COVID-19

Forscher dämpfen Erwartungen an die ersten Corona-Impfstoffe

07.10.2020, 17:50 Uhr

Manche Wissenschaftler meinen: Eine Rückkehr zur Normalität könne es frühestens geben, wenn die Pandemie weltweit eingedämmt sei – und überall Impfstoff verfügbar – „because no country will be truly protected from COVID-19 until virtually the entire world is“. (Foto: rangizzz /stock.adobe.com)

Manche Wissenschaftler meinen: Eine Rückkehr zur Normalität könne es frühestens geben, wenn die Pandemie weltweit eingedämmt sei – und überall Impfstoff verfügbar – „because no country will be truly protected from COVID-19 until virtually the entire world is“. (Foto: rangizzz /stock.adobe.com)


In einem Review im renommierten Fachmagazin „The Lancet“ stellen die Forscher Malik Peiris und Gabriel Matthew Leung aus Hongkong klar, dass die großen Hoffnungen – vor allem auf eine Rückkehr zur Normalität – mit den ersten COVID-19-Impfstoffen wahrscheinlich verfrüht sind.

„Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass wir nicht davon ausgehen können, dass COVID-19-Impfstoffe, selbst wenn sie nachweislich die Schwere der Krankheit wirksam reduzieren, die Virusübertragung in vergleichbarem Maße verringern werden. Die Vorstellung, dass eine durch COVID-19-Impfstoffe induzierte Immunität der Bevölkerung eine Rückkehr zur ,Normalität' vor COVID-19 ermöglicht, könnte auf illusorischen Annahmen beruhen“, so schreiben es die Virologen Malik Peiris und Gabriel Matthew Leung aus Hongkong in ihrem Review „What can we expect from first-generation COVID-19 vaccines?“, der bereits am 21. September im Fachmagazin The Lancet erschienen ist.

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Keine Normalität also erstmal in Sicht – auch wenn einer der vielen Impfansätze, die sich weltweit derzeit in unterschiedlichen Phasen der Erprobung befinden, tatsächlich wirken sollte. Zum einen sei das in der natürlicherweise fehlenden Langzeiterfahrung begründet – es gibt aber weitere Faktoren, die Zweifel daran säen, dass eine COVID-19-Vakzine die ersehnte Herdenimmunität mit sich bringt, wie das bei vielen anderen Infektionskrankheiten gelungen ist – bei Pocken etwa oder Polio. 

Noch keine „sterilisierende Immunität“ nachgewiesen

So führen die Forscher etwa Studien an gegen COVID-19 geimpften Affen an. Dort hätten sich zwar geringere Schwere und weniger Symptome in den unteren Atemwegen gezeigt – eine „sterilisierende Immunität“ in den oberen Atemwegen sei aber nicht gegeben gewesen. Dementsprechend waren die Tiere zwar weniger, aber dennoch krank – und vor allem ansteckend. Nur in einer bislang nicht peer-reviewten Studie habe man auch jene vor einer Weitergabe der Erreger schützende sterilisierende Immunität zeigen können. 

Immunologische Abwehr gegen SARS-CoV-2 noch nicht verstanden

Ferner führen Peiris und Leung die mindestens sechs bislang wissenschaftlich bestätigten Fälle an, in denen sich Menschen, die eine COVID-19-Infektion überstanden hatten, noch einmal mit einem anderen Erreger-Stamm des SARS-CoV-2 infizierten. Wie oft dies passiere und welche Folgen das hat, sei noch unklar – wie aber auch die Forscher der ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) führen die Forscher dies als Argument an, warum eine Impfung nicht zwingend zu Immunität führe. (Ebenfalls am 21. September hat das ECDC in Stockholm einen Brief mit dem Titel „Reinfection with SARS-CoV-2: considerations for public health response“ veröffentlicht, in dem die Forscher recht sokratisch zu dem Schluss kommen, dass man über Reinfektionen mit SARS-CoV-2 noch recht wenig weiß und einiges an weiterer Forschung von Nöten ist.)  

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Überfordert und unausgereift

Zu bedenken geben die Forscher auch, dass die gesamte immunologische Abwehr des Virus – abgesehen von der durch Antikörper vermittelten – noch längst nicht hinreichend erforscht sei und man so noch gar keine abschließenden Aussagen zur Wirksamkeit eines Impfstoffes treffen könne. Die Hongkonger Wissenschaftler vermuten, dass SARS-CoV-2 ähnlich wie MERS – das Middle East Respiratory Syndrom, verursacht durch MERS-CoV – durch entsprechende Mutation in einer Frist von weniger als einem Jahr zu Re-Infektionen bei Genesenen – oder Geimpften – führen könne. Sie ziehen auch als Vergleich heran, dass etwa Influenza-Impfungen effektiv vor Krankheit und Weitergabe der Infektion schützen, Polio-Impfungen aber nur vor der Erkrankung schützen, aber eine Weitergabe infektiöser Viren etwa im Stuhl nicht verhindern können.

