Liberalisierung

Cannabis als Medizin: In Österreich wächst der Druck 

Remagen - 11.06.2018, 11:00 Uhr

In Österreich können Cannabisblüten derzeit nicht von Ärzten verschrieben werden. (Foto: imago)

In Österreich können Cannabisblüten derzeit nicht von Ärzten verschrieben werden. (Foto: imago)


In unserem Nachbarland Österreich wird derzeit wieder vermehrt über eine Erweiterung der Freigabe von Cannabis für die medizinische Anwendung diskutiert. Die Politik scheint prinzipiell offen dafür zu sein, will aber erst die Ergebnisse der Begleitstudie in Deutschland abwarten.

Die rechtliche Situation von Cannabis, der Pflanzenteile und -zubereitungen sowie der Reinsubstanzen ist in der österreichischen Suchtmittelgesetzgebung detailliert geregelt. Medizinisch genutzt werden dort überwiegend aus dem Extrakt gewonnene Reinsubstanzen. Cannabisblüten sind in Österreich derzeit nicht rezeptierbar. Im Februar kürte das Wissenschaftsnetzwerk Medicinal Products Platform Austria (HMPPA) Cannabis sativa übrigens zur Arzneipflanze des Jahres 2018.    

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Online-Petitionen wünschen rasche Lockerung

Die Rolle von Cannabis wird in Österreich derzeit gleich auf mehreren Ebenen diskutiert. Dies berichtete das Online-Nachrichtenmagazin „derStandard.at“ bereits Anfang April. Zum einen überlege die Regierung ein Verbot des Verkaufs von Hanfsamen und Hanfpflanzen durchzusetzen. Davon abgekoppelt laufe aktuell eine Debatte über den Einsatz von Medizinalcannabis. Vor allem seit der Freigabe von Cannabisblüten für medizinische Zwecke in Deutschland sei diese Möglichkeit auch in Österreich „diskussionswürdig“. „derStandard.at“ verweist hierzu unter anderem auf eine Bürgerinitiative, die die „Straffreistellung von Besitz und Erzeugung“ von Cannabis (-produkten) bei Patienten mit entsprechender medizinischer Indikation fordere.

Knapp 3700 Personen sollen die online-Petition unterzeichnet haben. Daneben habe die „Liste Pilz“ Anfang März einen Entschließungsantrag zur Liberalisierung von Cannabis in der Medizin eingebracht. Hiermit wird die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit und Soziales, dazu aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorzulegen. Nun beschäftige sich der Gesundheitsausschuß im Parlament mit dem Thema. Aktuell würden fachliche Stellungnahmen eingeholt. Ende Mai habe die Liste Pilz außerdem ebenfalls eine online-Petition dazu gestartet.

Mangelnden Kostenübernahme kritisiert

Bewegung gebe es auch an anderer Stelle, schrieb „derStandard.at“ nun vor wenigen Tagen weiter. So habe in Wien gerade eine Fortbildung für Ärzte und Pharmazeuten zum Thema Cannabismedizin stattgefunden, die für die Teilnehmer von der Wiener Ärztekammer zum ersten Mal mit Fortbildungspunkten belohnt worden sei. „Es tut sich was", wird der Allgemeinmediziner und Gründer der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin Kurt Blaas zitiert. Die Arbeitsgemeinschaft vermutet einen Bedarf für 4000 bis 5000 Menschen in Österreich. Die meisten könnten sich eine Behandlung mit den verfügbaren Medikamenten nicht leisten, beklagt Blaas. Das Spray Sativex habe er bis jetzt vielleicht zehnmal verschrieben. Der Arzt geht davon aus, dass etwa 35 bis 40 Prozent der Rezepte auf Anhieb von Krankenkassen übernommen werden, und zwar vorrangig für Tumorpatienten. Auch bei multipler Sklerose oder dem Tourettesyndrom gebe es meist eine sofortige Bewilligung. 

