ABDA-Präsident schreibt an Apotheker

Schmidt: Reformgesetz ist besser als der Status quo

Berlin - 30.07.2019, 17:50 Uhr

Friedemann Schmidt sieht keine durchsetzbaren oder erstrebenswerten Alternativen zum Spahn'schen Reformpaket. (b/Foto: Schelbert)

Friedemann Schmidt sieht keine durchsetzbaren oder erstrebenswerten Alternativen zum Spahn'schen Reformpaket. (b/Foto: Schelbert)


Vor fast zwei Wochen hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken beschlossen. Während ABDA-Präsident Friedemann Schmidt die bereits dritte Fassung des Entwurfs grundsätzlich begrüßte, kommt aus einigen Mitgliedsorganisationen erneut scharfe Kritik, auch der Ruf nach einem Rx-Versandhandelsverbot reißt nicht ab. Nun hat sich Schmidt mit einem Brief an die Apothekerinnen und Apotheker gewandt, in dem er erklärt, warum die ABDA sich weiterhin konstruktiv an dem Gesetzgebungsverfahren beteiligen will.

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hatte sich schon kurz nach dem Kabinettsbeschluss zum Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) in einer Videobotschaft versöhnlich gezeigt. Ihm gefiel die neue Begründung des Gesetzentwurfs und er sprach von „hochinteressanten Ansätzen“, ohne diese genauer zu benennen. Der „eine oder andere Punkt“, so räumte er ein, müsse im parlamentarischen Verfahren allerdings noch verbessert werden.

Doch nicht alle ABDA-Mitgliedsorganisationen sind bereit, mit dem Kabinettsentwurf ihren Frieden zu schließen. Unter anderem Kammer und Verband in Hessen haben zuletzt die bereits bekannten Kritikpunkte wiederholt und dazu aufgerufen, die Petition des Budapester Pharmaziestudenten Benedikt Bühler für ein Rx-Versandverbot zu unterstützen. Und sie sind nicht die einzigen.

Nun reagiert Friedemann Schmidt mit einem Brief an die Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland – er ist seit dem heutigen Dienstag auf der ABDA-Webseite zu finden. Darin bemüht er sich um Verständnis für seinen Weg. Und um Antworten auf drei Fragen: Ist das Reformpaket inhaltlich gut? Ist seine Umsetzung realistisch? Und gibt es nicht doch Alternativen?

Ist das Reformpaket inhaltlich gut?

Was den Inhalt betrifft, hat Schmidt zwei Antworten parat: Nein, dieser ist nicht gut, wenn man das Paket an den Idealvorstellungen der Apothekerschaft misst. „Denn dann wäre zukünftig der Rx-Versandhandel verboten, zumindest aber wäre die Gleichpreisigkeit für alle Apotheken und Versender und für jede einzelne Rx-Packung in Deutschland garantiert – natürlich auch rechtssicher abgeschirmt gegen alle Klagen vor deutschen und internationalen Gerichten“. Ja laute die Antwort hingegen, wenn man das Paket nüchtern am Status quo messe: Gleichpreisigkeit gibt es derzeit nicht im internationalen Arzneimittelversand. Doch jedenfalls für den GKV-Bereich soll sich das nach den Plänen des Bundesgesundheitsministers ändern. „Im Ergebnis heißt das, dass einheitliche Abgabepreise für 90 Prozent der Patienten und 90 Prozent des Marktes wieder gelten“, schreibt Schmidt. EU-Versender dürfen GKV-Versicherte nur mit Rx-Arzneimitteln versorgen, wenn sie sich strikt an die Arzneimittelpreisverordnung halten. Tun sie das nicht, drohen empfindliche Strafen – sie können sogar von der GKV-Versorgung ausgeschlossen werden. „Im Gegensatz zu heute werden Sanktionen damit stärker wirken können“, erwartetet Schmidt und verspricht: „Wir wollen die Sanktionsregeln so wasserdicht wie möglich machen“.

Und Schmidt führt die weiteren aus seiner Sicht wichtigen Punkte des Reformpakets an: Vorausschauend werde an das E-Rezept gedacht und die Präsenzapotheke durch ein Zuweisungsverbot auch dieser Rezepte geschützt. Und dann ist da noch das Geld: „Insgesamt sollen 215 Mio. Euro zusätzlich jedes Jahr für die Arzneimittelversorgung zur Verfügung gestellt werden“, schreibt Schmidt. Jährlich 150 Millionen Euro für zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen, 50 Millionen Euro für die Notdienste. Dabei bezieht er sich allerdings auf die durchaus anzweifelbaren Zahlen aus dem Kabinettsentwurf. Nicht zuletzt soll es auch mehr Geld für Betäubungsmittel und andere dokumentationspflichtige Medikamente geben. Schmidt: „Entscheidend ist dabei, dass die verbesserte Vergütung Leistungen betrifft, die praktisch nur von Apotheken vor Ort erbracht werden können“. Zudem: Die pharmazeutischen Dienstleistungen – für sie und ihre Vergütung hätten die Apotheker jahrelang gekämpft. Nun gebe dafür erstmalig die Gelegenheit. „Pharmazeutische Dienstleistungen bedeuten eine klare Aufwertung des heilberuflichen Profils des Apothekers“, betont der ABDA-Präsident. „Auch die Erprobung von Grippe-Impfungen durch Apotheken kann darauf einzahlen“.