Die erste Generation der Impfstoffe wird nicht die „ultimative Lösung“ sein

Dennoch, so sagen die beiden Forscher, sei es wichtig, dass die Impfstoffe entwickelt, getestet und auch angewendet würden – aber eben mit realistischen Erwartungen an den Effekt. Gedanken müsse man sich auch machen, sagen sie, wer den Impfstoff zuerst erhalten solle – über Kriterien wie das Ansteckungsrisiko hinaus. Ein Team internationaler Ethiker um den Mediziner Ezekiel Emanuel hatte sich über eine faire Verteilung bereits im Fachmagazin Science Gedanken gemacht. 

Ferner machen Peiris und Leung noch darauf aufmerksam, dass es beim Impfen der Bevölkerung große Probleme geben könne, da insbesondere das wissenschaftsferne Verhalten einiger Politiker zu einer Impfgegnerschaft führen könne. „Bei der Reaktion auf COVID-19 waren die Aktivitäten einiger Politiker nicht mit der Wissenschaft vereinbar und bergen die Gefahr, dass das Impfstoffvertrauen in der Öffentlichkeit weiter untergraben wird“, schreiben sie. Die jüngsten verharmlosenden Ereignisse um die COVID-19-Infektion des US-Präsidenten Donald Trump dürften dabei ebenso wenig förderlich sein. 

FDA: Zwei Monate Beobachtung nach Impfstoff-Tests

Die US-Arzneimittelbehörde FDA will, dass in Studien zu Coronavirus-Impfstoffen die Teilnehmer mindestens zwei Monate beobachtet werden. Dies teilte die Behörde am Dienstag auf ihrer Website mit. Die neue Richtlinie macht es wenig wahrscheinlich, dass – wie von Präsident Donald Trump in Aussicht gestellt – erste Impfstoffe noch vor der Wahl am 3. November zugelassen werden. Um das Papier hatte es in den USA politische Aufregung gegeben. Die „New York Times“ berichtete, das Weiße Haus habe die Veröffentlichung der Richtlinie blockiert. Die FDA platzierte die Vorgaben am Dienstag aber ohne weiteren Kommentar auf ihrer Website. (dpa/dm)

Eine Rückkehr zu Normalität könne es im Übrigen wohl auch frühestens dann geben, wenn die Pandemie weltweit eingedämmt sei – und überall Impfstoff verfügbar –, „denn kein Land wird wirklich vor COVID-19 geschützt sein, solange nicht praktisch die ganze Welt geschützt ist“, heißt es in dem Artikel. 

Botschaft an die Politik

Die erste Generation der Impfstoffe werde nicht die „ultimative Lösung“ sein – das müsse man besonders den politischen Entscheidern vermitteln: „Entscheidend wird es sein, den politischen Entscheidungsträgern und der breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, dass Impfstoffe der ersten Generation nur ein Instrument im Rahmen der allgemeinen Reaktion der öffentlichen Gesundheit auf COVID-19 sind und wahrscheinlich nicht die ultimative Lösung sein werden, die viele erwarten“, schließen die Wissenschaftler. 

Auch aus Deutschland gab es zuletzt mahnende Worte. So dämpften Mitglieder der Ständigen Impfkommission die Erwartungen an den Impfstoff ebenfalls. Der Impfstoff werde zuerst nur begrenzt verfügbar sein, und es werde dauern, bis genügend Menschen geimpft seien. Bis in Deutschland wieder ein normales Leben möglich sein könne, könnten bis zu zwei Jahre vergehen, hieß es da.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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13 Kommentare

Coronaimpfung

von Heinz Jansen am 25.10.2020 um 12:38 Uhr

Leute, weist doch einmal daraufhin, dass ein gutes Immunsystem die beste Prävention gegen eine Viruserkrankung ist.

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AW: Coronaimpfung

von Elsa am 05.11.2020 um 13:35 Uhr

Wie wahr!
Hört man von seiten der Politik leider gar nicht.
(Existiert es nicht mehr, das Immunsystrm?)
Lieber Angst und Panik verbreiten! Wozu?

Impfstoff - nein danke!

von Lena am 25.10.2020 um 8:44 Uhr

So schlimm COVID-19 auch ist, werde ich mich im Leben nicht impfen lassen. Normalerweise dauert die Entwicklung und das testen eines neuen Impfstoffs 10-15 Jahre, das unter Druck zusammen gemischte Zeug, was vielleicht jetzt keine Nebenwirkungen aufzeigt, möchte ich nicht haben. Auch hier muss man bedenken, das zum entwickeln eines Impfstoffs immer der Erreger selbst abgewandelt wird. Die paar Testpersonen im Verhältnis zu allen COVID 19 erkrankten sind lächerlich. Ich bin eine junge Frau, die in Zukunft unbedenklich Kinder bekommen möchte, die mit ihrem Partner zusammen alt werden möchte, ohne spätere folgen. Wer garantiert einem, das ich vielleicht auf lange Sicht z.B nicht durch diesen Stoff unfruchtbar werde? Hat es ja tatsächlich bei dem ein oder anderen Impfstoff schon gegeben.

Ich bin der Meinung, behandle das Virus mit Respekt und halte dich an die Maßnahmen. Wenn du es dennoch bekommst, muss man einfach hoffen das der Körper dagegen kämpft und man einer von dennoch vielen ist, die es besiegen können.

