Modellvorhaben zur Grippeimpfung in Apotheken

Apotheker sollen 12,61 Euro für das Impfen erhalten

Süsel/Düsseldorf - 09.07.2020, 17:50 Uhr

In Nordrhein ist die erste Vereinbarung zu einem Modellvorhaben zu Grippeimpfungen in der Apotheke getroffen worden. Doch ist die Vergütung für die Apotheken wirklich akzeptabel? (x / Foto: Makasana Foto / stock.adobe.com)

In Nordrhein ist die erste Vereinbarung zu einem Modellvorhaben zu Grippeimpfungen in der Apotheke getroffen worden. Doch ist die Vergütung für die Apotheken wirklich akzeptabel? (x / Foto: Makasana Foto / stock.adobe.com)


Bei der ersten Vereinbarung über ein Modellvorhaben zur Grippeimpfung in Apotheken ist auch die Honorarfrage spannend. Die AOK Rheinland/Hamburg und der Apothekerverband Nordrhein einigten sich auf 12,61 Euro netto pro Impfung. Im Vergleich zu vorherigen ökonomischen Betrachtungen erscheint dies knapp bemessen.

Der Apothekerverband Nordrhein hat mit der AOK Rheinland/Hamburg ein Modellvorhaben über Grippeschutzimpfungen in Apotheken abgeschlossen. Über die Einzelheiten informierte der Apothekerverband inzwischen in einem Rundschreiben. Demnach können die Apotheken in vier Modellregionen dem Modellvorhaben beitreten, wenn sie die persönlichen und räumlichen Voraussetzungen für das Impfen nach den gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Allerdings sei derzeit noch kein Beitritt möglich, weil vor dem endgültigen Abschluss der Verträge die Stellungnahmen des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts abzuwarten seien. Etwaige Anmerkungen der Institute seien zu berücksichtigen. Zu den persönlichen Voraussetzungen gehöre unbedingt eine ärztliche Schulung eines Apothekers aus der jeweiligen Apotheke. Die Schulungen würden spätestens nach der Sommerpause angeboten. Außerdem müsse für die Impfungen ein geeigneter Raum in der Apotheke zur Verfügung stehen. Dieser müsse über Sitzmöglichkeiten und eine Liege verfügen.

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Nach Angaben des Apothekerverbands Nordrhein erhalten die Apotheken für die Impfung eine pauschale Vergütung von 12,61 Euro netto. Damit seien der Impfvorgang, die Verbrauchsmaterialien und die Erhebung der Daten für die notwendige Evaluation des Projektes abgegolten. Der Impfstoff werde zusätzlich gemäß Arzneimittelpreisverordnung abgerechnet. Dabei würden 10er-Packungen verwendet. Der Aufschlag betrage 1 Euro pro Dosis.

Honorarvereinbarung mit Signalwirkung?

Damit wurde nun erstmals eine Honorarvereinbarung für Grippeimpfungen in Apotheken geschlossen. Diese wird möglicherweise eine Signalwirkung haben. Dies wirft die Frage auf, wie dies ökonomisch zu bewerten ist. Eine Orientierung dazu liefert das Gutachten „Konzeptrahmen zur praktischen Umsetzung der Grippeschutzimpfung in der Apotheke“, das Cosima Bauer, Anissa Schneider-Ziebe und Prof. Dr. Uwe May im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen erstellt haben.

Die Autoren schlagen darin eine pauschale Vergütung von 15 Euro plus Mehrwertsteuer vor. Dabei gehen sie von einem Zeitbedarf von durchschnittlich zwölf Minuten einschließlich Vor- und Nachbereitung aus, der sich aus einem französischen Ausbildungsvideo ergebe. Für die Kalkulation eines angemessenen Minutenpreises verweisen die Autoren auf verschiedene Quellen: Kostenberechnungen aus der DAZ (0,65 Euro pro Minute für Teilkosten und 1,69 Euro für Vollkosten mit Gewinnzuschlag), das ARMIN-Modell von ABDA und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (1,00 Euro pro Minute) und das 2hm-Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (1,06 Euro pro Minute als Summe von 0,75 Euro Personalkosten und 0,31 Euro Gemeinkostenanteil).

