Erste Handlungsempfehlungen

COVID-19 und die Blutgerinnung

Stuttgart - 12.05.2020, 17:45 Uhr

Der Präsident des Robert Koch-Instituts sagte kürzlich in einem Interview, man wisse seit wenigen Wochen, dass das Coronavirus bei vielen Menschen Embolien und Thrombosen auslöse. (s / Foto: imago images / Science Photo Library)

Der Präsident des Robert Koch-Instituts sagte kürzlich in einem Interview, man wisse seit wenigen Wochen, dass das Coronavirus bei vielen Menschen Embolien und Thrombosen auslöse. (s / Foto: imago images / Science Photo Library)


„Happy Hypoxia“ und Heparin

Bereits am 1. Mai war das Phänomen der verstärkten Blutgerinnung in Verbindung mit COVID-19 in „Science“ beschrieben worden – gemeinsam mit einem anderen ungewöhnlichen Aspekt, im Englischen „happy hypoxia“ genannt. Dabei geht es nicht um die Patienten, wie man sie von den Bildern aus Italien kennt, die schwer krank zur besseren Beatmung mit nacktem Oberkörper auf dem Bauch liegen. Sondern um Patienten, die sich augenscheinlich (noch) sehr wohl fühlen, aber außergewöhnlich niedrige Blutsauerstoffwerte aufweisen. Sie sind also „glücklich“ trotz Hypoxie. 

Offenbar könnte dem Bericht zufolge auch bei diesem Phänomen der „happy hpoxia“ die Blutgerinnung eine zentrale Rolle spielen. Professor Elnara Marcia Negri, Pul­mo­lo­gin am Krankenhaus Sírio-Libanês in São Paulo, glaubt, dass es in dem feinen Geflecht aus Blutgefäßen in der Lunge schon früh im Verlauf der Krankheit zu einer subtilen Thrombenbildung kommen könnte, woraus die verminderte Sauerstoffversorgung resultieren könnte. So ließen sich auch die an der Haut beobachteten COVID-19-Symptome erklären. 

Allerdings wisse man derzeit nicht, ob Thrombenbildung „happy hypoxia“ verursacht, sagte Dr. Reuben Strayer, Notarzt am Maimonides Medical Center in New York City, gegenüber „Science“. Dr. Nicholas Caputo, Notarzt am New York City Health + Hospitals/Lincoln, berichtete im Kontrast von einem „fast wachsartigen Film um die Lungen“. Auch er meint: „Ich weiß nicht, was da unten tatsächlich pathophysiologisch vor sich geht." 

Es ist am Ende wohl wie bei den meisten Nachrichten zum Coronavirus in den letzten Wochen: Jede Erkenntnis ist wichtig, aber mit Vorsicht zu beobachten, bevor sich irgendwelche neuen Handlungsempfehlungen daraus ableiten lassen. So könnten die Folgen dramatisch sein, wenn Patienten – wie bereits bei anderen Arzneimitteln geschehen – plötzlich beginnen, sich auf eigene Faust zu therapieren (Blutungsgefahr!). Doch, wie auch zuvor an anderen Beispielen gezeigt, ist eine adäquate Therapie der Grunderkrankungen von Risikopatienten jetzt besonders wichtig. Wer bislang also die Blutgerinnung beeinflussende Arzneimittel eingenommen hat, sollte diese Therapie wohl besonders gewissenhaft fortführen. 

Welche konkreten Konsequenzen die neuen Beobachtungen für Ärzte und Pfleger nun haben? Negri aus São Paulo rät ihren Patienten ihre Sauerstoffsättigung zu überwachen. Ab 93 Prozent sollen sie ins Krankenhaus.

Empfehlungen der Fachgesellschaften zur Antikoagulation bei COVID-19-Patienten

Laut der „Ärzte Zeitung“ haben international inzwischen mehrere Fachgesellschaften ihre Empfehlungen zur Antikoagulation bei COVID-19-Patienten aktualisiert: „So empfiehlt die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) die großzügige Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) unabhängig von der Notwendigkeit einer Hospitalisierung. Die Dosierung sollte in einer für den Hochrisikobereich zugelassenen Dosierung erfolgen.“ (Stand 21.4.2020)

Bei Kontraindikationen für eine Antikoagulation seien physikalische Maßnahmen wie Kompressionsstrümpfe empfehlenswert. Hospitalisierte Patienten sollen fortlaufend hämostaseologisch überwacht werden. 



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