GSAV-Gesetzentwurf

Arzneimittel gegen Hämophilie sollen apothekenpflichtig werden

Süsel - 23.01.2019, 12:45 Uhr

Hämophilie: Arzneimittel zur Behandlung der Bluterkrankheit sollen künftig apothekenpflichtig sein.  (s / Foto: imago/ Science Photo Library)

Hämophilie: Arzneimittel zur Behandlung der Bluterkrankheit sollen künftig apothekenpflichtig sein.  (s / Foto: imago/ Science Photo Library)


Arzneimittel zur Hämophilie-Behandlung sind bisher von der Apothekenpflicht ausgenommen und werden meist direkt vom Hersteller an die behandelnden Ärzte geliefert. Gemäß dem jüngsten Entwurf für das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung soll sich dies künftig ändern. Dabei sollen die Preise für diese Arzneimittel auf dem bisherigen Niveau bleiben. 

Der jüngste bekannt gewordene Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vom 22. Januar 2019 unterscheidet sich in einigen Aspekten erheblich vom früheren Referentenentwurf aus dem November. Dies betrifft auch die geplanten Neuregelungen für Arzneimittel zur Hämophilie-Behandlung. Der frühere Entwurf für das GSAV sah nur veränderte Dokumentationspflichten und eine Erweiterung des Deutschen Hämophilieregisters vor. 

Ausnahme von der Apothekenpflicht soll entfallen

Der jüngste Entwurf geht dagegen sehr viel weiter und enthält auch Änderungen im Arzneimittelgesetz (AMG). Die Ausnahmen für Arzneimittel zur Behandlung vieler Gerinnungsstörungen vom Vertriebsweg über Apotheken gemäß § 43 AMG soll auf Blutzubereitungen beschränkt werden, die aus menschlichem Blut gewonnen werden. Die Ausnahmen sollen dagegen nicht mehr für plasmatische und gentechnologisch hergestellte Gerinnungsfaktorzubereitungen gelten. Diese sollen gemäß dem Entwurf künftig ebenso wie die zunehmend eingesetzten monoklonalen Antikörper den einheitlichen Vertriebsweg über die Apotheke nehmen. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es, die betroffenen Arzneimittelgruppen seien hinsichtlich Haltbarkeit und Verfügbarkeit vergleichbar und sollten daher auch beim Vertriebsweg gleich behandelt werden.

 Aufgrund dieser Änderung soll in § 47 AMG zugelassen werden, dass in spezialisierten ärztlichen Einrichtungen ein Notfallvorrat an den betreffenden Arzneimitteln bereitgehalten wird. Hämostaseologisch qualifizierte Ärzte sollen daraus auch Arzneimittel an Patienten und an andere Einrichtungen der Versorgung abgeben können. Das war bisher schon möglich, muss aber gesondert geregelt werden, wenn diese Arzneimittel künftig unter die Apothekenpflicht fallen. Mit ärztlichen Einrichtungen zur Behandlung von Gerinnungsstörungen sollen Apotheken künftig Absprachen zur Organisation der Notfallvorräte treffen können. Dafür soll ein neuer Absatz 2a in den § 11 Apothekengesetz eingefügt werden.

Übertragung der alten Preise ins neue System

Mit der Ausnahme von der Apothekenpflicht würde auch die Ausnahme der Arzneimittel zur Hämophilie-Behandlung von der Preisbindung entfallen. Diese Arzneimittel würden dann der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen. Damit würden die üblichen Apothekenzuschläge anfallen, aber der jüngste Gesetzentwurf sieht keine freie Preisbildung für die Hersteller vor. Vielmehr sollen die bisherigen Preise in das neue System übertragen und dem Preismoratorium unterworfen werden. Zur Ermittlung der bisherigen Preise sieht der Entwurf einen neuen § 130d SGB V vor. Demnach sollen die Hersteller dem GKV-Spitzenverband einen mengengewichteten Mittelwert der tatsächlichen Einkaufspreise aus den Jahren 2017 und 2018 als Herstellerabgabepreis melden. So sollen die Preise der bisherigen Direktabgabe auf den neuen Vertriebsweg übertragen werden. Der GKV-Spitzenverband soll die Plausibilität der gemeldeten Preise prüfen und bei Abweichungen selbst einen Preis aufgrund der vorliegenden Daten festsetzen können.