Außerdem argumentieren die Autoren, dass Kostendeckung allein nicht ausreiche. Denn das Impfen sei freiwillig und es gelte auch bei den Apotheken Anreize zu schaffen, damit ein flächendeckendes Angebot entstehe. Dazu müsse das neue Angebot für die Apotheke betriebswirtschaftlich abbildbar sein. Weiter argumentieren die Autoren, dass den Modellprojekten ein wegweisender Charakter für eine teilweise Abkehr von der rein packungsbezogenen Honorierung zukomme. Darum sollte der angesetzte Stundenlohn die Honorierung eines hochqualifizierten Heilberufs widerspiegeln.

Gutachten: 14 Euro wären gesundheitsökonomisch effektiv

In einer gesundheitsökonomischen Betrachtung, die vom medizinischen Outcome ausgeht, kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass eine Impfung mit einem Apothekenhonorar von 14 Euro volkswirtschaftlich effektiv ist. Denn die eingesparten Behandlungs- und anderen Folgekosten der Erkrankung überwiegen die zusätzlichen Impfkosten deutlich. Dabei stellen 14 Euro nur ein Szenario und keine Grenze dar – auch höhere Beträge können noch effektiv sein.

Dagegen sei es nicht geboten, das Apothekenhonorar mit der deutlich niedrigeren Honorierung der Ärzte zu vergleichen. Denn in Arztpraxen werde das Impfen typischerweise an nicht-ärztliches Personal delegiert und die EBM-Ziffer für das Impfen werde neben der allgemeinen Versichertenpauschale abgerechnet. Letztlich seien die grundverschiedenen Honorierungssysteme von Ärzten und Apothekern nicht punktuell vergleichbar, argumentieren die Autoren des Gutachtens.

Gerade noch akzeptabler Betrag

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen kann die nun vereinbarte Pauschale als knapp bemessen angesehen werden. Wenn der Zeitaufwand von zwölf Minuten angemessen ist, entspricht dies einem Honorar von 1,05 Euro pro Minute. Das ist etwas mehr als im ARMIN-Projekt – doch dies geht auf das Jahr 2014 zurück. Vor dem Hintergrund des ARMIN-Projekts erscheint die Vereinbarung damit als gerade noch akzeptabel. Allerdings bleibt das Verbrauchsmaterial dabei unberücksichtigt. Andererseits besteht die Chance, mit einer gewissen Alltagsroutine den Zeitbedarf zu reduzieren. Wenn der Betrag allerdings im Sinne von Bauer, Scheider-Ziebe und May wegweisenden Charakter für künftige Dienstleistungen haben sollte, wäre er zu niedrig angesetzt. So bleibt mit Spannung zu erwarten, welche Honorierung in weiteren Modellvorhaben vereinbart wird und was die Evaluierung später ergeben wird. Denn die AOK Rheinland/Hamburg und der Apothekerverband Nordrhein haben für das Modellprojekt eine Dauer von drei Jahren vereinbart. Danach soll es nach wissenschaftlichen Standards ausgewertet werden.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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8 Kommentare

Grippe impfen für 12,61Euro

von pille62 am 10.07.2020 um 17:39 Uhr

..............per se ist es schon mal wieder Murx, wenn Apotheker oder Ihnen nahe stehender Berater versuchen etwas mit Beitrag zum Gewinn zu berechnen.
Die vermutlich von diesen Damen und Herren verwendeteten Fahrzeuge der Marke Mercedes auf dem Weg zur Arbeit haben in der Werkstatt Stundenpreise für allgemeine Arbeiten!zu deutsch Teile wechseln, von ca.145,- Euro(Hamburg).
zum Vergleich eine Approbiertenstunde ca. 50,-Euro.
Lass mich da gerne korrigieren!
Somit wird bereits klar, das die berechneten 1,06 pro Minute defenitiv zu wenig sind.
Wenn es wirklich einen Beitrag zum Betriebsergebnis bringt und die Akzeptanz der Ärzte vorhanden ist,
dann ist das Impfen eine tolle Erweiterung des Horizont.
Mit der Polemik des einen oder anderen Kollege zu diesem Thema, kann ich allerdings nix anfangen.
Die sind doch nicht witzig!!??

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Knieet nieder, Elende

von Wolfgang Müller am 09.07.2020 um 21:53 Uhr

Die unsachliche Kritik an diesem Honorar hier in diesem Forum beruht auf einem großen Missverständnis.

Keinesfalls soll "Impfen in Apotheken" einen zusätzlichen Deckungsbeitrag erwirtschaften, der es irgendwelchen überflüssigen Läden ermöglicht, über ihre abgelaufene Zeit hinaus ihr kümmerliches Dasein zu fristen.

Es formt auf edelste Weise unsere Berufsidentität neu. Und es rettet Millionen Menschenleben.

