COVID-19-Arzneimittel nur im Krankenhaus einsetzen

Coronavirus: Französische Arzneimittelbehörde warnt vor Hydroxychloroquin

Stuttgart - 31.03.2020, 13:45 Uhr

Hydroxychloroquin und Azithromycin: Der experimentelle Arzneimitteleinsatz im Rahmen einer COVID-19-Infektion bietet nicht nur Hoffnung sondern auch viel Grund zur Vorsicht, vor allem wenn zwei Arzneimittel miteinander kombiniert werden, die beide zu kardialen Nebenwirkungen führen können. (Foto: picture alliance / abaca)

Hydroxychloroquin und Azithromycin: Der experimentelle Arzneimitteleinsatz im Rahmen einer COVID-19-Infektion bietet nicht nur Hoffnung sondern auch viel Grund zur Vorsicht, vor allem wenn zwei Arzneimittel miteinander kombiniert werden, die beide zu kardialen Nebenwirkungen führen können. (Foto: picture alliance / abaca)


Frankreichs Behörde für Arzneimittelsicherheit (ANSM) warnt seit dem gestrigen Montag vor möglichen Nebenwirkungen des Malariamittels Hydroxychloroquin und des HIV-Medikaments Kaletra bei Covid-19-Erkrankten. Auch deutsche Kardiologen haben bereits gewarnt – vor allem vor dem kombinierten Einsatz von Chloroquin mit Azithromycin.

Das deutsche Bundesministerium für Gesundheit informierte erst kürzlich darüber, dass die zentrale Beschaffung von chloroquinhaltigen Arzneimitteln, des antiviral wirksamen HIV-Therapeutikums Kaletra® (Lopinavir, Ritonavir) sowie weiterer in Japan zugelassener Arzneimittel zur Behandlung infizierter COVID-19 Patienten mit schweren Verlaufsformen in Deutschland eingeleitet wurde. Doch auch, wenn nach derzeitiger Expertenmeinung die genannten Wirkstoffe potenzielle Therapieoptionen gegen COVID-19 darstellen würden, wurde dennoch betont: Bei einer COVID-19-Therapie handelt es sich um einen individuellen Heilversuch ohne klinische Wirksamkeitsnachweise. 

Der Einsatz sollte daher vorrangig bei schweren Verlaufsformen erwogen und patientenindividuell unter sorgfältiger Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses erfolgen. Der STAKOB (Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger) informiere über mögliche Therapieoptionen und könne bei der Wahl geeigneter Therapien unterstützen. 

In Frankreich hat der Gesundheitsminister vergangene Woche sogar die Off-Label-Verordnung von Hydroxychloroquin und der fixen Kombination von Ritonavir und Lopinavir im ambulanten Sektor per Dekret verboten. Frankreichs Behörde für Arzneimittelsicherheit (ANSM) wand sich daraufhin am 26. März direkt an die Apotheker: „Wir bitten die öffentlichen Apotheker darum, diese Arzneimittel nur auf Verschreibung für die gewöhnlichen Indikationen abzugeben, um damit den Zugang derjenigen Patienten zu sichern, die im Rahmen ihrer Langzeitbehandlung davon profitieren.“

Seit dem vergangenen Montag warnt nun die ANSM vor möglichen Nebenwirkungen des Malariamittels Hydroxychloroquin und des HIV-Medikaments Kaletra bei Covid-19-Erkrankten. „Einige wenige Fälle von schwerwiegenden Nebenwirkungen wurden gemeldet und werden derzeit analysiert“, zitiert die Deutsche Presse-Agentur (dpa) die Mitteilung der ANSM vom Montagabend. 

Keine Verschreibung durch niedergelassene Ärzte

Die Behörde betonte, dass die Medikamente unter keinen Umständen als Selbstmedikation oder auf Verschreibung eines niedergelassenen Arztes eingenommen werden dürften. Auch die Ärzte sollen sich die Medikamente nicht selbst gegen COVID-19 verordnen. „In diesem Zusammenhang fordern wir die Verantwortung eines jeden, unnötige Krankenhausaufenthalte aufgrund des Missbrauchs dieser Medikamente zu vermeiden“, schreibt die ANSM.

