LAV Baden-Württemberg

Becker: „Noch kein Bundesgesundheitsminister hat so intensiv mit uns kommuniziert“

Stuttgart - 18.07.2019, 14:00 Uhr

Fritz Becker freut sich, dass Jens Spahn Gesundheitsminister bleibt. (c / Foto: LAV)

Fritz Becker freut sich, dass Jens Spahn Gesundheitsminister bleibt. (c / Foto: LAV)


Die Mitgliederversammlung des Landesapothekerverbandes (LAV) Baden-Württemberg am gestrigen Mittwoch fiel in eine bewegte Zeit: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte am Vormittag seinen Entwurf für das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken durchs Kabinett gebracht, bereits am Vorabend wurde den Spekulationen, er könne ins Verteidigungsministerium wechseln, ein Ende bereitet. Über Letzteres zeigte sich LAV-Chef Fritz Becker erleichtert.

Am 17. Juli wurde auf der bundespolitischen Bühne für Apotheker eine wichtige Weichenstellung vollzogen: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) konnte seinen Entwurf des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes durch das Kabinett bringen. Am Vorabend war schon klar geworden, dass Jens Spahn nicht als Nachfolger von Ursula von der Leyen vorgesehen ist und damit nicht ins Verteidigungsministerium wechseln wird. Er wird weiterhin Bundesgesundheitsminister bleiben. Darauf reagierte Fritz Becker, Präsident des Landesapothekerverbandes Baden Württemberg (LAV), bei der Mitgliederversammlung am gestrigen Mittwoch sichtlich erleichtert. Zwar sei Spahn ein harter Knochen, aber ein verlässlicher. Becker lobte: „Es hat noch kein Bundesgesundheitsminister so intensiv mit uns kommuniziert!“. Ein Ressortwechsel hätte nach Ansicht Beckers zu Verzögerungen zum Beispiel bei der Umsetzung des E-Rezepts und weiteren wichtigen Dingen geführt. Er ist froh, dass dem jetzt nicht so ist und kündigte an, dass die ersten E-Rezepte noch in diesem Jahr in Baden-Württemberg beliefert werden könnten.

Gleichpreisigkeit zu 90 Prozent erhalten

Mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz sind für die Apotheker einige bittere Pillen zu schlucken. Das Rx-Versandverbot ist begraben, der wichtige Satz 4 in § 78 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes ist gestrichen und damit an dieser Stelle auch die Regelung, dass die Rx-Preisbindung auch für ausländische Versender gilt. Dafür soll die Preisbindung für Verordnungen zulasten der GKV im Sozialrecht verankert werden. Becker erklärte dazu, für das Rx-Versandverbot sei bis hin zur Bundeskanzlerin keine Anhängerschaft mehr zu finden gewesen. Irgendwann sei dieses Pferd tot geritten gewesen. Das höchste Ziel sei dann gewesen, die Gleichpreisigkeit zu erhalten, was jedoch nicht zu 100 Prozent gelungen ist. Denn wenn das Gesetz vom Bundestag jetzt so verabschiedet wird, dann ist dies nur für den Bereich der Gesetzlich Versicherten und damit nur für 90 Prozent der Verordnungen erreicht. Das sieht Becker zunächst einmal positiv, merkt aber an, dass es fraglich sei, ob die geplanten Regelungen vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand haben werden.

Kleines Pflänzchen Dienstleistungen

Denen, die die Auffassung vertreten, kein Gesetz wäre besser als dieses Apotheken-Stärkungsgesetz, empfahl Becker, die massive Fernsehwerbung der Versandapotheken anzuschauen: „Alle geben sie Boni!“. Vor diesem Hintergrund sei dieses Gesetz, auch wenn es nur die zweitbeste Lösung sei, besser als kein Gesetz. Zudem enthalte es viel Positives, so bleibe die freie Apothekenwahl erhalten, und es gebe ein Makelverbot für Rezepte. Und dann sind da noch die pharmazeutischen Dienstleistungen, die nun erstmalig honoriert werden können. Sie sind für Becker „ein kleines Pflänzchen, das wir nicht kaputt machen dürfen!“. Auch wenn die dafür eingeplanten 150 Millionen Euro viel zu wenig seien, ist es nach Auffassung Beckers wichtig zu sehen, dass damit der Weg für ein zweites, ausbaufähiges Honorierungsstandbein neben der packungsbezogenen Honorierung geebnet werde.

