Arzneimittel-Direktvertrieb an Apotheken

Rabatte und „Skonti“ landen wieder vor dem Bundesgerichtshof

Berlin - 17.02.2020, 17:44 Uhr

Für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt ein einheitlicher Abgabepreis. Der darf im Direktvertrieb vom Hersteller nicht unterschritten werden. (Foto: imago images / photothek)

Für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt ein einheitlicher Abgabepreis. Der darf im Direktvertrieb vom Hersteller nicht unterschritten werden. (Foto: imago images / photothek)


Welche Preisnachlässe dürfen pharmazeutische Großhändler oder Unternehmen Apotheken gewähren, wenn sie ihnen verschreibungspflichtige Arzneimittel verkaufen? Die Grenzen wurden in der Vergangenheit ausgetestet – und werden es noch immer. Die Konditionen eines direkt an Apotheken vertreibenden Generikaherstellers hat nun das Oberlandesgericht Celle beschäftigt. Es stellte klar: Der pharmazeutische Unternehmer darf den von ihm sicherzustellenden einheitlichen Abgabepreis nicht durch Rabatte unterschreiten. Nun liegt der Fall vor dem Bundesgerichtshof.

Am 5. Oktober 2017 sprach der Bundesgerichtshof (BGH) sein Urteil zu den Preisnachlässen des Großhändlers AEP. Viele hatten sich ein „Skonto“-Urteil erhofft – eines, das Klarheit darüber schafft, ob das Arzneimittelpreisrecht handelsübliche Skonti zulässt, die über die prozentuale Großhandelsmarge hinausgehen. Doch die Karlsruher Richter gelangten gar nicht zu dieser speziellen Frage, sondern prüften lediglich, ob der damals geltende  § 2 Abs. 1 Satz 1 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) einen Mindestpreis festlegt, den der Großhandel erheben muss. Denn eigentlich hatte der Gesetzgeber, als er die Großhandelsvergütung Anfang 2012 auf das sogenannte Kombimodell (Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) + 3,15 Prozent (max. 37,80 Euro) + 70 Cent) umstellte, im Sinn, lediglich den prozentualen Zuschlag für Rabatte zugänglich zu machen, während die 70 Cent ein Festzuschlag sein sollten. 

Allerdings befand der BGH: Die konkrete Formulierung in der Arzneimittelpreisverordnung lässt eine solche Auslegung nicht zu. Diese lege vielmehr lediglich eine Preisobergrenze, nicht aber eine Preisuntergrenze fest. Großhändler dürften Apotheken also durchaus mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln beliefern, deren Preise unter dem ApU zuzüglich des Festzuschlags von 70 Cent liegen.

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Gesetzgeber hätte klarer formulieren müssen

Das Urteil veranlasste den Verordnungsgeber, § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV nachzubessern und sprachlich zu verdeutlichen, dass die 70 Cent zwingend zu erheben sind. Weniger klar ist hingegen weiterhin, wie es aussieht, wenn „echte“ Skonti gewährt werden, also ein Nachlass für eine Gegenleistung der Apotheke, nämlich die vorfristige Zahlung. Hierzu gibt es nach wie vor unterschiedliche Meinungen

Eine Antwort hierauf gibt auch ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Celle nicht, das sich mit den Preisnachlässen eines im Direktvertrieb liefernden Pharmaunternehmens befasst hat. Dennoch ist das Urteil von Bedeutung für die Zulässigkeit von Konditionen, die Apotheken gewährt werden.

Der Fall des Oberlandesgerichts Celle

In dem Rechtsstreit, den das Oberlandesgericht Celle entschieden hat, streiten zwei pharmazeutische Unternehmen. Der beklagte Arzneimittelimporteur gewährt denjenigen Apotheken, die Mitglieder seines „T.-Clubs“ sind, eine Zahlungsfrist von drei Monaten und zehn Tagen und für den Fall fristgerechter Zahlung einen als „Skonto“ bezeichneten Preisnachlass in Höhe von 4,5 Prozent – berechnet auf den ApU zuzüglich des Festzuschlags von 0,70 Euro. Das führt dazu, dass bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit einem ApU von 14,86 Euro oder höher der letztlich zu zahlende Preis nicht nur (teilweise) um den Fixzuschlag von 70 Cent verringert wird, sondern sogar den ApU unterschreitet. 

Landgericht wies Klage zunächst ab

Das hielt der Wettbewerber für unzulässig. Seine Klage vor dem Landgericht scheiterte allerdings. Die Richter der ersten Instanz verwiesen auf das oben genannte BGH-Urteil, wonach der Festzuschlag nicht zwingend zu erheben ist. Auch die Unterschreitung des ApU im Einzelfall verstoße nicht gegen die Verpflichtung des pharmazeutischen Unternehmers, einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen (wie es § 78 Abs. 3 Satz 1 Arzneimittelgesetz bestimmt). Die Kopplung an die Großhandelszuschläge in der Arzneimittelpreisverordnung zeige nur, dass dieser aus kalkulatorischen Gründen einheitlich sein müsse. Grundsätzlich müssten Rabatte und Skonti aber möglich sein – schließlich könnten auch Krankenkassen Rabatte aushandeln.

