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Reduzierung von Lieferengpässen
AOK: Bestellaufwand der Apotheken hat nichts mit Rabattverträgen zu tun
Die Gesundheitsexperten der Unionsfraktion machen Tempo beim Thema Arzneimittel-Lieferengpässe. Die Union hat inzwischen ein Positionspapier vorgelegt. Unter anderem sollen Landapotheken bürokratisch und logistisch entlastet werden - durch kassenübergreifende und regional vergebene Rabattverträge. Jetzt meldet sich der „Erfinder der Rabattverträge“, Dr. Christopher Hermann, von der AOK Baden-Württemberg zu Wort und ist sauer: Die Union lasse sich von der Pharmalobby einlullen. Ohnehin habe der Bestellaufwand in Landapotheken nichts mit dem Rabattstatus der Arzneimittel zu tun.
Die Reduzierung der Arzneimittel-Lieferengpässe könnte eines der wichtigsten gesundheitspolitischen Themen des Herbstes 2019 werden. Im DAZ.online-Interview hatte der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich einige Änderungsvorschläge eingebracht und angekündigt, dass er diese gerne noch mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz umsetzen wolle. Auch Sabine Dittmar, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, hatte im DAZ.online-Geschichtentaxi erklärt, dass ihre Fraktion Änderungsbedarf sieht. Dittmar kündigte an, sich für mehr Transparenz, eine bessere Kommunikation bei Engpässen und verpflichtende Meldungen für Hersteller einsetzen zu wollen.
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Positionspapier
CDU-Plan gegen Lieferengpässe: Regionale Rabattverträge
In der vergangenen Woche wurde dann erstmals ein Positionspapier der Unionsfraktion bekannt. In dem fünfseitigen Papier schlagen die Gesundheitsexperten von CDU und CSU weitreichende Änderungen in der Lieferkette vor. Die von Hennrich ins Spiel gebrachte Abgabequote in der Apotheke für EU-Arzneimittel ist dort nicht mehr vorhanden. Allerdings soll es in gewissen Fällen möglich sein, ein Export-Verbot auszusprechen. Ein weiterer Fokus des Papiers liegt auf einer Arzneimittelreserve: In der stationären Versorgung sollen die Fristen für die Vorratshaltung in den Klinikapotheken auf vier Wochen verlängert werden, im ambulanten Bereich soll es neue Fristen für Hersteller und Großhändler geben. Außerdem wollen die Unionsparteien in der EU-Politik dafür sorgen, dass die Produktion von Arzneimitteln wieder vermehrt in Europa stattfindet.
Ein für die Apotheker wichtiger Punkt sind die vorgeschlagenen Änderungen im Rabattvertragssystem. CDU/CSU schlagen vor, dass nach den Ausschreibungen künftig immer mindestens zwei Firmen bezuschlagt werden. Um kleinere Apotheken auf dem Land logistisch zu entlasten, sollen die Verträge zudem kassenübergreifend und auf regionaler Ebene ausgeschrieben werden. Denn: Laut Union wenden die Apotheken viel zeit und Geld dafür auf, die Medikamente aufgrund der Vielzahl der Rabattverträge zu beschaffen. Der Vorschlag der Union würde das Ende der kassenspezifischen Rabattverträge bedeuten – AOK, Ersatzkassen, die BKKen etc. müssten dann alle gemeinsam einen Rabattvertrag mit dem Hersteller unterschreiben.
DAZ.online liegt nun eine erste Reaktion dazu aus dem Kassenlager vor. Sie kommt ebenfalls in Form eines Positionspapiers, und zwar von der AOK Baden-Württemberg, sowie eines Statements vom Chef der AOK Baden-Württemberg, Dr. Christopher Hermann. Hermann gilt als der „Erfinder der Rabattverträge“, weil er sie vor etwa zwölf Jahren entscheidend mitentwickelt hat. Inzwischen sind die Verträge ein enorm wichtiger finanzieller Faktor für das AOK-System: Derzeit läuft die 21. Tranche, von den insgesamt 118 Fachlosen wurden „nur“ 20 Zuschläge mehrfach vergeben. Der Rest der AOK-Verträge liegt exklusiv bei einem Hersteller. Die aktuellen Verträge decken ein jährliches Umsatzvolumen bei allen AOKs von rund 2,3 Milliarden Euro ab.