Ist die Umsetzung des Gesetzespakets realistisch?

Daran glaubt Schmidt fest. Die Pläne des früheren Gesundheitsministers Hermann Gröhe für ein Rx-Versandverbot im Jahr 2017 kamen nicht über den Status eines Referentenentwurfs hinaus – das „Reformtandem aus VOASG und Verordnung hat wegen seines Kompromisscharakters die Kabinettshürde indes geschafft“, schreibt Schmidt. Damit sei auch eine Mehrheit in der Bundestagsabstimmung wahrscheinlich. „Das größere Risiko liegt hier in einem möglichen Auseinanderbrechen der Regierungskoalition vor dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens“, so der ABDA-Präsident. Eine zügige Verabschiedung ist daher wichtig“.

Ferner verweist Schmidt nochmals darauf, dass die im VOASG-Entwurf vorgesehene Regelung zur Gleichpreisigkeit einen neuen Begründungsansatz liefere, „der die Chance bietet, sie mit zusätzlichen Argumenten zu verteidigen“. Selbst für die geplante Streichung von § 78 Abs. 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz zeigt er Verständnis: Damit wolle das BMG dem EuGH-Urteil vom Oktober 2016 nachkommen, das laufende Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland beenden „und damit eine weitere offene juristische Flanke schließen“.

Gibt es Alternativen zum Reformpaket?

Natürlich, auch Schmidt hält das Rx-Versandverbot weiterhin als die „zweifelsfrei inhaltlich beste aller Lösungen“ – allerdings, eine gegenwärtig nicht durchsetzbare. Die Chancen hierfür seien in der laufenden Legislaturperiode sogar noch geringer als 2017. Trotz anders lautender Einzelstimmen, seien die notwendigen Mehrheiten weder in der Bundesregierung noch im Bundestag und im Bundesrat zu erkennen. Zudem sei die gesellschaftliche Vermittlung eines Versandverbotes immer schwerer geworden. „In einer solchen Situation strikt auf dem Verbot als Lösungsweg zu beharren, hieße, sich aus dem politischen Gestaltungsprozess zu verabschieden“. Aber dann bliebe es beim Status quo: „Keine Gleichpreisigkeit, kein zusätzliches Honorar, keine fachliche Perspektive, kein Schutz gegen das großflächige Makeln von E-Rezepten“.

Nicht zuletzt deshalb habe sich die ABDA-Mitgliederversammlung im Juni darauf geeinigt, weiterhin im Dialog mit der Politik zu bleiben. „Unser Ziel bleibt dabei eine möglichst umfassende Absicherung der Gleichpreisigkeit und die Durchsetzung weiterer Verbesserungen am Gesetzentwurf. Das Versandverbot für rezeptpflichtige Medikamente soll als politische Option für die Zukunft erhalten bleiben, falls die Vor-Ort- Apotheken durch das derzeitige Gesetzesvorhaben nicht ausreichend gestärkt werden“.

Nur auf die Bewahrung der Vergangenheit zu setzen, sei keine Alternative, betont Schmidt. Ob er mit diesen Worten die Kritiker besänftigt, bleibt abzuwarten.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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11 Kommentare

Low Performer of the year

von Pille Palle am 10.08.2019 um 13:04 Uhr

Die Auszeichnung geht dieses Jahr nach Berlin! Für den Verdienst, die Apothekenlandschaft seit dem Edikt von Salerno am nachhaltigsten geschwächt zu haben. Historische Leistung, das hat seit Jahrhunderten niemand so effizient hin bekommen!

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Fragen

von Hubert Kaps am 31.07.2019 um 9:06 Uhr

1. Sind die verschiedenen Rx-Preise EuGH sicher?
2. Was müssen wir dafür tun, um welche pharmazeutischen Leistungen zusätzlich vergütet zu bekommen?
3. Wer darf wen bei Verstößen gegen den Liefervertrag wie und wo verklagen mit welchem Ergebnis?
4. Wann kommen regelmäßige Honoraranpassungen, denn einmalige Erhöhungen sind spätestens mit der nächsten Lohnerhöhung Einmaleffekte.
5. Wie wenige sollen wir eigentlich werden?