Die Erhöhung der BtM- und T-Rezeptvergütung sowie des Nacht-und Notdienstfonds ist zudem für Becker ein ganz wichtiges Signal aus dem Bundeswirtschaftsministerium dafür, dass das von ihm selbst in Auftrag gegebene 2hm-Gutachten zum Apothekenhonorar ad absurdum geführt worden sei.



Dr. Doris Uhl (du), Apothekerin
Chefredaktion DAZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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7 Kommentare

Spahn und Rahmenvertrag

von Martin Straulino am 19.07.2019 um 13:20 Uhr

"Voll über den Tisch gezogen" trifft es in beiden Fällen wohl am besten.

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Preisanker überschreiten und Mehrfachverordnungen

von Julia Jedamzik am 19.07.2019 um 12:13 Uhr

Werbung für den neuen Rahmenvertrag...naja, die könnte man machen, wenn noch einige Dinge ausgebessert werden würden (Preisanker streichen z.B.). Aber so...?

Mir stellt sich immer noch die Frage, ob man den Preisanker nach ärztlicher Rücksprache tatsächlich überschreiten darf und lediglich ein Vermerk auf dem Rezept ausreichend ist.

Schließlich steht explizit im Kommentar zum Rahmenvertrag: "Aus dem Vertragstext ergibt sich diese Vorgehensweise zwar nicht, aber es besteht hierüber Konsens zwischen DAV und GKV-Spitzenverband.
Auf Nachfrage beim LAV diesen "Konsens" schriftlich bekommen zu können (um retaxsicher zu sein), folgte ein Anruf mit der Aussage, man könne nicht in Schriftform auf meine Frage antworten, das ginge am Telefon besser. Auf erneutes Nachfragen kam dann eine schriftliche Reaktion der Rechtsabteilung des LAV mit Aussagen wie:
1. Es wurde im alten Rahmenvertrag auch schon so praktiziert (wirklich?)
2. siehe §4 Abs. 8 AVV vdek (da ist aber ausschließlich von Importen/Originalen die Rede und für Primärkassen gilt der Vertrag nicht)
3. siehe §17 Abs. 5 ApBetrO (da ist die Rede von Irrtümern und Bedenken, meiner Meinung nach auf Nichtlieferbarkeiten nicht anzuwenden).
Also bleibt für mich weiterhin die Frage offen, ob das wirklich rechtlich haltbar und retaxsicher ist. Denn diesen "Konsens" habe ich bisher nicht zu lesen bekommen.

Ein weiteres Problem sehe ich in der Verordnung mehrerer (kleiner) Packungen in einer Verordnungszeile, wenn es eine größere Packung im Handel gibt, die wirtschaftlicher wäre. Laut DAV-Kommentar muss beliefert werden wie verordnet. Aber in §8 des Rahmenvertrages ist dieser Fall nicht explizit genannt. Dafür heißt es in §6 Abs. 2 Nr. g, g5 "...bei Verordnungen für die §8 keine Regelung enthält, unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit..."

Ich finde keine Regelung mehr (außer für den Notdienst/ Akutfall), wie mit Verordnungen umzugehen ist, auf der Arzneimittel weder mit Stückzahl noch mit N-Größe verordnet sind. Dabei müsste es sich ja um nicht eindeutig bestimmte Verordnungen handeln?! Oder gilt §2 Abs. 4 AMVV noch? In §7 Abs. 3 Rahmenvertrag steht, dass eine Verordnung eindeutig bestimmt ist, sobald sie unmissverständlich zu einem Eintrag im Preis- und Produktverzeichnis zuzuordnen ist.
Wenn ich z.B. eine Verordnung vorliegen habe, auf der nur "Soliris 3 OP" steht, ist weder Stückzahl noch N-Größe angegeben. Es gibt aber nur ein einziges Präparat. Sprich das verordnete Arzneimittel ist einem Eintrag unmissverständlich zuzuordnen. Ist das nun eine eindeutig bestimmte Verordnung und darf beliefert werden oder nicht?