QT-Zeit-Verlängerung: Keine Kombination mit Azithromycin

Die französische Behörde warnt vor allem vor kardialen Komplikationen, die durch den Einsatz des Malariamittels auftreten können. Dieses kardiale Risiko könnte durch die Kombination von Hydroxychloroquin mit anderen Molekülen, wie z.B. Azithromycin, sowie durch krankheitsspezifische Stoffwechselstörungen (Hypokaliämie) durch COVID-19 stark potenziert werden. „Man weiß, dass jedes der beiden Medikamente zu bösartigen Herzrhythmusstörungen führen kann und sich eine Kombinationstherapie beider Medikamente eigentlich verbietet“, wird auch Professor Thomas Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung in einer Mitteilung vom 25. März zitiert. „Chloroquin verlängert in höheren Dosen die QT-Zeit deutlich. Gibt man dann Azithromycin, das selbst die QT-Zeit meist nur mäßig verlängert, dazu, kann sich die QT-Zeit noch einmal verlängern“, erklärt der Heidelberger Herzspezialist Prof. Dr. med. Klaus von Olshausen, den Hintergrund in der Mitteilung. 

„Wir erinnern daran, dass bis heute kein Medikament formell als wirksam für die Behandlung oder Prävention von COVID-19 nachgewiesen wurde“, ordnet die ANSM insgesamt die Situation zu Therapieoptionen gegen COVID-19 ein.

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In Frankreich ist die Behandlung mit Hydroxychloroquin und Kaletra® von COVID-19-Erkrankten laut dpa nur bei schweren Verläufen und nach Abstimmungen von mehreren Ärzten und Ärztinnen erlaubt. Auch die zentral für Deutschland beschafften Arzneimittel sollen, sobald sie verfügbar sind, durch die Bundeswehr gleichmäßig an ausgewählte Apotheken von Universitätskliniken sowie an Apotheken der STAKOB verteilt werden. Die belieferten Apotheken sollen die Arzneimittel bei Bedarf an weitere Kliniken in ihrem Umkreis verteilen und können diese auch untereinander austauschen.



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6 Kommentare

Hydroxychloroquin

von Dr. Wilhelm Herdering am 05.04.2020 um 10:42 Uhr

Habe meinem Hausarzt gesagt, ich plante eine Reise nach Tansania zu machen und benötigte Hydroxychloroquin als Malariaprophylaxe.
Dies schon vor Wochen.
Habe den Arzt angeschwindelt, um ihn nicht in die Verlegenheit zu bringen, das Medikament für einen Zweck zu verschreiben, zu sollen, für den es nicht zugelassen ist.
Als ich das Rezept in der Hand hatte, habe ich ihm den wahren Grund gesagt.
Obwohl ich noch keine Tablette davon genommen habe, wirkt es für mich schon als Beruhigungsmittel.
Möchte nicht im Falle einer Infektion auf die Kompetenz von unbelesenen und übervorsichtigen Ärzten angewiesen sein.
Allein die Tatsache, dass es für Prophylaxe zugelassen ist, zeigt mir, dass es mit den Nebenwirkungen nicht so weit her sein kann.
Im Übrigen gilt der Beipackzettel.
Den sollte man allerdings gelesen und verstanden haben.

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AW: Hydroxychloroquin

von M. Mattheus am 11.04.2020 um 0:03 Uhr

Das Mittel weist auf Nebenwirkungen im Beipackzettel hin. Diese Hinweise sind sehr präzise, da das Mittel seit Jahrzehnten verkauft wird. Insofern scheint hier eine individuelle Risikoabwägung durchaus möglich, vorzugsweise mit einem erfahrenen, aufgeschlossenen Arzt.

Hydroxychloroquin

von Katerina am 02.04.2020 um 8:36 Uhr

Ich habe Hydroxychloroquin als Basistherapeutikum bei Rheuma. Letzte Woche war ich in der Apotheke, um ein Rezept vom Rheumatologen einzulösen. Nun muss ich erfahren, dass die Apotheke Hydroxychloroquin nur noch auf Zuteilung erhält. Eine Packung pro Quartal. Eine Packung pro Apotheke im Quartal. Was nun? Das Zeug ist nirgends mehr zu bekommen. Und ich bin nicht der einzige Rheumapatient.....