Von diesen Neuregelungen sollen Arzneimittel ausgenommen werden, für die nach einer frühen Nutzenbewertung ein Erstattungsbetrag vereinbart wurde. Für die Verträge zu diesen Arzneimitteln soll den Vertragspartnern stattdessen eine neue dreimonatige Kündigungsfrist eingeräumt werden, die zwölf Monate nach dem Inkrafttreten des geplanten Gesetzes beginnt. 

Außerdem sollen die Krankenkassen verpflichtet werden, mit den Ärzten Versorgungsverträge über die Behandlung der Hämophilie-Patienten abzuschließen. Die dabei eingesetzten Arzneimittel sollen nicht Gegenstand dieser Verträge sein.  

Erweiterte Dokumentationspflichten 

Zugleich sieht der Entwurf für das GSAV vor, die Dokumentationspflicht auf alle Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie zu erweitern. Dazu sind Änderungen im Transfusionsgesetz und in der Transfusionsgesetz-Meldeverordnung geplant. Damit soll auch die ärztliche Meldepflicht erweitert werden, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie besser bewerten zu können. Angesichts des erweiterten Spektrums der eingesetzten Arzneimittel sollen die Meldepflichten auf alle Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen ausgedehnt werden. Außerdem soll das Deutsche Hämophilieregister beim Paul-Ehrlich-Institut dementsprechend erweitert werden. Gemäß der Begründung zum Gesetzentwurf geht es bei der erweiterten Dokumentation um Risiken, die sich aus dem Einfluss neuartiger Wirkstoffe auf die Sicherheit und Wirksamkeit von Gerinnungsfaktorzubereitungen und auf die diesbezügliche Diagnostik ergeben können. 



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Hämophilie § 47 Arzneimittelgesetz "GSAV"

von Interessengemeinschaft Hämophiler e.V. am 23.01.2019 um 23:16 Uhr

Nun sollen tatsächlich auch noch die plasmatischen (neben den rekombinanten) Gerinnungsmedikamenten aus dem bewährten Vertriebsweg der Hämophilie genommen werden. Völlig ohne Not wird hier ein funktionierendes System gekippt. Jetzt ist zu befürchten, dass sich die Qualität der Versorgung langfristig verschlechtert, da die bisher beteilgten Hämostaseologen nicht mehr vorgeschrieben sind. Und unnötig teurer wird es bestimmt auch. S.a.: https://www.igh.info/nachrichten/aktuelles/igh-newsletter/igh-newsletter-eilmeldung-05122018.html

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Hämophilie § 47 Arzneimittelgesetz &

von Felix Maertin am 24.01.2019 um 13:38 Uhr

Vielen Dank für Ihren Kommentar, ohne diesen wäre ich auf die IGH nicht aufmerksam geworden. Das nächste mal könnte auch der Autor des Posts seinen Namen nennen.

Zur letzten Pressemitteilung (warum wird hier kein Datum angegeben?):
"Gerade dieser Direktvertrieb und Abgabe durch die Ärzte ist ein vertraulicher und geschützter Vertriebsweg" -> Korrekt, das bedeutet auch intransparent. Die Kosten können nicht exakt nachvollzogen werden. Woher weiß die IHG ob es dann zu Steigerungen kommen wird? Woher kommt die Kostensteigerungs-Rate von 22%?

Und ja, wie jeder andere kranke Mensch, ob angeboren oder nicht, muss bis zu seiner individuellen Befreiungsgrenze sich an dem solidarischen Gesundheitssystem beteiligen. Warum sollte das für Hämophilie-Patienten anders sein?
Schon heute lösen Privat-Patienten jeden Tag Rezepte in Apotheken ein, die 20.000, 30.000 oder mehr € kosten. Gerne informiere ich Sie hierzu ausführlicher, wie Rechnungen oder die Direktabrechnung funktionieren.

Auch steht den Patienten der lange Weg in spezialisierte Kliniken weiterhin offen, erhalten nun aber den VORTEIL beim behandelnden Fach- oder Hausarzt vor Ort ihre Verschreibungen zu erhalten und einen Ansprechpartner zu finden.
Übrigens ist der HIV-Skandal fast 40 Jahre her...

Grundsätzlich gebe ich Ihnen recht, dass ein solcher Schnellschuss nicht nötig ist und die IGH mit ihren Interessen angehört werden sollte.

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