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Bundesdelegiertenkonferenz
Grünen steht Homöopathie-Konflikt bevor
Zwischen dem 15. und 17. November findet in Bielefeld die Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen statt. Bei dem Treffen könnte ein Thema eine Rolle spielen, das auch den Apotheken- und Arzneimittelmarkt seit einiger Zeit beschäftigt: die Homöopathie. Denn in den Anträgen der Grünen-Mitglieder zum Parteitag zeigt sich schon jetzt, dass die Frage, ob Homöopathika von den Kassen erstattet werden sollten oder nicht, ein Konfliktthema ist. Ein Teil der Partei ist offenbar für einen wissenschaftlichen Ansatz, ein anderer Teil setzt sich für die Homöopathie ein.
Die Homöopathie ist seit Jahren ein hoch umstrittenes und insbesondere in den sozialen Netzwerken auch sehr emotional diskutiertes Thema. Seit der Entscheidung von Frankreichs Regierung, die Kassen-Erstattung von Homöopathika schrittweise zurückzufahren, ist die Debatte um die Homöopathie auch hierzulande neu entflammt. Konkret geht es darum, ob es Krankenkassen erlaubt sein sollte, Präparate per Satzungsleistung zu erstatten, für die es keine wissenschaftliche Evidenz gibt. Denn: In Deutschland gibt es nicht wenige Kassen, deren Verwaltungsräte individuell beschlossen haben, ihren Versicherten Homöopathie-Angebote zu machen. Hinzu kommt: Kindern und Jugendlichen können homöopathische Präparate in jedem Fall auf GKV-Rezept verordnet werden (bis zum Alter von zwölf Jahren, mit Entwicklungsstörungen bis 18 Jahren).
Zuletzt hatte sich dazu insbesondere innerhalb der Union ein Konflikt angedeutet: Der CDU-Politiker Erwin Rüddel, der Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag ist, hatte ein schnelles Ende dieser Satzungsleistungen gefordert und erklärt, dass die Kassen für „Glaubensfragen“ nicht zuständig seien. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), hingegen hält eine Erstattung von Homöopathika für in Ordnung. Sie verwies darauf, dass ein freies Kassenwahlrecht besteht. Die Gegner der Homöopathie könnten doch die Kasse wechseln, so Maag. Und außerdem machten die Ausgaben mit 10,5 Millionen Euro kassenübergreifend gerade einmal 0,03 Prozent der gesamten Arzneimittelausgaben der Kassen aus.
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Doch nicht nur in der CDU scheint man keine gemeinsame Linie zu finden. Auch den Grünen steht ein intensiver Homöopathie-Konflikt bevor. Denn schon jetzt zeigt sich in den Anträgen zur Bundesdelegiertenkonferenz, dass es verschiedene Denkansätze zur Homöopathie gibt. Da wäre zunächst der Antrag „V04“, der sich für eine „therapeutische Vielfalt in der Medizin“ und einen „Methodenpluralismus“ ausspricht. Darin heißt es unter anderem:
Grundsätze einer Grünen Politik sind Toleranz in der gesellschaftlichen Vielfalt und die Akzeptanz verschiedener Ansichten. Wir Grüne verstehen uns nicht als Verbotspartei für bestimmte Lebenskonzepte, für bestimmte Glaubensformen oder für eine Einengung auf eine Wissenschaftsansicht. (…) Es geht hier nicht um relevante Ausgaben des Gesundheitssystems, sondern gerade einmal um 0,05 Prozent der Arzneimittelkosten der gesetzlichen Krankenkassen, die von den Krankenkassen für homöopathische Mittel als Satzungsleistungen bezahlt werden. Die Bürger*innen, die die besonderen Therapieformen wollen, zahlen diese heute zum größten Teil aus der eigenen Tasche. (…) Es geht hier erkennbar nicht um wissenschaftliche Klärung, sondern um einen von Homöopathiegegner*innen inszenierten Glaubensstreit darüber, dass potenzierte Mittel aus Prinzip nicht wirken können, da sie ja keine wirksamen Substanzen enthielten.“
Homöopathie-Gegner: Apotheker müssten über Nicht-Wirkung informieren
Die Antragsteller fordern daher, die Forschungsinvestitionen im Bereich der „integrativen Medizin“ zu erhöhen und die Schaffung neuer „integrativmedizinischer“ Lehrstühle. „Und: Zudem beantragen wir, die Satzungsleistungen der Krankenkassen in ihrem Status quo zu belassen.“ Zur Begründung heißt es unter anderem: „Bei der Bewertung der Homöopathie werden von deren Gegner*innen grundsätzlich nur solche Studien akzeptiert, die prospektiv, kontrolliert und doppelt verblindet sind, das heißt, dass weder Ärzt*in noch Patient*in weiß, ob das Medikament oder ein Scheinmedikament, ein sogenanntes Placebo, gegeben wurde. Alle anderen Studienformen werden nicht zugelassen.“
Damit stehen die Antragsteller jedoch in direktem Konflikt mit den Befürwortern eines anderen Antrages. Die Grünen-Mitglieder des Antrages „V01“ hingegen fordern eine komplette Umwälzung der Grünen Gesundheitspolitik in Richtung Wissenschaft. Denn: „Wir treten für eine wissenschaftlich fundierte, faktenbasierte und solidarisch finanzierte medizinische Versorgung für alle ein. Die Finanzierung von nachweislich nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirksamen Behandlungsmethoden ist mit diesem Grundsatz unvereinbar.“ Die Antragsteller beschweren sich über die „Bevorteilung“ der Homöopathie gegenüber anderen Arzneimitteln, schließlich müssten Homöopathika keine Zulassung vorweisen, „sondern lediglich eine relativ simple Registrierung“, heißt es.
Daher werden die folgenden Forderungen aufgestellt: Die Registrierung müsse durch eine „Zulassung mit wissenschaftlicher Betrachtung“ ersetzt werden. Auch schon im Markt befindliche Homöopathika sollten nach wissenschaftlichen Prinzipien untersucht werden. Zudem müssten Patienten mehr aufgeklärt werden, daher sollte die Bezeichnung der Präparate klarer werden. Und: Apotheker sollten ihre Patienten über die fehlende Wirkung (über den Placebo-Effekt hinaus) aufklären müssen.
Berichte: Parteispitze will Diskussion absägen
Die „tageszeitung“ und der „Spiegel“ berichten derzeit allerdings, dass der Bundesvorstand der Grünen eine hitzige Debatte zu diesem Thema auf dem Parteitag unterbinden will. Den Berichten zufolge will der Bundesgeschäftsführer beiden Lagern einen Kompromiss vorschlagen: ein Fachgespräch abseits des Parteitages. Bei einem solchen Gespräch solle eine gemeinsame Positionierung abgestimmt werden. Ob die Antragsteller dieser Vorgehensweise zustimmen, ist allerdings noch nicht klar.
1 Kommentar
Falschaussage
von noplacebo am 17.10.2019 um 17:52 Uhr
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