Rote-Hand-Brief

Schwangerschaftsverhütungsprogramm für Valproat: Das müssen Apotheker wissen

Stuttgart - 14.11.2018, 09:00 Uhr

Apotheker spielen bei der Aufklärung von Valproatpatientinnen eine wichtige Rolle. ( r / Foto: imago)

Apotheker spielen bei der Aufklärung von Valproatpatientinnen eine wichtige Rolle. ( r / Foto: imago)


Vor kurzem hat die EU-Kommission Maßnahmen beschlossen, um die Anwendung von Valproat bei Frauen und Mädchen im gebärfähigen Alter sicherer zu machen. Diese beinhalten unter anderem neue Anwendungseinschränkungen und ein umfangreiches Schwangerschaftsverhütungsprogramm, bei dem auch Apotheker eine Rolle spielen. Nun informieren die Hersteller entsprechender Arzneimittel in einem Rote-Hand-Brief darüber.

In Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) informieren die Zulassungsinhaber valproathaltiger Arzneimittel über wichtige neue Gegenanzeigen, verschärfte Warnhinweise und Maßnahmen zur Vermeidung einer Valproat- Exposition während der Schwangerschaft. Demnach darf Valproat nur dann bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter angewendet werden, wenn andere Behandlungen nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden. Eine Anwendung in der Schwangerschaft ist in allen Indikationen (Epilepsie, Migräneprophylaxe, bipolare Störung) kontraindiziert, einzige Ausnahmen sind Patientinnen mit Epilepsie, für die keine geeignete alternative Behandlung zur Verfügung steht. Soll Valproat bei Frauen im gebärfähigen Alter verschrieben werden, müssen die Bedingungen des Schwangerschaftsverhütungsprogramms eingehalten werden. Andernfalls ist es bei dieser Patientengruppe kontraindiziert.

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Das Schwangerschaftsverhütungsprogramm beinhaltet unter anderem, dass der verordnende Arzt sicherstellen muss, dass

  • alle Patientinnen hinsichtlich ihrer Gebärfähigkeit eingeschätzt werden,
  • dass die Patientin die Notwendigkeit versteht, sich vor Beginn und (soweit erforderlich) während der Behandlung Schwangerschaftstests zu unterziehen,
  • dass die Patientin bezüglich Empfängnisverhütung beraten wird und dass die Patientin in der Lage ist, während der gesamten Dauer der Behandlung mit Valproat ununterbrochen zuverlässige Verhütungsmethoden anzuwenden,
  • dass die Patientin den Leitfaden für Patienten erhalten hat
  • und dass die Patientin bestätigt, dass sie die Gefahren und erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Anwendung von Valproat verstanden hat (jährlich auszufüllendes Formular zur Bestätigung der Risikoaufklärung).

Alle weiteren Vorgaben finden Sie hier im Rote-Hand-Brief.

Abgabe in der Originalverpackung mit Warnhinweis

Auch Apotheker spielen beim Schwangerschaftsverhütungsprogramm explizit eine Rolle. Sie müssen sicherstellen, dass

  • die Patientenkarte bei jeder Abgabe von Valproat ausgehändigt wird und dass die Patientinnen deren Inhalt verstehen,
  • auf die Sicherheitshinweise verstärkt eingegangen wird, insbesondere auf die Notwendigkeit zuverlässiger Verhütungsmethoden,
  • Patientinnen darüber informiert sind, die Anwendung von Valproat nicht abzubrechen und im Falle einer geplanten oder vermuteten Schwangerschaft unverzüglich einen Spezialisten aufzusuchen,
  • Valproat in der Originalverpackung mit einem außen angebrachten Warnhinweis abgegeben wird.

Außerdem wird noch darauf hingewiesen, dass Valproat in der Apotheke nicht ausgepackt werden sollte, wie es in einigen Ländern offenbar der Fall ist. Ist dies nicht zu vermeiden, müssen immer, sofern verfügbar, eine Kopie der Packungsbeilage, der Patientenkarte und der äußeren Verpackung mit abgegeben werden, heißt es im Rote-Hand-Brief. 

Schulungsmaterial zum Download

Neben Anwendungsbeschränkungen und dem Schwangerschaftsverhütungsprogramm informieren die Hersteller in dem Rote-Hand-Brief über Schulungsmaterial, das medizinischem Fachpersonal und Patienten/Betreuungspersonen hilft, eine Valproat- Exposition während der Schwangerschaft zu vermeiden und über die Risiken von Valproat und die Anwendungsbedingungen zu informieren.

Folgende Unterlagen stehen zum Beispiel auf der Website des BfArM zur Verfügung:

Hintergrund der Maßnahmen ist ein Beschluss der Europäischen Kommission, der auf den Ergebnissen eines Risikobewertungsverfahrens basiert. Dieses wurde am 9. März 2017 auf Ersuchen der französischen Arzneimittel-Agentur eingeleitet. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse, darunter Arzneimittelanwendungsstudien und klinische Nachweise oder Labortests zu den Wirkungen des Arzneimittels, überprüft. Zudem hat sich der Pharmakovigilanzausschuss der EMA (PRAC) mit Angehörigen der Heilberufe sowie Frauen und deren Kindern, die infolge einer Valproatexposition während der Schwangerschaft geschädigt wurden, im Rahmen von schriftlichen Stellungnahmen, Beratungen mit Experten und Treffen mit Interessensgruppen ausgetauscht. Auch eine öffentliche Anhörung fand statt.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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