Hermann warnt vor Kassenkartellen und Pharmamonopolen
In einer Pressemitteilung zum Positionspapier verteidigt Hermann das Rabattvertragssystem. Die Pharmalobby „lulle die Politik immer wieder mit dem Märchen ein“, dass Rabattverträge Engpässe auslösten. „Auf diesen Unfug fällt das Entwurfspapier der Unionsparteien leider in weiten Strecken rein“, so Hermann. Der AOK-Chef weist darauf hin, dass der deutsche Arzneimittelmarkt am globalen patentfreien Arzneimittelmarkt einen Anteil von 4 Prozent hat. Von diesen 4 Prozent werde wiederum nur ein Teil durch Arzneimittelrabattverträge gesteuert. „Selbst eine große Krankenkasse wie die AOK Baden-Württemberg beeinflusst letztlich weniger als ein Zwanzigstel dieser 4 Prozent. Und dieser Bereich soll jetzt verantwortlich sein, für Engpässe, die im Weltmaßstab auftreten, nur damit die Hersteller sich weiterhin aus der Pflicht stehlen können?“, fragt sich Hermann.
Das Positionspapier verweist überdies auf eine Untersuchung der AOK Ba-Wü aus dem Jahr 2017 wonach Apotheken bei lediglich 0,6 Prozent aller GKV-weit abgerechneten Arzneimittel ein Lieferversagen des Herstellers dokumentiert hätten.
Hermann: Änderungen an Rabattverträgen sind inakzeptabel
Die kassenübergreifenden, regionalen Rabattverträge bezeichnet Hermann als „gänzlich inakzeptabel“. „So bildet man Kassenkartelle auf der einen Seite und Pharmamonopole auf der anderen. Eine wettbewerbsfeindlichere Konstellation ist schwerlich vorstellbar. Hier wird nicht Versorgungssicherheit gestärkt, im Gegenteil, sie gerät vollends unter die Räder“, so der AOK-Chef. Die von den Verträgen generierten Einsparungen dürften zukünftig „nicht wieder breit an Pharmahersteller rübergereicht werden, weil dirigistischer Zentralismus den Wettbewerb plattmacht“, so Hermann.
Der AOK-Chef will auch an dem System der überwiegend exklusiv vergebenen Zuschläge nichts ändern. Gerade mit solchen Ausschreibungen habe man bei der Einführung der Rabattverträge einen „fairen Wettbewerb“ auf einem Markt hergestellt, wo zuvor nur „Oligopole“ der Konzerne die Preise diktierten. Trotz alledem sieht Hermann auch „einige“ positive Punkte in den Vorschlägen der Union, unter anderem die neue Pflicht für Hersteller die eigenen Engpässe an das BfArM zu melden. Und auch die Arzneimittelreserve begrüßt der AOK-Chef.
AOK: Bestellaufwand der Landapotheken richtet sich nicht nach Rabattverträgen
Das Argument der CDU, dass man insbesondere kleinere Landapotheken bürokratisch und logistisch entlasten müsste, weil es laut Union zu viele unterschiedliche bezuschlagte Hersteller im Markt gibt, will die AOK aber nicht gelten lassen. Im Positionspapier der Kasse heißt es dazu: Der Bestellaufwand kleiner Apotheken auf dem Land richte sich nicht nach dem Rabattstatus einzelner Arzneimittel. Vielmehr erfolgten der Bestellvorgang wie auch die Lagerhaltung in der Realität digital und praktisch per Knopfdruck.
Ebenso lehnt die AOK den Vorschlag ab, Arzneimittelherstellern neue Anreize zu setzen, wenn sie neue Produktionsstätten in Europa eröffnen. Wörtlich heißt es dazu:
Eine gesetzliche Privilegierung von Produktionsstätten innerhalb der EU verstößt schon gegen bilaterale Handelsabkommen der EU mit Ländern wie etwa Singapur oder Vietnam, die gemäß EU Recht nicht gegenüber dem europäischen Wirtschaftsraum diskriminiert werden dürfen.
9 Kommentare
Bestellaufwand in Apotheken
von Josef Lemke am 07.10.2019 um 17:32 Uhr
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Herrmann
von Alexander Zeitler am 07.10.2019 um 0:50 Uhr
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Gruss
von Roland Mückschel am 04.10.2019 um 18:14 Uhr
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Rabattverträge-Bestellaufwand
von thomas milling am 04.10.2019 um 11:53 Uhr
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Kann der noch in den Spiegel sehen - unglaublich dreiste Lügen
von ratatosk am 02.10.2019 um 18:26 Uhr
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Kranker alter Mann
von Rainer W. am 02.10.2019 um 15:54 Uhr
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AW: Kranker alter Mann
von Melanie am 03.10.2019 um 22:07 Uhr
Doch
von Karl Friedrich Müller am 02.10.2019 um 14:59 Uhr
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Diskriminierung
von Roland Mückschel am 02.10.2019 um 14:59 Uhr
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