PwC-Studie

Deutsche sehen Gesundheitswesen kritischer

München - 08.01.2019, 10:45 Uhr

Die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers hat die Deutschen zu Ihrer Meinung über das Gesundheitswesen befragt. ( r / Foto: Imago)

Die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers hat die Deutschen zu Ihrer Meinung über das Gesundheitswesen befragt. ( r / Foto: Imago)


Die Bundesbürger haben derzeit noch eine gute Meinung vom hiesigen Gesundheitswesen. Doch das Ansehen schwindet, hohe Zustimmungswerte der vergangenen Jahre werden nicht mehr erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Wirtschaftsberatung PwC. Ein Umdenken und neue Lösungen seien nötig, um den Abwärtstrend aufzuhalten.

Noch gut, aber nicht mehr so gut wie in früheren Jahren – auf diesen Nenner lässt sich die aktuelle Meinung der Deutschen zum hiesigen Gesundheitswesen bringen. Zusammengetragen hat diese Stimmungslage die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Wie schon in den vergangenen Jahren hat das Unternehmen einen intensiven Blick auf die Gesundheitsbranche geworfen, dabei fast 15.000 Menschen zu Themen wie medizinische Versorgung und deren Schwachstellen sowie aktuelle Trends im Gesundheitswesen befragt und die Ergebnisse in jährlich aktualisierten Reports publiziert – so auch jetzt.

Hinsichtlich der jüngsten Kritik steht laut PwC nicht die Qualität des Gesundheitswesens zur Diskussion; vielmehr seien es institutionelle Schwächen oder organisatorische Mängel, die nach Meinung der Bevölkerung von Politik und Wirtschaft noch nicht entschieden genug in Angriff genommen würden. So werde bemängelt, dass sich Ärzte zu wenig Zeit für die Patienten nehmen. Zwei Drittel der Deutschen sind demnach mit der ärztlichen Behandlung unzufrieden - nicht, weil sie die Kompetenz des Arztes anzweifeln, sondern weil nach ihrer Einschätzung das Patientengespräch zu kurz komme. Konkret kritisierten 45 Prozent, dass der Arzt sich zu wenig Zeit für sie nehme. Das äußerten vor allem gesetzlich Versicherte mit 48 Prozent, während es unter den privat Versicherten lediglich 26 Prozent seien. Auffällig ist laut PwC auch, dass besonders die unter 55-Jährigen über ein zu knappes Zeitbudget des Arztes klagen. Bei den 18- bis 34-Jährigen falle diese Kritik am deutlichsten aus.

Diese Datenlage verdeutlicht nach Ansicht der Studienautoren, dass der mündige Patient, den das Gesundheitswesen lange gefordert habe, mittlerweile Realität sei. Die Patienten wünschten sich eine medizinische Beratung auf Augenhöhe. Die Zeit, die sich ein Arzt für seine Patienten nimmt, stelle heute einen entscheidenden Qualitätsfaktor im Gesundheitswesen dar.

Mit IT zu mehr Arzneimittelsicherheit

Darüber hinaus beschäftigt sich die aktuelle Untersuchung damit, wie die Überwachung der Arzneimittelsicherheit und mögliche Wechselwirkungen bei der Einnahme unterschiedlicher Medikamente verbessert werden können. IT-Lösungen bieten laut PwC das Potenzial, unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen oder gar Todesfälle deutlich zu senken. Nach Angaben von Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft, kann mit Hilfe von E-Health-Systemen die Vielzahl aller möglichen Wirkstoffkombinationen schnell überblickt werden. Studien würden zeigen, dass mit IT-Lösungen Medikationsfehler um mehr als 80 Prozent zu verringern seien. Der PwC-Manager verweist zudem auf Untersuchungen aus europäischen Ländern, wonach rund 3 bis 5 Prozent aller Todesfälle durch unerwünschte Neben- oder Wechselwirkungen von Medikamenten verursacht würden. Etwa 10 bis 15 Prozent dieser Todesfälle seien prinzipiell vermeidbar.

Darüber hinaus seien IT-Lösungen auch mit Blick auf die elektronische Gesundheitskarte und darauf gespeicherte Medikationspläne sinnvoll. Damit könnten sowohl Laien als auch medizinisches Fachpersonal rasch erkennen, welche Medikamente sie wann für welche Erkrankung verwenden müssen. Bemerkenswert ist, dass Apotheker beim Aspekt IT-Struktur in der PwC-Untersuchung nicht explizit auftauchen.

PwC: Zu viele Praxen sind noch analog organisiert

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen bietet laut PwC generell die Chance auf neue Behandlungsmöglichkeiten, indem große Datensätze analysiert oder neue Technologien wie roboterassistierte Chirurgie und bildgebende Analyseverfahren verstärkt eingeführt und genutzt werden. 

Andererseits gibt es nach Angaben der Studienverfasser bei der Digitalisierung noch eine Menge zu tun. So werde gerade im organisatorischen Bereich das Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Viele Arztpraxen seien nach wie vor überwiegend analog organisiert oder nutzten digitale Insellösungen, die nicht mit den Systemen anderer Leistungserbringer oder der Krankenkassen kompatibel seien. Eine beachtliche Zahl von Krankenkassen habe zudem damit begonnen, elektronische Patientenakten in Eigenregie zu entwickeln. So blieben viele Effekte und Prozesserleichterungen zwischen den verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens, die sich durch die Digitalisierung ergeben, ungenutzt. Die Herausforderung bei der flächendeckenden Einführung einer Telematikinfrastruktur bestehe also darin, alle Akteure mitzunehmen und miteinander zu vernetzen, zugleich aber auch Lösungen für akteursspezifische Ansprüche zu integrieren und dabei alle datenschutzrechtlichen Anforderungen zu erfüllen.

Monistische Finanzierung von Krankenhäusern

Auch auf die Krankenhauslandschaft haben die PwC-Autoren einen Blick geworfen. Demnach plädieren sie für eine sogenannte „monistische“ anstelle einer dualen Finanzierung von Kliniken. Die duale Finanzierung durch Krankenkassen und Bundesländer führe regelmäßig zu Konflikten darüber, wer bestimmte Leistungen oder Investitionen finanzieren müsse. Die Folge sei, dass am Ende häufig niemand zahle und wichtige Veränderungen ausblieben. 

PwC-Gesundheitsexperte Burkhart schlägt daher eine monistische Krankenhausfinanzierung durch die Krankenkassen vor, wie sie bereits in der Altenpflege, der Rehabilitation und der Diagnostik bestehe. Die Gesamtkosten blieben dadurch gleich, doch die eindeutige Zuständigkeit ermögliche wichtige Entscheidungen. Ausnahme: Universitätsklinken und akademische Lehrkrankenhäuser sollten weiter aus steuerfinanzierten Budgets der Länder betrieben werden.

Für systemrelevante Kliniken, die wichtige Gesundheitsleistungen in einer für die Bevölkerung akzeptablen Entfernung erbringen, soll laut Burkhart zudem ein Verlustausgleich trotz monistischer Finanzierung möglich sein, um eine Schließung ohne Zustimmung des jeweiligen Bundeslandes zu verhindern.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Systemfehler

von Michael Grethlein am 09.01.2019 um 21:48 Uhr

Hat unser Gesundheitssystem diesen Namen wirklich verdient? Hat dieses "Gesundheitssystem" nicht einen grundsätzlichen Fehler? Was kann in diesem System ein unternehmerisch / wirtschaftlich denkender Arzt für ein Interesse daran haben, einen Kunden dauerhaft "gesund zu machen"?

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