Frühere Bilanzen der AvP Deutschland GmbH

Keine Treuhandgelder in der Bilanz

Süsel - 28.09.2020, 09:00 Uhr

Was verrät der Blick in die AvP-Bilanz 2018? (Foto: Philip Steury / stock.adobe.com)

Was verrät der Blick in die AvP-Bilanz 2018? (Foto: Philip Steury / stock.adobe.com)


Wie hat die AvP Deutschland GmbH in der Vergangenheit gewirtschaftet? Frühere Bilanzen sprechen für eine Trennung von Betriebsmitteln und Abrechnungsgeldern. Doch diese klare Trennung kann der vorläufige Insolvenzverwalter nicht bestätigen. Das hätte allerdings einem Wirtschaftsprüfer auffallen sollen, meint der Koblenzer Steuerberater Niko Hümmer im Gespräch mit DAZ.online. Außerdem fällt in der Bilanz für 2018 auf, dass die Entwicklung der Kreditzinsen als Risiko für das Unternehmen betont wird. Dagegen setzte AvP Zinssicherungsgeschäfte ein.

Angesichts der AvP-Insolvenz drängt sich der Blick in frühere Bilanzen der AvP Deutschland GmbH auf. Im Bundesanzeiger ist die Bilanz zum 31. Dezember 2018 einsehbar. Dort ist klar zu erkennen, dass die Abrechnungsbeträge der Apotheken nicht verzeichnet werden. Die Bilanzsumme betrug zum Stichtag etwa 13,9 Millionen Euro. Treuhandvermögen werden nicht ausgewiesen. Auch in der Gewinn- und Verlustrechnung gibt es keine Milliardenpositionen. Der Geschäftsbericht bezieht sich auf die Vermögensverhältnisse des Unternehmens und nicht auf das abgerechnete Finanzvolumen. Insofern spiegelt der Geschäftsbericht wider, was die meisten Apotheker aufgrund der Verträge wohl erwartet haben: Die Abrechnungsbeträge wurden nicht als Vermögen des Unternehmens verbucht.

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DAZ.online sprach darüber mit Steuerberater Niko Hümmer von der Kanzlei Dr. Schmidt und Partner in Koblenz. Hümmer berät viele Apotheker, die von der AvP-Insolvenz betroffen sind. Auch er hat nach den jüngsten Ereignissen die vorliegende Bilanz gelesen. Gegenüber DAZ.online erklärte Hümmer dazu: „Ein Wirtschaftsprüfer sollte das Vorliegen von vertraglich vorgesehenen Treuhandkonten prüfen.“ Wenn ein Unternehmen geprüft wird, das mit Treuhandgeldern von Kunden arbeitet, sollte geprüft werden, ob diese vertragsgemäß verbucht werden, meint der Steuerberater. Der vorläufige Insolvenzverwalter der AvP Deutschland GmbH, Dr. Jan-Philipp Hoos, hatte am 23. September im Live-Talk bei DAZ.online erklärt, dass er keine klar ausgewiesenen Treuhandkonten gefunden habe. Diesen Gedanken führt Hümmer nun weiter: „Wenn es keine klare Trennung gab und in den allgemeinen Geschäftsbedingungen widersprüchliche Regelungen enthalten sind, hätte das Geld in der Bilanz des Unternehmens gegebenenfalls ausgewiesen werden müssen.“ Dann wäre allerdings offensichtlich geworden, dass das Geld nicht in der vorgesehenen Weise abgetrennt wurde.

Solche Überlegungen sind keineswegs buchhalterische Spitzfindigkeiten, sondern sie haben für die betroffenen Apotheker einen praktisch bedeutsamen Hintergrund. Denn bei einer fehlerhaften Bilanz wären auch mögliche Ansprüche der geschädigten Apotheker gegen den Wirtschaftsprüfer zu prüfen, der die Bilanz testiert hat.

