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Empfehlung der Obersten Gesundheitsbehörde
Daumen runter für die Erstattung von Homöopathika in Frankreich
Die Zitterpartie um die weitere Erstattung homöopathischer Arzneimittel durch die nationale Krankenversicherung in Frankreich nähert sich ihrem Ende, und das Ergebnis sieht negativ aus. Die Transparenzkommission der Obersten Gesundheitsbehörde (HAS) ist nach einer eingehenden Evaluierung der Datenlage zu dem Schluss gekommen, dass keine ausreichenden Wirksamkeitsnachweise für die Arzneimittelgruppe vorliegen
Wenn
es um die Rechtfertigung der Erstattung geht, sind homöopathische Arzneimittel
sehr „speziell“. Während die HTA-Institutionen, wie die französische
Haute Autorité de Santé (HAS) sich bei zugelassenen Arzneimitteln wenigstens
darauf verlassen können, dass die Medikamente wirksam sind – sonst wären sie nicht
zugelassen – trifft das bei Homöopathika nicht unbedingt zu. Nach dem erleichterten
Registrierungsverfahren, dass überall in der EU implementiert ist, reicht bei homöopathischen
Arzneimitteln, die keine „allgemeingültige“ Indikation beanspruchen, ein
abgespecktes Dossier, um die Verkehrsfähigkeit zu erlangen. Unterlagen zur
Wirksamkeit brauchen nicht vorgelegt zu werden. Was wem wofür verschrieben
wird, entscheidet der Arzt. Dies entspricht dem Prinzip der Homöopathie.
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Über 120 Millionen Euro für Homöopathika
In Frankreich werden diese Arzneimittel bisher zu 30 Prozent von den Krankenkassen übernommen, Im Jahr 2018 hat die Krankenversicherung 126,8 Millionen Euro für Homöopathika erstattet. Jeder zehnte Franzose verwendet sie. Für Marken-Homöopathika mit einer arzneimittelrechtlichen Zulassung haben die Hersteller nach Angaben der HAS bisher nie die Erstattung beantragt. Die Patienten bekommen diese direkt in der Apotheke und zahlen sie auch selbst. Im letzten Jahr hatte sich das Ministerium für Solidarität und Gesundheit an die HAS gewandt. Sie sollte den Nutzen der derzeit erstattungsfähigen homöopathischen Arzneimittel beurteilen. In der hierfür zuständigen Transparenzkommission der HAS sind Ärzte, Apotheker, Epidemiologen, Methodologen, aber auch Patienten und Anwender vertreten.
Einzigartiges Verfahren
Die Oberste Gesundheitsbehörde bezeichnet das Verfahren in vielerlei Hinsicht als einzigartig. Zum ersten Mal wurden homöopathische Arzneimittel in ihrer Gesamtheit beurteilt. Insgesamt ging es in dem Verfahren um rund 1.200 Präparate (unverdünnte homöopathische Einzelmittel). Die HAS sichtete nach eigenen Angaben mehr als 1.000 Studien aus wissenschaftlichen Publikationen, davon 364 systematische Reviews und Metaanalysen sowie 517 randomisierte kontrollierte Studien, von denen am Ende aber nur 37 den geforderten Qualitätskriterien entsprachen. Die Recherchen deckten einen Zeitraum von zwanzig Jahren ab (2000 bis 2019). Außerdem wurden 29 Stakeholder-Beiträge aus der öffentlichen Konsultation vom 13. Dezember 2018 bis zum 27. Januar 2019 sowie die Eingaben der drei Herstellerfirmen, die die entsprechenden Arzneimittel in Frankreich vermarkten (Boiron, Lehning-Rocal und Weleda) berücksichtigt.
24 Symptome oder Krankheiten beleuchtet
Nach
diesem riesigen wissenschaftlichen Rundumschlag ist die Entscheidung der HAS
nun gefallen. Die Wirksamkeit sei nicht ausreichend nachgewiesen, um die
weitere Erstattung der Mittel zu rechtfertigen, so die Schlussfolgerung der
Transparenzkommission. Es gebe keine Hinweise auf eine Wirksamkeit in den 24
untersuchten Symptomen oder Krankheiten, darunter postoperative Schmerzen,
Vorbeugung von Entzündungen, Kopfschmerzen und Migräne, Asthma, Infektionen der
Atemwege, allergische Rhinitis, Angstzustände, Depressionen, Schlafstörungen,
Erkrankungen des Bewegungsapparates, Durchfall und viele mehr. Weiterhin kritisiert
die Kommission methodische Mängel in den Studien und dass diese die Bevölkerung
nur unzureichend abbildeten. Außerdem gebe es keine aussagekräftige Studie zur
Lebensqualität von Patienten, die die Medikamente einnehmen, ebenso wenig wie
zu den Auswirkungen auf den Konsum anderer Arzneimittel und die öffentliche
Gesundheit im Allgemeinen.
Wie halten es andere Länder?
Die HAS hat auch eine Recherche dazu durchgeführt, wie andere Länder mit dem Problem umgehen. Hiernach haben bisher die drei Länder Australien, Großbritannien und Belgien eine entsprechende HTA-Agentur mit der Bewertung beauftragt, die bezüglich der Sinnhaftigkeit der Erstattung ebenfalls negativ ausfiel. In der Schweiz soll ein Referendum dagegen mit einem positiven Ergebnis ausgegangen sein. Damit sei die Schweiz eines der wenigen Länder, zusammen mit Luxemburg und Deutschland, wo die solidarisch finanzierte Krankenversicherung die Erstattung unter bestimmten Bedingungen unterstütze, stellt die HAS fest. Meistens werde die Kostenübernahme durch eine Zusatz- oder Privatversicherung angeboten, wie etwa in Österreich oder den Niederlanden.
136 Seiten mit allen Einzelheiten zu der Entscheidung
Die Entscheidung in der Transparenzkommission der HAS ist bereits am 26. Juni gefallen. Sie wurde einen Tag später bekannt und heute wurde noch ein ausführliches Pressedossier dazu zur Verfügung gestellt. Wer es ganz genau wissen möchte, kann in die Entscheidung der Transparenzkommission hineinschauen, die 136 Seiten umfasst.
Drei Viertel der Franzosen für die Erstattung
Das Votum der Kommission wurde bereits an die drei betroffenen Firmen und das Gesundheitsministerium weitergeleitet, dem nun die abschließende Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Erstattung zufällt. Gesundheitsministerin Agnes Buzyn soll im Vorhinein bereits wiederholt erklärt haben, dass sie dem Rat der HAS folgen wolle. Entscheidungen über die Streichung von Medikamenten könnten aber auch erst einige Tage oder Wochen nach der Stellungnahme der HAS getroffen werden.
Die Entscheidung des Ministeriums darf sicher mit Spannung erwartet werden, sollen doch nach einer IPSOS-Umfrage drei Viertel der Franzosen für die Aufrechterhaltung der Erstattung aus dem Solidarsäckel sein. Diese Trumpfkarte versuchen die Verbände der liberalen Ärzte (SML) und der Homöopathischen Ärzte Frankreichs (SNMHF) nun noch zu ziehen.
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