BVDVA-Kongress

Oberhänsli: Hat das Edikt von Salerno ausgedient?

Berlin - 15.10.2020, 12:15 Uhr

Walter Oberhänsli stellt das Edikt von Salerno jetzt offen infrage. (c / Foto: picture alliance)

Walter Oberhänsli stellt das Edikt von Salerno jetzt offen infrage. (c / Foto: picture alliance)


Zur-Rose-Chef Walter Oberhänsli zweifelt daran, ob das Edikt von Salerno noch zeitgemäß ist. „Man muss doch mal die Frage stellen dürfen, ob eine Regel, die man vor 800 Jahren für richtig gehalten hat, heute noch Bedeutung hat“, sagte er am heutigen Donnerstag beim BVDVA-Kongress. Nicht alle Diskutanten in der Runde waren auf seiner Seite.

Im Juli schockte die Akquise des Telemedizin-Anbieters Teleclinic durch die DocMorris-Mutter Zur Rose die Apotheker in Deutschland. Sie sehen das Edikt von Salerno, also die strikte Trennung zwischen Arzneimittelverordner und -distributor, durch den Deal unmittelbar in Gefahr. Auf Drängen der AG Gesundheit prüfte kürzlich das Bundesgesundheitsministerium den Sachverhalt. Das Ergebnis: Zum jetzigen Zeitpunkt sei es nicht erforderlich, einzugreifen. Man wolle aber weiter beobachten, ob die in Deutschland geltenden Regeln eingehalten werden.

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Am heutigen Donnerstag äußerte sich Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli beim Kongress des Bundesverbands der Versandapotheken in Deutschland (BVDVA) zum Sachverhalt. Aus seiner Sicht ist es an der Zeit, eine Regel, die seit nunmehr 800 Jahren gilt, auf ihre Bedeutung in der heutigen Zeit abzuklopfen. „Die Grenzen, die man für Jahrhunderte für richtig gehalten hat, werden verschwimmen“, prophezeite er.

Im konkreten Fall, betonte er, habe sein Unternehmen jedoch lediglich eine Plattform erworben, die den Kontakt zu den Ärzten herstelle, und nicht die Leistungserbringer selbst in die Zur Rose-Gruppe integriert. Dennoch: Auch die Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung in den Apotheken zeigten, dass man „eine offene Diskussion führen sollte“, meinte Oberhänsli. Das Angebot müsse sich in Zukunft stärker am Nutzen für den Patienten orientieren als bisher.

Gegenwind für Oberhänsli

Dirk Düvel, Inhaber der „wir leben Apotheken“, warnte davor, an dieser traditionellen Trennung zu rütteln. Sie sei „extrem wichtig, auch im Sinne einer Anti-Korruptions-Hygiene“, widersprach er Oberhänsli. Er halte es für brandgefährlich, sie infrage zu stellen. „Apotheker und Ärzte sollten nicht in der gleichen Körperschaft sein“, unterstrich er.

Christian Buse, erster Vorsitzender des BVDVA, merkte an, das Edikt von Salerno sei „nicht falsch, nur weil es alt ist“. Es gelte jedoch, auch die aktuellen Entwicklungen im Blick zu behalten. Inzwischen gebe es schließlich auch Krankenhäuser in privater Hand, in denen sowohl angestellte Ärzte als auch Apotheker tätig seien. Das gehe aus seiner Sicht in eine ähnliche Richtung, konstatierte Buse.


Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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8 Kommentare

Das Edikt von Salerno

von pille62 am 19.10.2020 um 9:06 Uhr

muss dann aber auch heißen, Apotheker dürfen auch bitte in Bereichen tätig sein, die bisher Ärzten vorbehalten sind.
Ich denke da an das Impfen allgemein, Blutproben nehmen, Knochendichte Messungen, Botox- behandlungen.
Und unseren innovativen Kollegen fallen da bestimmt auch andere Bereiche ein.
Natürlich nur mit zusätzlicher Weiterbildung, denn picksen, Proben weiterschicken und den Fuss zur Messung vorbereiten , das schaffen wir für gutes privat gezahltes
Geld.
Bei unseren großzügigen Öffnungszeiten ist der Zugang zu diesen Leistungen niederschwellig.
Ergebnisse digital aufs Handy.
Die interpretation und das Gespräch hierzu überlassen wir dann den Ärzten.
Das nenne ich win-win Situation. Die Ärzte brauchen dann
auch weniger von Ihren teilweise doch recht pampigen Sprechstundenhilfen.