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AW: Fragen ... darf ich zu 5. was „laut denken“ ...

von Christian Timme am 31.07.2019 um 10:02 Uhr

Möglichst VIELE ... damit DIESE Fragen endlich der Vergangenheit angehören mögen ...

Wunsch und Wirklichkeit ... entfernen sich weiter voneinander ...

von Christian Timme am 31.07.2019 um 7:12 Uhr

... auch weitere "Sonntagsreden" dieses Präsidenten werden daran n i c h t s ändern. Die "EuGH-Bahnsteigkante" kommt immer näher ...

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Ziele

von Anita Peter am 31.07.2019 um 6:26 Uhr

Nur weil Sie ihr Ziel nicht erreicht haben, war es also nicht durchsetzbar? So kann man seine schwachen Leistungen natürlich auch beschönigen!
Vllt sollten wir alles mal auf 0 zurücksetzen, sprich die Lieferverträge kündigen und dann ganz neu verhandeln? Vielleicht sollten wir mal aufhören uns ständig am Nasenring durch die Manege ziehen zu lassen!

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AW: Ziele

von pille62 am 31.07.2019 um 14:05 Uhr

.............das hatte ich schon vor ca. zwei wochen angeregt

Dieser Kommentar wurde von der Redaktion aufgrund eines Verstoßes gegen die allgemeinen Verhaltensregeln gelöscht.

Nicht durchsetzbar ?

von Reinhard Rodiger am 30.07.2019 um 19:30 Uhr

Die grundlegenden Veränderungen der letzten 50 Jahre galten alle lange als nicht durchsetzbar. Da hat die Überzeugung von der Richtigkeit gesiegt.Offenkundig ist sie verloren gegangen.
Ich habe keinen Kampf erlebt.Ich soll daran glauben, dass gegen die Krankenkassen Sanktionen durchsetzbar sind, obwohl die Willkür der KK stetig neue Blüten treibt.Das bleibt unter der Decke.Ausser "Irgendwie mitschwimmen" ist keine Position erkennbar.Sprachlosigkeit als Lebensprinzip.Und übergehen der eigenen Leute. Zu hören ist nur beschwörende Besänftigung ,keine Auseinandersetzung mit offenkundigen Fragen, fehlende Einbeziehung. Insgesamt kein tragfähiger konzeptioneller Ansatz.

All das, was diesen Beruf für mich interessant gemacht hat, kommt unter die Räder bzw ist schon drunter weg.Die Glaubwürdigkeit nach innen und aussen wurde systematisch geschreddert.

All das war nicht nur die Politik obwohl sie durch gewolltes Unverständnis glänzt.Die Verantwortlichen sind fassbar.Die Maxime "die Hälfte ist nicht nötig" ist steter Begleiter.

Es ist unverständlich warum für einen noch nicht mal durchdachten Strauss von Zusatzleistungen Grundlegendes aufgegeben wird.Das ist die Integration in das Gesundheitssystem. Erst danach gibt es eventuelle Chancen.
Sie sind aber nur von oben durchsetzbar.

Da ist die Triagekompetenz zu erwähnen oder eben eine Anerkennung der kostensparenden Filterfunktion.Dazu muss sie aber formuliert werden und nicht versteckt werden. Einbau in die Primärversorgung wie in Frankreich,UK,Schweiz etc.
kann ich als Ziel nicht erkennen.

Wir erleben das Prozessergebnis einer Führung, die sich völlig von ihrem eigentlichen Unterbau entfernt hat.Da kann ich nicht einfach applaudieren.

Ich würde gerne erleben, für etwas zu kämpfen,das nicht durchsetzbar scheint, aber in sich richtig und weiterführend ist.
Nur, da braucht es mehr. Vor allem die, jetzt als Kollateralschaden der bisherigen Führung mutlos oder existenzgefährdet sind.Die konsequent ist eigentlich klar.




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AW: Nicht durchsetzbar

von W. Berger am 30.07.2019 um 21:40 Uhr

Sorry, Ihr verworrenes philosophisches Geschwafel hilft uns leider beim besten Willen nicht weiter!

AW: Nicht durchsetzbar

von Katrin Storch am 30.07.2019 um 23:11 Uhr

Danke für Ihren hervorragenden Kommentar! Sie sprechen mir aus der Seele - wer schon aufgibt, bevor die Schlacht geschlagen ist, wird eben wie die ABDA gar nichts für uns Apothekerinnen & Apotheker gewinnen. Spahn & Max Müller lesen solche Verlautbarungen unserer Spitze und lachen sich schlapp.,

Reform wäre besser als der Status Quo

von Thomas Kaiser am 30.07.2019 um 18:27 Uhr

Eine Reform an der Spitze der ABDA wäre meiner Meinung nach besser als der Status Quo

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