Missbrauch von Medizinalcannabis

Cannabis-Ärzte und –Apotheker widersprechen AMK

Berlin - 24.01.2020, 09:00 Uhr

Cannabis als Medizin – hat es mehr Missbrauchspotenzial als andere Arzneimittel? Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken und das Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin meinen: nein! (c / Foto: eight8 / Stock.adobe.com)

Cannabis als Medizin – hat es mehr Missbrauchspotenzial als andere Arzneimittel? Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken und das Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin meinen: nein! (c / Foto: eight8 / Stock.adobe.com)


Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) hat kürzlich eine Information an Apotheker herausgegeben, die diese für einen Cannabis-Missbrauch sensibilisieren soll. Bei Cannabis-Patienten kamen die Hinweise der AMK gar nicht gut an – sie fühlen sich kriminalisiert. Nun haben sich auch die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken und das Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin zu Wort gemeldet. Sie finden: Die AMK diskreditiert sich mit ihrer Stellungnahme selbst.

Mitte Januar hatte DAZ.online über eine Information der AMK berichtet: Mit ihr wurden Apotheker aufgefordert, Merkmale eines potenziellen Missbrauchs cannabishaltiger Arzneimittel zu beachten.

Ausgangspunkt der AMK war dabei, dass Apotheken infolge der erweiterten Anwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken eine besondere Verantwortung hinsichtlich der Vermeidung von Arzneimittelrisiken bei Cannabisblüten/-extrakten tragen. Und solche Risiken schließen auch eine missbräuchliche Anwendung ein – etwa wenn Cannabis aus der Apotheke außerhalb der Zulassung für den Freizeitgebrauch genutzt wird. Die AMK räumte ein, dass ihr zwar schon 33 Verdachtsfälle von unerwünschten Nebenwirkungen der Cannabistherapie gemeldet wurden, aber noch keine Missbrauchsverdachtsfälle. Dennoch sah sich die AMK berufen, Apotheker daran zu erinnern, dass verschiedene Vorschriften erfordern, dass sich die Pharmazeuten intensiv mit der ärztlichen Verordnung cannabishaltiger Arzneimittel auseinandersetzen müssen.

Mehr zum Thema

Sodann führte die AMK auf, was Verdachtsmomente für einen Missbrauch sein könnten. Zum Beispiel gefälschte Verordnungen, der Versuch von Patienten, die Rezepturzubereitung zu beeinflussen (z. B. dass die Droge – also die Cannabisblüten – unverarbeitet abgegeben werden sollen) oder ein „striktes Beharren auf einer THC-reichen oder bestimmten Cannabis-‚Sorte‘.

Die Empörung unter Patienten, die Cannabis als Arzneimittel erhalten, war groß. Und der Unmut wuchs umso mehr, als der Artikel auf DAZ.online in einschlägigen Online-Foren geteilt wurde. Die Befürchtung der Patienten: Sie würden kriminalisiert und stünden nun in der Apotheke unter besonderer Beobachtung. Dabei seien sie Patienten, die einfach nur ein Arzneimittel benötigten. Man stieß sich auch an dem von der AMK und auf DAZ.online verwendeten Begriff der „Droge“. In Nicht-Apothekerkreisen ist weitgehend unbekannt, dass es sich dabei um einen Fachbegriff handelt, der arzneilich verwendete getrocknete Pflanzenteile bezeichnet – egal ob es sich dabei und Kamille, Salbei oder eben Cannabis handelt.

Einige Tage später reagierten nun die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM), der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken e.V. (VCA) und das Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin (SCM) mit einer gemeinsamen Stellungnahme auf die AMK-Infos. Der Titel: „Beschämend: Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker diskreditiert sich selbst mit Stellungnahme zur medizinischen Verwendung von Cannabis“.

„Eklatantes Wissensdefizit“ bei der AMK?

Der Vorwurf: Statt sachlich zum Thema zu informieren, diffamiere die AMK nicht nur cannabisverschreibende Ärzte und Ärztinnen, sondern auch Patienten, die mit Cannabis behandelt werden. Zudem offenbart die AMK aus Sicht der drei Organisationen, „ein eklatantes Wissensdefizit und schürt alte Vorbehalte gegenüber der noch jungen Therapieoption“.

In ihrer Stellungnahme betonten ACM, VCA und SCM dass es ihres Wissens keine Erkenntnisse, dass die „missbräuchliche Anwendung“ von Cannabis als Medizin überhaupt ein relevantes Problem darstellt – ganz im Gegensatz zu anderen Arzneimitteln wie Benzodiazepinen und Opioiden. Allein bei Benzodiazepinen gebe es Schätzungen zufolge mehr als 1 Million Betroffene in Deutschland.

Gezielt widersprechen die drei Organisationen der Behauptung, „Versuche von Patienten, die Rezepturzubereitung zu beeinflussen, zum Beispiel dass die Droge unverarbeitet abgegeben werden soll“ seien ein Hinweis auf eine „missbräuchliche Anwendung“. Schließlich dürfe Cannabis nur dann vom Apotheker „unverarbeitet“ abgegeben werden, wenn dies ausdrücklich auf dem Rezept vermerkt sei. Zudem sei die unverarbeitete Gabe empfehlenswert, um zum Beispiel einer vorzeitigen Oxidation vorzubeugen. Sie betonen nicht zuletzt, dass cannabisversorgende Apotheken ihre Patienten sehr genau berieten, gerade in puncto Dosierungsgenauigkeit, und pharmazeutische Hilfestellung leisteten, etwa im Umgang mit Vaporisatoren.