Und zu guter Letzt Jumbopackungen...Dass diese von der Versorgung ausgeschlossen sind, ist nicht neu und absolut klar. Aber das Rezept darüber muss dann plötzlich vom Arzt geändert werden und darf nicht mehr mit einer kleineren Packung, die eine N-Normierung trägt, beliefert werden? Das ist doch absolut unlogisch. Ich soll in der Theorie alles Mögliche selbst ändern dürfen (nach ärztlicher Rücksprache natürlich), aber etwas so simples wie ein Rezept mit Vigantol 1000 iE 200 St. darf ich nicht mehr ohne ärztliche Änderung auf 100 St (N3) beliefern (außer im Notdienst)?

Die Ärzte werden sich bedanken für die ständigen Anrufe. Vor allem wenn es um den Preisanker geht. Da muss man ewig versuchen den Arzt zu erreichen, weil man etwas abgeben muss (Nichtlieferfähigkeiten!!!), das am Ende ein paar Cent teurer ist. Das kann doch nicht sein. Der Preisanker gehört abgeschafft!

Ich habe Fragen über Fragen...
Vielleicht kann mich ja irgendwann mal jemand aufklären...

Aber ja...man kann sich schon selbst dafür "feiern", dass man ja einen "tollen" Vertrag geschlossen hat.

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Wirkstoffverordnung

von Dr. Ralf Schabik am 18.07.2019 um 20:34 Uhr

Vorab: Ich schätze Fritz Becker ! Aber die Aussage "Weisen Sie Ihre Ärzte auf die Möglichkeit der Wirkstoffverordnung hin!" ist leider vollkommen realitätsfern. Mir hat ein befreundeter Arzt gezeigt, was in seiner "Praxisverwaltungssoftware" passiert, wenn er Wirkstoffe verordnet: Das volle Chaos ! Nun könnte man argumentieren, dass ein BRV keine Rücksicht auf die Möglichkeiten von Arztsoftware nehmen muss. Sachlich richtig. Aber die Realität sieht leider so aus, dass wir damit leben müssen, wie unsere Ärzte IT-mässig ausgerüstet sind. und WIR im HV den Ärger ausbaden.

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Fehlkommunikation

von Reinhard Rodiger am 18.07.2019 um 17:46 Uhr

Selten hat "intensive Kommunikation" solch fatales Ergebnis gehabt.Die Kernbotschaft wurde zugunsten von vagen Hoffnungen für wenige eben weder ins Spiel gebracht noch kommuniziert. Eben Fehlkommunikation zu geheimen Zwecken.

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Der Minister ist einfach besser .....

von Wolfgang Müller am 18.07.2019 um 16:10 Uhr

Man muss doch einfach mal Jens Spahn Respekt zollen: Meine Güte, reden kann er, und gescheit ist er auch. „Noch kein Bundesgesundheitsminister hat so intensiv mit uns kommuniziert“ ergänze ich einfach mal mit: "So rhetorisch überlegen (und mit allen Wassern gewaschen) war uns noch kein Gesundheitsminister, so gut sind wir noch nie totgequatscht und in die Falle gelockt worden".

Genau das ist auch die einzige rein menschliche Entschuldigung für den unsäglichen ersten Deal mit dem Minister, wo "Neue Dienstleistungen für 340 Mio. Euro" gegen "2,50 Rx-Boni" ausgehandelt worden waren: Schiere Unterlegenheit.

Der beste Beweis dafür ist doch die Tatsache, dass die 2,50 Rx-Boni SOFORT vom Rest der ABDA und der restlichen Politik kassiert worden sind. Ich glaube ehrlich, dass Jens Spahn damals selber nicht glauben konnte, dass er dieses Unding zumindest im ersten Ansatz bei "Den Apothekern" durchgekriegt hatte ......

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Becker

von Conny am 18.07.2019 um 14:40 Uhr

Alter schützt vor Torheit nicht

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Preisanker

von Dr. Radman am 18.07.2019 um 14:18 Uhr

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