Un es soll und kann gut dazu dienen, endlich und zügig "Die Spreu vom Weizen zu trennen. Wer sich das halt personell und finanziell leisten kann", wie eine Kollegin letztens ganz richtig bemerkte (Kindermund tut Wahrheit kund, sozusagen). Und damit dazu, dass der Beruf sich von 30 Prozent Schwachleistern endlich aktiv befreien kann. "Wir Impfen", jawoll, und die Schwachleister eben nicht; "Wollt ihr mündige Patienten bei denen etwa noch weiter eure Chroniker-Rezepte einlösen?"

Last but not fies soll es auch zur Erbauung all derer dienen, die sich aus ihrem Studium eher als Internisten denn als heilberufliche Einzelhändler entlassen fühlen. Wer denen am Personalmangel-Arbeitsmarkt wg. lächerlicher Defizite nicht zumindest ArzthelferInnen-Tätigkeiten bieten kann, wird sie nicht rekrutieren können.

So dient doch Alles auf den zweiten Blick einem guten Zweck, oder? Klar werden wir in meinen Apotheken impfen. Falls die Apotheker doch keine Lust auf die ganze Dokumentation haben, werden es eben 2 x wöchentlich die uns eng verbundenen Ärzte machen (bzw. deren Personal, kriegen wir das legal hin?) .... Marketing halt.

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AW: Knieet nieder, Elende

von Holger am 10.07.2020 um 9:47 Uhr

geiler Kommentar, danke!

Und es ist bei Apothekers wieder mal wie immer:
1. blooooooooss nix neues
2. wir kriegen nicht genug Kohle
3. die ganze Welt ist schlecht, nur wir sind die Guten

?

von Karl Friedrich Müller am 09.07.2020 um 18:36 Uhr

Was bekommen Ärzte? Vor einiger Zeit las ich mal von so 8€ rum. Wenn das stimmt, gibt es einen Aufstand
Ehrlich - ich halte das Projekt für sehr gewagt. Nicht nur wegen des Aufwands, sondern auch der Gefahren.
Lohnt sich das für 13€? Und um Geld zu verdienen, muss man viele impfen. Dafür eignen sich allenfalls (sehr) große Apotheken

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AW: Die Ärzte?

von Armin Heller am 09.07.2020 um 18:45 Uhr

Die Ärzte bekommen als Deckungsbeitrag in bestehender geeigneter Praxis für die Tätigkeit ihrer Arzthelferinnen 8 €. Hier soll aber der Apotheker als "hochangesehener Heilberufler" persönlich impfen, das muss man schon auch finanziell honorieren *Ironie aus*

Und wieder mal nichts kapiert !

von ratatosk am 09.07.2020 um 18:35 Uhr

Es werden die entstandenen Kosten erstattet - echt jetzt ! also Null zu Null , da kein Ertrag vorgesehen !
So arbeiten nicht mal ehrenamtliche ! nur die doofen Apotheken ! nur noch ein Lachnummer ! die GKV Apparatschicks lachen sich sicher die Unterhemden nass, leider hier zu Recht
Dabei sehe ich noch nicht mal die Kosten für Versicherung, Aufklärung von Impfwilligen etc. etc.

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von Anita Peter am 09.07.2020 um 18:07 Uhr

"Im Vergleich zu vorherigen ökonomischen Betrachtungen erscheint dies knapp bemessen."

Surprise, surprise....

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AW: "Vorherige Ökonomische Betrachtungen"

von Wolfgang Müller am 09.07.2020 um 22:12 Uhr

Die "Vorherigen Ökonomischen Betrachtungen" imponieren vor Allem aufs Köstlichste durch die geringe Differenz zu den aktuell verhandelten Impf-Honoraren.

Das spricht gewiss nicht für die verhandelten Honorare, sondern wirft ein gar possierlich Lichtlein auf "unsere" beratende Umgebung.

Geht man mal davon aus, dass diese "Betrachtungen" von Akademikern u. a. aus einem benachbarten freien Beruf gemacht wurden, der sich bei einem Stundensatz von 300 Euro (bei reinen Büro-Kosten als Deckungs-Herausforderung) schon eher zu den Sehr Peinlichen Figuren seines Standes zählen würde ..... sollten wir vielleicht nicht mit den "Ärzten auf Augenhöhe" zu gehen versuchen, sondern erstmal mit den uns zuarbeitenden und uns in "Erfolg oder Elend" führenden anwaltlichen akademischen "Kollegen".

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