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Relationen beachten

von Astrid am 10.10.2020 um 7:56 Uhr

Man sollte die Zahlen immer in Relation stellen. Sicher 1,1 Mio klingt viel, ist es aber nicht.
Schließlich sterben weltweit jedes Jahr ca 60 Mio Menschen. Wenn man also ein Sechzigstel einer Erkrankung zuordnen kann, ist das kein Drama.
Verhungert sind mehr....
Die Weltbevölkerung wird auch 2020 kräftig anwachsen.
Der Ausdruck Killervirus hat in Zusammenhang mit COVID19 nichts verloren. Bei Ebola war er gerechtfertigt mit einer Letalität von 50 %

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Corona

von Ben am 09.10.2020 um 11:18 Uhr

Ich kenne 30 Leute die Corona hatten. Dienstag ist der Dritte daran verstorben. Ein vierter lsg drei Wochen auf der Intensivstation und hat es knapp überlebt. Der war topfit und ohne Vorerkrankungen. Also nicht immer mit der Grippe, Vorerkrankungen und Alter kommen. Über 50.000 der 1,1 Millionen Toten waren jung und gesund unter 50 und sind gestorben. So ist die Realität. Ohne Impfung schaut es düster aus.

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Genau hinschauen ohne Panik

von Elsa am 08.10.2020 um 19:16 Uhr

... Schon mal eine echte Influenza gehabt? Ist nicht lustig! Und auch nicht die möglichen Folgen!...
Ich habe von SELBSTÄNDIG DENKENDEN. Menschen gesprochen, die genau hinsehen und Sachverhalte und Zahlen in die richtigen Relationen setzen können (z. B. immer wieder Jahre mit 15000/20000/ja bis zu 25000 Grippetoten in D; im Vergleich 2019/2020 knapp 10000 an und mit Covid19 Verstorbene und 411 Grippetote - Zahlen des RKI; seltsam? , keine Übersterblichkeit!; Umstände in z. B. Italien und Spanien beachten wie Falschbehandlungen, schlechte Verhältnisse in Krankenhäusern, etc etc) und nicht der Panikmache und Hysterie von Medien und Politik aufsitzen.....

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Corona

von Ben am 08.10.2020 um 16:00 Uhr

Der Impfstoff wird genau geprüft und von über 100.000 Testpersonen ist keiner gestorben. An dem Killervirus Corona ca 1.100.000 das sollte inzwischen such den Coronaleugnern klar sein. Ca. 50.000 waren zwischen 0 und 50 Jahre alt und kerngesund. Daher macht eine Impfung für mich Sinn.

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AW: Corona

von Mike am 09.10.2020 um 10:42 Uhr

Der Impstoff wird teleskopiert geprüft. Da soll in 10 Monaten gleichviel Erfahrungen gesammelt werden wie sonst in 5 bis 10 Jahren. Zudem greift der neue Impstoff direkt in die Genszruktur ein. Tatsache dss es den Testenden des Astra Zenica Impfstofffes alkes andere aks gut ging nach der Impfung. Und sie dennoch mit dem Virus infisziert werden konnten. Ihre Begeisterung kann ich nicht ganz nachvollziehen.

AW: Corona

von Frank am 21.10.2020 um 13:02 Uhr

Das mag alles richtig sein was du schreibst aber bedenke mal wenn ich 100.000 Testperson habe und keiner ist daran gestorben dann ist das zwar erfreulich setzt aber das Verhältnis zur Weltbevölkerung total außer Kraft dann werden 7,8 Millionen Menschen im Vergleich zu 1,1 Millionen angeblichen Corona Toten

AW: Corona

von Frank am 21.10.2020 um 16:21 Uhr

Bevor sich jemand aufregt, gemeint sind 7,8 Milliarden Menschen Weltbefölkerung.

Impfung Normalität

von Ludger am 08.10.2020 um 15:55 Uhr

Ich schlage vor das jeder der meint Corona sei nur eine Grippe - freiwillig 3 Tage auf einer Station im Krankenhaus arbeitet - und das ohne Maske, da es lt. seiner Aussage ja kein Killervirius gibt. Die meisten werden kneifen.

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Covid19 - Impfung - Normalität

von Elsa am 08.10.2020 um 12:53 Uhr

Langsam dürfte wohl jeder selbständig denkende Mensch verstanden haben, dass es sich bei SarsCov2 weder um einen Killervirus handelt noch ein (womöglich unausgereifter, sehr nebenwirkungsbehafteter) Impfstoff notwendig ist, um zur Normalität zurückzukehren. Gerade von einem Biologen erwarte ich hier logisches, ganzheitliches Denken.

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AW: Covid19 - Impfung - Normalität

von Jens-Uwe am 08.10.2020 um 15:28 Uhr

Uber 1 Million Tote und das ist kein Killervirus?Das erzähle mal den Leuten die Freunde und Verwandte verloren haben.Von den Spätfolgen ganz zu schweigen.Da hat wohl jemand den Schuss noch nicht gehört.Imfangst ist halt schlimmer als Vernunft.

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