Pharmacon Meran

Medizinalhanf: Für Apotheker sind noch viele Fragen offen

Meran - 31.05.2018, 15:30 Uhr

Der Darmstädter Apotheker Dr. Christian Ude musste sich auf dem Pharmacon vielen Fragen zur Cannabis-Therapie stellen. (Foto: DAZ/cst)

Der Darmstädter Apotheker Dr. Christian Ude musste sich auf dem Pharmacon vielen Fragen zur Cannabis-Therapie stellen. (Foto: DAZ/cst)


Cannabis auf Rezept gibt es schon länger als ein Jahr. Doch längst nicht alle Apotheker empfinden den Umgang mit Medizinalhanf als Routine. Auf dem Pharmacon-Kongress in Meran stellte Apotheker Dr. Christian Ude die wissenschaftlichen Grundlagen vor und gab Rezepturtipps. In der lebhaften Diskussion kamen nicht nur fachliche Fragen, sondern auch Zweifel an der Sonderstellung von Cannabisblüten im Sozialgesetzbuch auf.

Der Darmstädter Apotheker Dr. Christian Ude ist bekannt dafür, dass er der Therapie mit Cannabisblüten kritisch gegenübersteht. Auch auf dem Pharmacon-Kongress in Meran stufte er die Blüten als pharmazeutischen Rückschritt ein, der allenfalls den Stellenwert einer Zweit- oder Drittlinientherapie habe. „Die in Deutschland am häufigsten konsumierte Rauschdroge ist ein verkehrsfähiges Arzneimittel geworden“, kommentierte Ude auf dem Pharmacon-Kongress in Meran die gesetzliche Regelung zur Cannabistherapie, die am 10. März 2017 in Kraft trat. 

Doch seien Apotheker aufgrund ihrer Ausbildung sehr gut in der Lage, sich den Herausforderungen, die das Cannabis-Gesetz mit sich bringen, zu stellen. Mit einem ausführlichen Überblick über die möglichen Anwendungsgebiete und Besonderheiten bei der Rezeptur gab er den Kongressteilnehmern ein Praxis-Update. Mit seinen Themen hatte er offenbar einen Nerv getroffen, denn die Abschlussdiskussion war trotz des sonnigen Wetters sehr rege, emotional und beinhaltete neben fachlichen Fragen auch Grundsatzthemen.

Cannabis ist nicht gleich Cannabis

Eine Teilnehmerin schilderte einen Patientenfall, der mehrere Probleme der Cannabistherapie betraf. So war der beschriebene Schmerzpatient auf die Blütensorte Bedrocan eingestellt, die monatelang nicht lieferbar war. Der Arzt hatte ihn auf Bedrolite umgestellt, jedoch verspürte der Betroffene mit der neuen Sorte keine Linderung, weswegen ein Wechsel auf Dronabinol erfolgte, was ihm auch nicht half. Inzwischen erhalte er wieder Bedrocan. Für den Patienten ist die Situation nicht zufriedenstellend, weil die präferierte Blütensorte immer wieder schlecht lieferbar ist, bemängelte die Apothekerin.

Zur Erklärung: Die genannten Blütensorten unterscheiden sich deutlich, was den Gehalt der wirksamkeitsbestimmenden Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) betrifft. So enthält Bedrocan laut Spezifikation 22 Prozent THC und 1 Prozent CBD, Bedrolite dagegen nur 1 Prozent THC dafür 9 Prozent CBD. Dronabinol entspricht THC als Reinsubstanz. Es handelt sich folglich um drei verschiedene Arzneimittel. Außerdem ist für die Wirkung der Blüten neben THC und CBD das Zusammenspiel aller enthaltenen Inhaltsstoffe  entscheidend.

Für Ude schien es daher plausibel, dass die drei Cannabisarzneimittel unterschiedlich wirken. Auch die Lieferschwierigkeiten seien bekannt. „Aber man kann sich als Apotheker auch nicht den BtM-Tresor mit Blüten vollpacken, nur um eine lückenlose Versorgung zu garantieren“, sagte Ude.

Der Joint aus der Apotheke?

Während Konsumenten Marihuana meist rauchen, ist zu medizinischen Zwecken die Anwendung mit einem Vaporisator oder in Form einer Tee-Abkochung vorgeschrieben. Der Apotheker und Dozent, Dr. Alexander Ravati , monierte, dass bei der Blütentherapie gar nicht verhindert werden könne, dass sich Patienten mit ihrem Medizinalhanf auch einen Joint drehen. Werde durch das Cannabis-Gesetz dem Kiffen auf Rezept nicht leichtfertig Tür und Tor geöffnet?

Dr. Christiane Eckert-Lill, Geschäftsführerin des Bereiches Pharmazie bei der ABDA wandte ein, dass der Gesetzgeber Cannabis unter anderem deshalb rezeptierbar gemacht habe, um einem unkontrollierten Eigenanbau durch Patienten entgegen zu wirken. Ihrer Meinung nach war es eine rationale Entscheidung im Sinne einer Schadensbegrenzung gewesen.

Rechtfertigen die Risiken den Nutzen?

„Soll man als Apotheker eingreifen, wenn man mitbekommt, dass der Patient sich mit dem verschriebenen Medizinalhanf einen Joint bastelt?“, lautete die Frage einer weiteren Teilnehmerin. Ude entgegnete, dass aus seiner Sicht Pharmazeuten durchaus intervenieren sollten, wenn sie erfahren, dass ein Betäubungsmittel zweckentfremdet werde.

Eine andere Teilnehmerin warf in den Raum, dass die gesetzliche Regelung vom 10. März 2017 noch eine weitere Gefahr mit sich bringe: Und zwar sei aus der Literatur bekannt, dass Cannabis die Entstehung von Schizophrenien begünstige. Und durch die neue gesetzliche Regelung werden Patienten damit einem zusätzlichen Risiko ausgesetzt. Ude stimmte der Kongressteilnehmerin zu, dass dies eine bekannte Cannabis-Folge sei. Angesichts der Risiken von Medizinalhanf bedauere er es, dass die Wirksamkeit von Cannabisblüten im Gegensatz zu anderen Arzneimitteln nicht systematisch nachgewiesen sei.

Blütendiskussion auf sachliche Ebene stellen

„Bevor man apodiktisch die Blüten abtut und sagt, es gibt doch bessere Fertigarzneimittel, sollte man Evidenz generieren“, warf ein weiterer Kongressteilnehmer ein. Denn es sei noch nicht gezeigt worden, ob die Blüten in der Schmerztherapie einer Reinsubstanz wie etwa Dronabinol nun über- oder unterlegen seien. Er schlug daher eine kontrollierte Studie vor, bei der die Wirksamkeit der Droge mit der von reinen THC verglichen werde. Apotheker Ude befürwortete diese Idee: „Es wäre sehr wünschenswert, hier mehr weiße Flecken zu lüften.“



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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