Wunsch nach bestimmter Cannabis-Sorte ist legitim

Kein Verständnis haben ACM, VCA und SCM zudem dafür, dass die AMK einen Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Anwendung sieht, wenn Patienten sich über eine „angebliche Minderbefüllung oder Wirkungslosigkeit, inklusive mangelnder Qualität“ beklagen. Solche Vorkommnisse seien nämlich durchaus bekannt geworden.

Auch der Wunsch nach einer bestimmten Cannabis-Sorte, möglicherweise einer THC-reichen, sei aufgrund der patientenindividuellen Wirksamkeit und Verträglichkeit legitim und kein Hinweis auf eine missbräuchliche Anwendung.

Abschließend räumen die drei Organisationen durchaus ein, dass Ärzten und Apothekern bei der Verschreibung und Abgabe von Betäubungsmitteln „unstrittig“ eine besondere Sorgfaltspflicht zukomme – „inklusive der Beachtung der Möglichkeit einer ‚missbräuchlichen Anwendung‘ bzw. des Risikos einer Abhängigkeit“. Dies betreffe allerdings nicht nur cannabisbasierte Medikamente, sondern – und in viel stärkerem Maße – auch zahlreiche andere Arzneimittel.

ACM, VCA und SCM eint die Sorge, dass mit den AMK-Tipps der Anschein erweckt werde, Cannabis-Patienten stellten per se eine Problemgruppe dar und Ärzte, die Cannabis verordneten, führten eine zweifelhafte und an Sorgfalt mangelnde Behandlung durch, die seitens der Apotheker keinerlei Kontrolle erfahre.

„Wir möchten die AMK auffordern, sich beim Bundesgesundheitsministerium oder der Bundesopiumstelle über die Inhalte und Ziele des ‚Cannabis als Medizin Gesetzes‘ zu informieren“, heißt es weiter. Gerne stehen die drei Verbände aber auch selbst für einen Austausch zur Verfügung.

Die AMK hat auf Nachfrage von DAZ.online erklärt, sie wolle zu dieser Stellungnahme nicht Stellung beziehen.



Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Cannabis-Apotheker und -Ärzte: AMK diskreditiert sich selbst

Cannabis-Missbrauch: AMK in der Kritik

Cannabis-Verbände schreiben an Lauterbach und Blienert

Medizinalcannabis schützen, Eigenmedikation verhindern

Dr. Christiane Neubaur, Geschäftsführerin des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA)

Cannabis gehört in die Apotheke

Interview mit Cannabis-Apotheker Dr. Dominik Bauer

Cannabis im Beratungsgespräch

Acht Cannabis-Verbände nehmen Stellung

„Rolle rückwärts“ für Medizinalcannabis?

Fachverbände fordern novelliertes „Cannabis-als-Medizin-Gesetz“

Medizinalcannabis raus aus dem BtMG

4 Kommentare

Beschämender Artikel über Cannabis-Missbrauch durch Patienten

von Katrin Schmidt am 24.01.2020 um 18:32 Uhr

Der durch bestenfalls Halbwissen gespickte Artikel in der AMK hat keinen Anspruch auf seriöse Aufklärung. Auch die Diskriminierung von Cannabis verschreibenden Ärzten und Ärztinnen, sowie der betroffenen Patienten, die unterschwellig mit diesen "Tipps um Missbrauch aufzudecken" betrieben wird, ist unterhalb des Minimal-Niveaus eines ernstzunehmenden medizinischen Portals und dessen unwürdig.

Dass die AMK zur Stellungnahme von ACM, VCA und SCM keine Stellung nehmen möchte, ist angesichts des Gesamt-Niveaus ihres Artikels nicht weiter verwunderlich. Schließlich gehört Größe dazu, zu seinen Fehlern zu stehen und sie, als logische Folge, richtigzustellen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Beschämender Artikel über Cannabis-

von Thomas Kerlag am 25.01.2020 um 23:22 Uhr

Natürlich gibt es auch Falle von Missbrauch. Warum die ideologische Dementierung?

AW: Beschämender Artikel über Cannabis-

von Börni am 28.01.2020 um 10:10 Uhr

"Mißbrauch" gibts überall und VORALLEM an den Chemischen....ICh kenne einige die auf Schmerztabletten oder SChlaftabletten süchtig sind.....Muskelrelaxanien etc. hat da die AMK JEeeemals mal ein schreiben rausgebracht das man Leute die sowas abholen aus der Apotheke besser beobachten soll und Aufklären?

So muss es sein! Die Sachen richtig stellen!

von woewe am 24.01.2020 um 14:48 Uhr

Danke.

Viel schlimmer ist, dass wie Apotheke adhoc berichtet, dass bei Cannabisrezepturen Kassen wild drauf los retaxieren, vor allem in Fällen von Lieferschwierigkeiten, wodurch BtM-Rezepte nicht fristgerecht beliefert wurden.
Alexandra Negt, 23.01.2020 10:50 Uhr

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.