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Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags
„Systemimmanente Überwachungslücke“ beim Arzneimittelversand aus dem Ausland
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags sieht bei der Überwachung des Arzneimittelversands aus dem Ausland eine „systemimmanente Überwachungslücke“. Denn die jeweiligen Behörden würden jeweils nur die Einhaltung des nationalen Rechts innerhalb ihrer Staatsgrenzen überwachen. Eine entsprechende Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Diensts liegt DAZ.online vor.
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags hat sich kürzlich mit dem „Arzneimittelversandhandel aus anderen EU-Mitgliedsstaaten mit deutschen Endverbrauchern“ beschäftigt und eine Ausarbeitung zur Rechtslage und zu den Herausforderungen erstellt. Die Arbeit wurde am 3. September abgeschlossen. In dem Papier, das DAZ.online vorliegt, werden die allgemeinen Vorschriften zum Apothekenbetrieb und die speziellen Vorschriften zum Arzneimittelversand in Deutschland dargestellt.
Der Versand aus dem Ausland könne aufgrund von zwei Befugnistatbeständen erlaubt sein. Erstens sei er zulässig, wenn die ausländische Apotheke nach nationalem Recht versenden dürfe und dieses nationale Recht dem deutschen Apothekenrecht bei den Vorschriften zum Versand entspreche. Dies regele indirekt § 73 Abs. 1 Satz 3 Arzneimittelgesetz (AMG). Demnach gibt das Bundesgesundheitsministerium regelmäßig eine „Länderliste“ bekannt – zuletzt ist dies am 5. Juli 2011 geschehen. Zweitens sei der Versand aus dem Ausland aufgrund einer Erlaubnis durch deutsche Behörden zulässig. Dies scheine aber derzeit praktisch keine Relevanz zu haben.
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Außerdem verlange § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG, dass der Versand „entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel“ erfolge. „Dies bedeutet, dass ausländische Versandapotheken an das deutsche Arzneimittelrecht, das Heilmittelwerbegesetz und an das Apothekenrecht vollständig gebunden sind“, folgert der Wissenschaftliche Dienst. Die Autoren erwähnen dabei aber nicht die Probleme bei der Übertragung des Arzneimittelpreisrechts, die sich aus dem EuGH-Urteil vom Oktober 2016 ergeben.
Welche Übereinstimmungen sind relevant?
Bei der Prüfung auf Übereinstimmung der Regelungen zum Versand im Absenderland und in Deutschland habe das Kammergericht Berlin in einem Urteil von 2004 nur das geschriebene Recht berücksichtigt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs sollten dagegen auch mündliche Absprachen und freiwillige Selbstverpflichtungen beachtet werden. Es komme demnach nicht in jeder Hinsicht auf die Übereinstimmung des Rechts, sondern auf die tatsächlich bestehenden Sicherheitsstandards an.
Welche Rechtsnatur hat die Länderliste?
Die Ausführungen beschäftigen sich ausführlich mit der Rechtsnatur der Länderliste. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe diese offengelassen. In der Literatur würden unterschiedliche Vorstellungen zur Verbindlichkeit vertreten. Der BGH gehe von einer positiven Bindungswirkung für die Gerichte aus, soweit es um die Erfüllung der Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Liste gehe. Die positive Bindungswirkung sei aber in der Literatur umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht gehe davon aus, dass nur dann eine Einzelfallprüfung zu erfolgen habe, „wenn substantiiert Einwände gegen die Richtigkeit der Bekanntmachung vorgetragen werden“. Demnach gelte bei Nennung auf der Länderliste die „Vermutung“, dass vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen. Im Fall der Niederlande müsse zusätzlich geprüft werden, ob eine Präsenzapotheke betrieben wird.
Rechtslage in den Niederlanden und Großbritannien
Zur Rechtslage in den Niederlanden verweist der Wissenschaftliche Dienst darauf, dass dort anders als in Deutschland keine Apothekerkammern existieren und der Fremdbesitz erlaubt ist. Spezielle Regeln zum Versand seien dort in Form eines Beschlusses getroffen worden, der aber im Juli 2007 außer Kraft gesetzt worden sei. Für Großbritannien wird insbesondere auf die umfangreichen Regeln zur Dokumentation des Versandes verwiesen. Die dortigen Regeln seien weitestgehend mit den deutschen Sicherheitsstandards vergleichbar. Doch heißt es weiter:
„Größeren Sicherheitsbedenken unterliegen dagegen die Regelungen in den Niederlanden. Legt man lediglich das geschriebene Recht zugrunde, ist festzustellen, dass die dortigen gesetzlichen Vorschriften zum Arzneimittelversand den deutschen Regelungen nicht entsprechen, da das niederländische Recht keine dem deutschen Recht vergleichbaren Sicherheitsstandards und -konzepte vorsieht.“
Wie wird die Einhaltung der Vorschriften überwacht?
Der Versand sei dort nicht an den Betrieb einer Präsenzapotheke gekoppelt und das niederländische Recht schreibe kein Qualitätssicherungssystem vor. Der Gesetzgeber vertraue dort weitestgehend auf die freiwillige Selbstkontrolle der Apotheken. Auch in Bezug auf Präsenzapotheken bestünden keine vergleichbaren Regeln wie in Deutschland. Die Ausarbeitung hinterfragt jedoch nicht, inwieweit freiwillige Selbstverpflichtungen bestehen und angewendet werden.
Zu den klarsten Konsequenzen kommt die Ausarbeitung bei ihrer letzten Fragestellung. Dort geht es darum, wie die Einhaltung der geltenden Regeln behördlich überwacht wird. Dazu heißt es: „Eine Überwachung ausländischer Apotheken in Bezug auf die Einhaltung deutscher Vorschriften existiert de facto nicht.“ Denn es bestehe keine allgemeine Verpflichtung zur Vollstreckungshilfe. Der Überwachungsauftrag beziehe sich in jedem Land nur auf die Einhaltung des dortigen Rechts und die Überwachung erfolge nur im eigenen Land. Deutsche Behörden könnten daher die Einhaltung deutschen Rechts durch ausländische Apotheken nicht überwachen.
Systemimmanente Überwachungslücke
Der Wissenschaftliche Dienst folgert, dass „de facto nicht beantwortet“ werden könne, ob der Versand entsprechend den deutschen Vorschriften erfolge. Weiter heißt es dazu:
Eine Überwachung der in Deutschland maßgeblichen Bestimmungen findet weder von deutscher noch von Seite eines EU-Mitgliedsstaates statt. Diesbezüglich besteht eine systemimmanente Überwachungslücke.“
Ein Verstoß gegen deutsches Recht könne allenfalls in einem deutschen Gerichtsverfahren nachvollzogen werden. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich ausländische Apotheken behördlichen Kontrollen aktiv „entziehen“. „Vielmehr scheitert die Kontrolle an fehlenden länderübergreifenden Kontrollmechanismen“, folgert der Wissenschaftliche Dienst.
1 Kommentar
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von Anita Peter am 15.09.2020 um 12:08 Uhr
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