auf den ersten Blick wie der Albtraum aller Vor-Ort-Apotheken“, teilt der FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann auf Anfrage von DAZ.online mit. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass diese Unternehmen bisher wichtige Erfahrungen im Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur gemacht haben. Ich kenne die Details der Vergabe nicht, aber eins ist klar: Die Gematik muss dafür Sorge tragen, dass der gesetzliche Auftrag eingehalten wird. Das heißt konkret, keine Vor-Ort-Apotheke darf beim E-Rezept gegenüber Online-Apotheken benachteiligt werden.“

Gabelmann: Apotheken werden benachteiligt

Die Apothekerin Sylvia Gabelmann (Linke) findet deutlich drastischere Worte als ihr Kollege. „Die Linke hat immer gefordert: Durch das E-Rezept dürfen Versandapotheken nicht bevorteilt werden. Doch genau das geschieht jetzt“, so Gabelmann auf Nachfrage. „Denn wenn eHealth-Tec, eine Firma, die zum DocMorris-Mutterkonzern gehört, zusammen mit IBM die technische Infrastruktur des E-Rezepts entwickelt, dann werden diese schon dafür sorgen, dass die Komponenten des E-Rezepts auf die Bedürfnisse von DocMorris zugeschnitten sind. Und der Arzneimittelversender wird sicherlich immer früher als alle anderen erfahren, wie die Infrastruktur aussehen soll“, moniert sie.

Für die Präsenzapotheken fürchtet die Arzneimittelexpertin erhebliche Wettbewerbsnachteile. „Ich finde es unerträglich, dass DocMorris nun – zwar indirekt, aber maßgeblich – an der Gestaltung des E-Rezepts beteiligt werden soll. Das stärkt den Versandhandel und schwächt die Apotheken vor Ort.“ Und auch der Zeitpunkt der Bekanntgabe macht Gabelmann stutzig. „Die Gesellschaft für Telematik (Gematik) fällte diese Entscheidung im Schatten der wichtigen Entscheidungen rund um das dritte Bevölkerungsschutzgesetz. Es sieht für mich so aus, als würde dieser Coup zugunsten der Arzneimittelversandhändler bewusst zu einem Zeitpunkt erfolgen, wo die Öffentlichkeit und auch die politischen Entscheider:innen mit anderen Geschehnissen beschäftigt sind. Da bleibt nicht nur ein schaler Beigeschmack.“

Wer hat bei der Gematik das Sagen?

Auf wessen Kappe das Ganze geht, ist aus Gabelmanns Sicht klar. „Wer hat übrigens dank Jens Spahn, der bekanntermaßen durchaus ein Freund des Versandhandels ist, bei der Gematik das Sagen? Vor zwei Jahren entmachtete der Bundesgesundheitsminister die bis dahin bestehende Selbstverwaltung durch Kassenvertreter:innen sowie Leistungserbringer:innen und er übertrug 51 Prozent der Geschäftsanteile an das Bundesgesundheitsministerium. Das BMG hatte somit großen Einfluss auf die Entscheidung zugunsten des Zur Rose-Konzerns.“


Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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7 Kommentare

Gefahr

von Reinhard Rodiger am 20.11.2020 um 0:14 Uhr

" So soll beispielsweise künftig möglich sein, dass Chroniker automatische Nachverordnungen über die App beziehen können..." (Dr.Leyck Dieken Gematik)

Das ist die wahre Pfründe für Versender.Das hebelt alle VorOrt-Apotheken aus.Bekanntlich gibt es grosse (passagere) Vergünstigungen nur durch Kapitaleinsatz.So läuft Destrukturierung.Diese Gefahr nicht ernst zu nehmen ist das Credo der Politik.Sie beschleunigt den Prozess.

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Ullmanns Albtraum

von Heiko Barz am 19.11.2020 um 10:59 Uhr

Ullmann bringt es mit einem Satz auf den Punkt:
...“keine Vor Ort Apotheke darf beim E-Rezept gegenüber Online Apotheken benachteiligt werden.....“
Noch vor nicht allzu langer Zeit hörte sich das ganz anders an. Und dabei ging es hauptsächlich und ausschließlich um partikulare EU Interessen.
„Keine Versand Apotheke darf durch Vor Ort Apotheken benachteiligt werden!. Ja, so ändern sich die Sitten und Gebräuche.
Das erjammerte sich Spahn doch seit er in dem Gesundheits-Ministerium sitzt.

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Zur Rose und die Gematik

von pille62 am 19.11.2020 um 9:18 Uhr

.....ja das wird schmerzhaft, aber wenn dann Amazon in absehbarer Zeit in Europa und vor allem in Deutschland auftaucht, dann wird der Schmerz noch viel größer, vor allem für die Versender!

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armes Deutschland

von J.M.L. am 19.11.2020 um 8:54 Uhr

Die Schließungswelle in den Innenstädten nimmt immer größere Fahrt auf, aktuell sicher auch COVID-bedingt, Karstadt & Co. sind nur der Anfang, Traditionshäuser schließen nach über 200 Jahren, und Spahn gießt Öl ins Feuer, wollen wir uns künftig wirklich so abhängig vom Versand machen? Gerade Krisenzeiten zeigen, wie wichtig eine funktionierende, dezentrale Versorgung ist. Rettet unsere Innenstädte und die Warenvielfalt. Der Versand ist kein Zukunftskonzept, der Versand vernichtet Arbeitsplätze, der Versand lässt Innenstädte aussterben, der Versand ist die Geißel des digitalen Fortschritts, er macht uns alle abhängig von wenigen Großkapitalisten. Wer den Versand unterstützt denkt kurzsichtig und nicht zum Wohle des Volkes, mit Weitsicht denken war noch nie die Stärke der Politik, Spahn ist hier leider einer der Schwächsten. Kurzfristiger Profit passt eben zu unserer Geiz-ist-Geil-Gesellschaft. Armes Deutschland, dass selbst unsere gewählten Volksvertreter dieses Denken vorleben.

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"Connections" und Seilschaften

von Thomas Eper am 18.11.2020 um 17:13 Uhr

Herr Spahn bedient ja seine Kumpels bei DocMorris in Holland vorbildlich.

Und das auf Kosten deutscher Apotheken.
Ein Musterknabe deutscher Politik.

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AW: "Connections" und Seilschaften

von Stefan Haydn am 19.11.2020 um 12:05 Uhr

Irgendwie muss die Villa ja finanziert werden. Der Aufschrei blieb ja dank Corona auch aus, da es die Bevölkerung nicht bemerkt hat.

Weitere Stimme

von Conny am 18.11.2020 um 16:23 Uhr

Jens S. : Wunderbar ! Läuft !

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