Fehlbetrag im Jahr 2018

Hier soll jedoch von einem korrekten Jahresabschluss 2018 ausgegangen und dieser weiter hinterfragt werden. Demnach wären die Haupteinnahmen der AvP Deutschland GmbH „Zinserträge aus Kredit- und Geldmarktgeschäften“ in Höhe von etwa 27 Millionen Euro gewesen. Gemäß einer Erläuterung im Anhang gehören dazu auch die Gebühren aus der Rezeptabrechnung. Die Bezeichnung als Zinsertrag ergibt sich wohl, weil die Abrechnung ein Factoringgeschäft ist. Die größte Aufwandsposition sind die allgemeinen Verwaltungsaufwendungen, zu denen vermutlich der eigentliche Betrieb der Abrechnung gehört. Im Jahr 2018 waren dies 21,0 Millionen Euro, davon 3,2 Millionen Euro für Löhne, Gehälter und Sozialabgaben, sowie 17,8 Millionen Euro für „andere Verwaltungsausgaben“, die nicht aufgeschlüsselt wurden. Als nächstgrößere Aufwandsposition fallen erstaunlich hoch anmutende Zinsaufwendungen von 6,3 Millionen Euro auf. Als Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit resultierte ein Fehlbetrag von 1,22 Millionen Euro. Im Jahr 2017 war dagegen noch ein positives Ergebnis von 1,77 Millionen Euro erwirtschaftet worden. Möglicherweise deutete sich dort bereits eine Schieflage an. Die Muttergesellschaft AvP Service AG wies in ihrem Jahresabschluss für 2018 allerdings einen Jahresüberschuss von 1 Million Euro aus.

Kreditzinsen als größtes Unternehmensrisiko

Nähere Betrachtung im Jahresabschluss der AvP Deutschland GmbH verdienen die Zinsaufwendungen – einerseits wegen ihrer Höhe und andererseits wegen des naheliegenden Bezugs zur Finanzierung der Vorauszahlungen an die Apotheken. Offenbar war dies für das Unternehmen sehr bedeutend. Denn in der Bilanz für 2018 heißt es zu den Marktpreis- und Liquiditätsrisiken: „Für die Gesellschaft existieren aufgrund des betriebenen Geschäftsmodells nur Marktpreisrisiken im Bereich der Kreditzinsen durch die refinanzierenden Banken.“ Dazu habe das Unternehmen „durch Errichtung eines Konsortialkredits die strategische Zusammenarbeit mit dem Bankenkreis mit einer Vertragslaufzeit von 3 + 1 Jahren gefestigt“. Die finanziellen Risiken lägen im hohen Transaktionsvolumen und der „variablen Zinsausstattung der Abrechnungskonten“. Zinsniveauänderungen würden den Zinsaufwand unmittelbar beeinflussen. Weiter heißt es dazu: „Diesem Risiko wird durch den Einsatz von Zinssicherungsgeschäften (SWAPs) entgegengetreten.“ Die Kreditlinie betrage insgesamt 245 Millionen Euro und diene der Vermeidung von Liquiditätsengpässen. Die Beurteilung der Risikosituation habe ergeben, „dass für einen Zeitraum von drei Jahren keine, den Fortbestand des Unternehmens gefährdende oder die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage wesentlich beeinträchtigenden Risiken bestehen“. Diese Einschätzung bezieht sich auf den Dezember 2018 und stammt vom Mai 2019. Doch es kam anders.

Zinsswaps: Absicherung oder Spekulation?

Zinsswaps dienen dazu, Verbindlichkeiten mit variablen Zinssätzen gegen solche mit festen Zinssätzen zu tauschen, um sie besser kalkulieren zu können. Doch stellt sich die Frage, warum hier überhaupt Kredite mit variablen Zinssätzen vereinbart wurden. In der Bilanz der AvP Deutschland GmbH für 2018 wird berichtet, den Zinsswaps stehe eine Rahmenkreditvereinbarung über 245 Millionen Euro mit variablem Zinssatz gegenüber. Außerdem werden die am Jahresende 2018 bestehenden Zinsswaps aufgelistet. Sie beziehen sich auf ein Volumen von 80 Millionen Euro und haben meist eine Laufzeit von zehn Jahren. Der größte Teil stammte damals noch aus den Jahren 2009 bis 2012, als die Dauer der Niedrigzinsphase noch nicht absehbar war. Allerdings wurden sogar 2018 noch Zinsswaps über 25 Millionen Euro abgeschlossen. Zum Bilanzstichtag Ende 2018 hatten alle Swaps zusammen einen negativen Zeitwert von fast 5 Millionen Euro. Dieser Wert kann sich während der langen Laufzeit ändern. Doch auch die Swaps mit Fälligkeiten in den Jahren 2019 und 2020 hatten negative Zeitwerte von mehreren Hunderttausend Euro. Diese Daten lassen jedoch viele Fragen offen. Lagen die hohen Zinsaufwendungen eher an einer ungünstigen Zinsvereinbarung oder an den Swaps? Wurde das Unternehmen zum Opfer der unerwartet langen Niedrigzinsphase oder wurde versucht, die Erträge mit Zinsspekulationen aufzubessern? Was auch immer die Antworten sein mögen, können sie vielleicht Probleme des Unternehmens aufzeigen, aber sie können wohl nicht erklären, weshalb plötzlich Millionenbeträge fehlen sollten.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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