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Aufforderung zum Rechtsbruch?

von Harald Schweim am 18.10.2020 um 10:40 Uhr

Nach den Regeln der Meinungsfreiheit in Deutschland darf jeder - auch Herr Oberhänsli - jede Meinung äußern, die er will, soweit er sich in den Schranken des Grundgesetzes Art.5 Abs. 2 bewegt. Der Vergleich mit den 10 Geboten, etwa 2500 Jahre alt, ist möglicherweise zu bombastisch, aber wie wäre es mit dem "Reinheitsgebot für Bier", eine der frühesten Schutzbestimmungen im Lebensmittelrecht, rund 500 Jahre alt? Aber es reicht auch der Verweis auf §11 des Apothekengesetz, der RECHTSGÜLTIG bestimmt, dass Apothekenleiter und Apothekenpersonal mit Ärzten, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen dürften, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben. Diese Bestimmung bezieht sich nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts auch auf Ärzte. Sie sei Ausdruck des Grundsatzes einer strengen Trennung zwischen dem Beruf des Arztes und dem des Apothekers und seines Personals und diene dazu, die Unabhängigkeit des Apothekers gegenüber anderen Heilberuflern ausdrücklich zu sichern, was die grundlegende gesundheitspolitische Bedeutung dieses Themas für den Gesetzgeber belege. Der Arzt solle sich danach ausschließlich bei der Auswahl von Arzneimitteln von fachlich-medizinischen Gesichtspunkten und von seinem ärztlichen Gewissen leiten lassen, während der Apotheker die ihm zugewiesene Kontrollfunktion bei der Lieferung und Aushändigung von Arzneimitteln sachgerecht und eigenverantwortlich entsprechend seiner herausgehobenen Stellung im Gesundheitswesen wahrzunehmen habe.(So auch: Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. September 1999, Az.: 13 A 3323/97) ICH lese die Äußerungen von Herrn Oberhänsli, der soweit ich weiß Schweizer ist, so, dass er zum BRUCH geltender deutscher Gesetze aufruft. Ob das noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist müssen Juristen klären.

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Oberhänsli gegen Salerno

von Roland Mückschel am 16.10.2020 um 12:22 Uhr

Der Schweizer hat Recht.
Es müssen nur genug Fränkli sein dass das Edikt
aufgehoben wird.
Das ist halt unsere Zeit.

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Edikt von Salerno

von Mathias Keil Dr am 16.10.2020 um 12:10 Uhr

Selbstverständlich darf und soll man alte Regularien hinterfragen. Das Edikt von Salerno ist ja auch nicht aus Jux und Tollerei entstanden sondern als weltweit 1. Antikorruptionsgesetz und im GMP-Kontext würde man sagen als gesetzliche Grundlage für Verantwortungsabgrenzungsverträge und entspr. Funktionsbeschreibungen. Es hat sich bis heute bewährt und stellt gerade in der heutigen Zeit und für zukünftige Entwicklungen sicher, dass Patienten nicht übervorteilt werden und Arzt und Apotheker fachlich adäquat zusammenarbeiten können ohne die finanziellen Belange zu sehr zu tangieren. Fällt das Edikt von Salerno, dann werden sowohl Patienten als auch die freien Berufe im Bereich Medizin/Pharmazie von den Haien des E-commerce und global agierenden sowie auf Shareholder Value fokussierten Unternehmen gnadenlos aufgefressen. Währet den Anfängen, solange es noch 5 vor 12 ist!!

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Das gute und richtige bewahren ist modern

von Thomas Kerlag am 16.10.2020 um 7:04 Uhr

Der hässliche Mensch meint der Rest der Menschheit diene nur seinen Aktionären

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AW: Das gute und richtige bewahren ist

von Thomas Kerlag am 16.10.2020 um 7:12 Uhr

Wierecard, AvP etc. .und einseitig Interessierte meinen die alte Korruptionsfähigkeit des Menschen wäre modern

Edikt von Salerno

von Uwe Hüsgen am 15.10.2020 um 19:45 Uhr

Herr Oberhänsli,
das fünfte Gebot "Du sollst nicht töten" gilt seit mehr als 800 Jahren.
Stellen Sie allein wegen des Alters auch hier die Frage, ob dieses Gebot noch zeitgemäß ist?

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.

von Anita Peter am 15.10.2020 um 13:03 Uhr

Die Regel, dass es RX nur auf Rezept gibt, könnte man auch gleich überdenken oder?

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