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Dosierung und Nebenwirkungen

von Wilhelm Herdering am 01.04.2020 um 12:47 Uhr

Die Warnungen vor Nebenwirkungen in allen Ehren. Die finden sich schon auf dem Beipackzettel.
Nützlich wäre für mich zu wissen, welche Dosierungen zu diesen Nebenwirkungen wie schwere Herzrythmusstörungen geführt haben und welche Vorerkrankungen vorgelegen haben. In den veröffentlichen Berichten über die klinischen Versuche von Chloroquine und Hydroxychloroquin finden sich Angaben zur Dosierung, aber keine Informationen zu schweren Nebenwirkungen. Vielleicht gab es keine.

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Hydroxychloroquine Azithromycin

von Wilhelm Hedering.Dr. am 01.04.2020 um 12:17 Uhr

Ich habe mir beide Medikamente besorgt.
Bin 68 Jahre alt und fühle mich vom Virus direkt angesprochen.
Wenn die Risiken z.B. von Chloroquin wirklich so hoch sind, warum kann, besser gesagt konnte man, dann Packungen von 100 Tabletten Chloroquin (je 250 mg als Diphosphat) problemlos für Malariaprophylaxe erhalten?
Niemand war gezwungen, nach Afrika zu fahren und im Okawango Delta Urlaub zu machen.
Mit einer solchen Packung von 100 Tabletten könnte man drei bis vier infizierte behandeln.
Ähnliches gilt für Hydroxychloroquin.
Mit einer Packung der kleinsten Größe von 30 Tabletten a 200 mg, könnte man zwei Corona Infizierte behandeln, folgt man Dosierungen aus dem Internet.
Ich meine auch, ein Infizierter ohne Symptome dürfte die Medikamente besser vertragen als ein schon schwer angeschlagener Patient im Krankenhaus, besonders als einer auf der Intensiv Station.
Früh eingesetzt dürfte der heilsame Effekt auch viel größer sein als spät eingesetzt.
Zu dem Grippemittel Tamiflu las ich mal, wolle man einen Effekt sehen, müsse man das Mittel so früh wie möglich nehmen bei einer akuten Grippe. So dürfte es auch hier sein.
Es mag eine Reihe von Argumenten geben, das Mittel Hydroxychloroquine nur in der Klinik einzusetzen, ein anderes Kontrollsucht der Behörden.
Ob es gegen Corana wirkt, weiß ich nicht sicher.
Im Reagenzglas wirkt es. Gegen Malaria werden effektive Konzentrationen erreicht. Die Konzentrationen im Gewebe bauen sich auf ein Vielfaches der Konzentrationen auf, die man im Serum findet. Mich würde es deshalb gar nicht wundern, wenn es auch bei Corona Infektionen wirkt.
Ich wäge nun das Risiko ab, auf der Intensiv Station zu anden mit der möglichen Todesfolge oder schwerer Schädigung der Lunge bei Überleben oder Herzrythmusstörungen im noch nicht sterbenskranken Zustand.
Ich würde für mich das Risiko eingehen, es sofort nach Bekanntwerden einer Infektion einzunehmen, dies trotz aller Warnungen.
Das Argument Verknappung kann ich für die Allgemeinheit nachvollziehen.
Für mich gilt es nicht. Für mich reicht die Packung von 30 Tabletten a 200 mg. Bin gestern Abend noch 8.4 km gejoggt. Auch bei solcher Übung soll der eine oder andere schon tot umgefallen sein.
Wenn ich wählen dürfte, würde ich einen Tod beim Joggen dem auf der Intensivstation an der Beatmungsmaschine vorziehen.

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Es geht schon los

von Stefan Haydn am 31.03.2020 um 19:51 Uhr

Die ersten unsinnigen Verschreibungen von Haut- und Allgemeinärzten auf Privatrezept gehen schon los.
Teilweise mit Prohylaxe-Dosierungen bei nicht offensichtlich Erkrankten.
Wie immer klärt dann Apotheker/PTA auf. Als ob wir nicht genug zu tun hätten.

Mehr muss man dazu nicht sagen, es fällt mir aber auch echt bei sowas inzwischen nix mehr außer Kopfschütteln ein.

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