Apotheker warnen vor Online-Bestellungen

Cannabisblüten über ärztliches Rezept und Verkauf über die Apotheken würden den Markt beleben und damit die Preise senken, meint der Initiator des Antrags für die Liste Pilz Peter Kolba. Auch zwei Apothekerinnen aus Wien, die zur Fortbildung gekommen seien, könnten sich laut „derStandard.at“ eine Möglichkeit wie in Deutschland gut vorstellen: „Aber solange das bei uns noch nicht legal ist, haben wir keine Möglichkeit." Die Politik sei am Zug. Bis sich da etwas tue, appellierten beide an die Patienten, keine Medikamente online zu bestellen, weil hier „viel zu viel schieflaufen könne“. Damit meinten sie die frei erhältlichen Cannabidiol (CBD)-Produkte, die keine psychoaktive Wirkung haben. „Das ist eine Geschäftemacherei, mehr nicht", warnt auch Sinisa Katanic, der die Weltapotheke in Wien betreibt, gegenüber „derStandard.at“.  

Verschärfter Blick nach Deutschland

Das Nachrichtenmagazin hält es „momentan für gar nicht so unwahrscheinlich“, dass die Auseinandersetzung auf parlamentarischer Ebene zu einer Lösung wie in Deutschland führen könnte. Einen Vorteil habe Österreich jedenfalls gegenüber Deutschland, betonten Kolba und die FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch. Die Österreichische Agentur für Ernährung (AGES) produziere in ihren Labors selbst Cannabisblüten, unter anderem für den Export nach Deutschland. Das Know-How sei also vorhanden. Deutliche Ablehnung zur Liberalisierung von Cannabisblüten für Patienten gebe es von keiner Partei, auch nicht von der FPÖ. Belakowitsch kritisiere auch die restriktive Kostenübernahme: „Wenn Menschen trotz nachgewiesener Wirkung selbst für ihre dringend benötigten Medikamente aufkommen müssen, ist das untragbar." Dessen sei man sich „quer durch alle Parteien bewusst“.

SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner hält die Studienlage zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen von Cannabisblüten noch für verbesserungswürdig. Man wolle deswegen die Ergebnisse einer Begleitstudie zur Liberalisierung in Deutschland abwarten. Diese Meinung teilten auch die NEOS. Gesundheitssprecher Gerald Loacker zufolge soll es derzeit nicht genügend Evidenz für eine öffentliche Kostenübernahme von Blüten für den medizinischen Bedarf geben. Das würden auch die Schmerzgesellschaft und die Apothekerschaft so sehen. Bei der ÖVP stehe man einer Liberalisierung im medizinischen Bereich ebenfalls „dem Grund nach positiv" gegenüber, aber auch hier warte man zunächst auf die Ergebnisse in Deutschland

Bevölkerung positiv eingestellt

Geht es nach der österreichischen Bevölkerung, so sei das Alpenland jedenfalls „reif für Cannabisblüten in der Apotheke“. Zumindest suggeriere das eine Umfrage des Meinungsforschers Peter Hajek vom Herbst 2017 mit 1000 befragten Personen. Hiernach befürworten knapp 80 Prozent, dass medizinisches Cannabis unter ärztlicher Verschreibung und Anwendung erhältlich sein sollte.  Eine generelle Legalisierung wird jedoch eindeutig abgelehnt.




Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Falsche Zahlen bei der Bürgerinitiative "Straffreistellung..."

von Gerfried Düregger am 13.06.2018 um 11:27 Uhr

Als Mitinitiator der Bürgerinitiative und Obmann der ARGE CANNA erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass weit mehr Menschen unsere Bürgerinitiative unterschrieben haben... Wir haben schon im April die Zeitschrift Standard auf die falschen Zahlen hingewiesen. Korrekt ist:

Wir haben vor dem Einbringen der Bürgerinitiative offline bereits 9940 Stimmen gesammelt.

Zusätzlich haben in der

XXV. Gesetzgebungsperiode 3695 Menschen ihre Stimme Online abgegeben -> https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/BI/BI_00032/imfname_673649.pdf

und in der

XXVI. Gesetzgebungsperiode haben 371 Menschen ihre Stimme Online abgegeben.

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/BI/BI_00032/index.shtml#tab-Zustimmungserklaerungen

Insgesamt haben also 14.006 Menschen mit beglaubigter Unterschrift ihre Unterstützung für unsere Bürgerinititative bekundet!

Mit freundlichen Grüßen

Gerfried Düregger
Obmann ARGE CANNA
http://arge-canna.at

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