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Probiotika
Lactobacillus rhamnosus bei Kinderdurchfall – ein probiotisches Placebo?
Haben Kleinkinder akuten Durchfall, fragen manche Eltern in der Apotheke nach Probiotika. Die Präparate sind bei immunkompetenten Patienten in der Regel nebenwirkungsarm. Doch helfen sie auch? US-Forscher haben die Wirkung von Lactobacillus Rhamnosus bei Vorschulkindern mit akuter Gastroenteritis gegen Placebo getestet.
Haben kleine Kinder Durchfall, fragen Eltern in der Apotheke häufig nach sanften Methoden. Neben oraler Rehydratation empfehlen Kinderärzte unter anderem Probiotika wie beispielsweise Hefen oder Milchsäurebakterien (Lactobazillen).
Metaanalysen zufolge sollen Probiotika den Verlauf der akuten Gastroenteritis bei Kindern bessern. Auch Fachgesellschaften wie beispielsweise die Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung oder die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, legen die Verwendung von Probiotika bei akutem Durchfall nahe. Dabei wird unter anderem Lactobacillus rhamnosus GG krankheitsverkürzende Wirkung zugeschrieben (z.B. im Monopräparat InfectoDiarrstop® oder in Kombinationspräparaten wie BactoFlor®).
Studie mit knapp 1000 Kindern
Amerikanische Forscher haben diesen Keim unter die Lupe genommen. In einer prospektiven Studie mit knapp 1000 Vorschulkindern haben Freedman, Schnadower und Kollegen untersucht, ob Lactobacillus rhamnosus GG bei akuter Gastroenteritis hilft. Die Ergebnisse wurden vor wenigen Tagen im New England Journal of Medicine veröffentlicht.
In der Studie waren 971 Kinder zwischen drei Monaten und vier Jahren eingeschlossen, die in einer von zehn US- amerikanischen Notaufnahmen wegen akuter Gastorenteritis vorgestellt wurden. Die kleinen Patienten erhielten über fünf Tage zweimal täglich Bakterien des Stammes Lactobacillus rhamnosus GG Kulturen in einer Dosis von 1010 Kolonienbildenden Einheiten, oder Placebo.
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Probiotika – nicht immer sinnvoll und harmlos
Folgeuntersuchungen fanden nach fünf Tagen, 14 Tagen und einem Monat statt. Der primäre Endpunkt war erreicht, wenn die Kinder innerhalb von 14 Tagen eine moderate bis schwere Gastroenteritis bekamen, was durch einen Gesamtscore von mindestens neun Punkten auf der modifizierten Veskari-Skala definiert war. Die Veskari-Skala beschreibt den Schweregrad einer Durchfallerkrankung und berücksichtigt unter anderem das Ausmaß der Dehydratation oder, ob der Patient Fieber hat, erbricht oder stationär behandelt werden muss.
Lactobazillen auf Placeboniveau
In der Studie war das Risiko für eine moderate bis schwere Gastroenteritis unter Lactobazillen mit 11,8 Prozent vergleichbar wie unter Placebo (12,6 Prozent). Auch bei den Sekundärparametern gab es keinen statistisch signifikanten Vorteil für Lactobacillus rhamnosus GG: So dauerte der Durchfall im Median in beiden Gruppen etwa 50 Stunden an. Mit oder ohne Lactobazillengabe fehlten die Kinder im Median zwei Tage in der Kita. Dieselbe Forschergruppe veröffentlichte etwa zeitgleich eine ähnlich designte Studie, bei der Lacotobacillus rhamnosus in Kombination mit Lactoacillus helveticus eingesetzt wurde – mit ähnlich negativen Ergebnissen.
Die Ergebnisse der beiden Studien von Freedman, Schnadower und Kollegen stehen im Widerspruch zu früheren Studien, auf die sich unter anderem auch die oben genannten Leitlinienempfehlungen beziehen. Die Wissenschaftler erklären diesen Widerspruch damit, dass die Patientenzahlen in diesen Studien geringer waren und teilweise verschiedene Probiotika gemischt eingesetzt wurden. Außerdem wurde nach Auffassung der Autoren in den anderen Studien die Qualität der Probiotika nicht immer überprüft.
Nur für immunkompetente Patienten
Die Studienergebnisse von Freedman, Schnadower und Kollegen unterstützen den Gebrauch von Lacotobacillus rhamnosus GG bei Kinderdurchfall jedenfalls nicht. Auf andere Mikroorganismen wie etwa Saccharomyces-Hefen (z.B. Perenterol) sind die Ergebnisse zwar nicht übertragbar. Doch der Nutzen für diese Probiotika müsse erst in ähnlich großen Studien gezeigt werden, erklärt Gastroentereologe J. Thomas LaMont vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston, der die Studien von Freedman, Schnadower und Kollegen kommentierte.
Wie Probiotika genau wirken, ist nur teilweise geklärt. So soll die Milchsäure, die Lactobazillen bilden, pathogene Keime zurückdrängen. Auch immunmodulatorische Effekte werden diskutiert. In der Apotheke ist es wichtig zu beachten, dass diese Präparate bei immunsupprimierten Kindern schwere Nebenwirkungen verursachen können.
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