OLG: ApU ist nicht nur eine kalkulatorische Größe

Das Oberlandesgericht sah dies allerdings ganz anders. Es entschied nicht nur, dass die vom beklagten Unternehmen in dieser Weise angebotenen 4,5 Prozent „Skonto“ unzulässig sind – es nimmt auch eine Schadenersatzpflicht gegenüber dem klagenden Wettbewerber an. Für letzteres verurteilte es die Beklagte aber erst einmal, umfassend Auskunft zu erteilen, welchen Apotheken sie wie viele Arzneimittel mit besagtem Rabatt  geliefert hat, um den Schaden zu ermitteln.

Ausführlich setzen sich die Celler Richter mit der Rechtslage vor und nach der Änderung des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV auseinander. Und sie stellen klar: Sowohl zuvor als auch danach durfte der ApU nicht durch Preisnachlässe unterschritten werden. Der einheitliche Abgabepreis, den pharmazeutische Unternehmen sicherzustellen haben, sei keinesfalls nur eine kalkulatorische Größe. Hierfür spreche, dass in § 78 Abs. 3 S. 1 AMG zwischen verschreibungspflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unterschieden werde. Nur für letzteren bestehe die Pflicht des Unternehmers lediglich darin, einen einheitlichen Abgabepreis „anzugeben“, von dem bei der Abgabe im Einzelfall auch abgewichen werden könne. Im Übrigen sei dieser Preis dagegen „sicherzustellen“. Die Oberlandesrichter entkräften auch das Argument der Gegenseite, dass schließlich auch Krankenkassen Rabatte von Herstellern bekommen: Preisnachlässe der Hersteller an die Handelsstufen sollten nicht zuletzt deshalb ausgeschlossen werden, um wirtschaftliche Spielräume gegenüber den Kostenträgern zu haben.

Auch das besagte BGH-Urteil zu den AEP-Konditionen sei nicht einschlägig: Hier sei es nämlich nur um die 70 Cent gegangen, nicht aber um die Pflicht, einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen – schließlich ging es um einen Großhändler, auf den diese Regelung gar nicht anzuwenden ist.

Allenfalls „echte“ Skonti könnten an ApU kratzen

Entscheidend ist am Ende aber auch für das OLG: Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV geregelten Großhandelszuschläge bestimmen einen Mindestpreis, der – wenn ein einheitlicher Abgabepreis sicherzustellen ist – nicht durch die Gewährung von Preisnachlässen durch den Hersteller unterschritten werden darf. Und Barrabatte für Arzneimittel dürfen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a Heilmittelwerbegesetz nur angeboten oder gewährt werden, wenn sie nicht gegen die Vorschriften Arzneimittelpreisverordnung verstoßen.

Was die Skonto-Frage betrifft macht das Gericht deutlich: Preisnachlässe, die als „Skonti“ bezeichnet sind, aber auch im Fall einer nur fristgerechten Zahlung gewährt werden, stellen eine unzulässige Umgehung des Rabattverbots dar. Denn dem Verkäufer fließt dann kein gesonderter Vorteil zu. Ob „echte“ Skonti, also solche, denen wirklich eine Gegenleistung gegenübersteht und die zudem „marktüblich“ sind, angesichts der Preisbindung nun zulässig sind oder nicht, wirft das Gericht zwar als Problemstellung auf – lässt sie aber am Ende offen.

Revision nicht zugelassen – Beschwerde eingelegt

Das Oberlandesgericht vertrat letztlich auch die Auffassung, dass die grundsätzliche Zulässigkeit von Preisnachlässen auch unter Berücksichtigung des BGH-AEP-Urteils von 2017 hinreichend geklärt sei. Die Frage,  inwieweit sogenannte echte Skonti zulässig sind, möge für sich genommen zwar grundsätzliche Bedeutung haben, stelle sich in dem vorliegenden Fall jedoch nicht in tragender Weise. Daher ließ es die Revision zum BGH nicht zu. Doch das beklagte Unternehmen legte Nichtzulassungsbeschwerde ein und so ist die Sache nun doch in Karlsruhe anhängig. Ob der BGH sie zur Entscheidung annimmt, bleibt abzuwarten.

OLG Celle, Urteil vom 19. Dezember 2019, Az.: 13 U 87/18; Az. des Bundesgerichtshofs: I ZR 13/20.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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