BGH zur Arzneimittelpreisverordnung

Festzuschläge gelten nicht für Einzelimporte

Berlin - 09.05.2018, 13:00 Uhr

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die
Arzneimittelpreisverordnung nicht für Arzneimittel gilt, die im Wege eines
zulässigen Einzelimports nach Deutschland gelangt sind. (Foto: Imago)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Arzneimittelpreisverordnung nicht für Arzneimittel gilt, die im Wege eines zulässigen Einzelimports nach Deutschland gelangt sind. (Foto: Imago)


Die Arzneimittelpreisverordnung gilt nicht für Arzneimittel, die im Wege eines zulässigen Einzelimports nach Deutschland gelangt sind. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Er wies am heutigen Mittwoch die Revision der Barmenia Krankenkasse gegen einen Apotheker aus Sachsen zurück, der aus Sicht der Krankenversicherung zu viel für das 2013 aus der Schweiz eingeführte Krebsarzneimittel Kadcyla berechnet hatte.

Der in München ansässige Spezialgroßhändler ilapo Internationale Ludwigs-Arzneimittel GmbH & Co. KG kann sich freuen: Der Bundesgerichtshof hat am heutigen Mittwoch nicht am ilapo-Geschäftsmodell – dem Einzelimport in Deutschland nicht zugelassener Arzneimittel –  gesägt. Vielmehr haben die Karlsruher Richter bestätigt, was schon die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Dresden, entschieden hatte: Die Arzneimittelpreisverordnung ist auf nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) einzelimportierte Arzneimittel nicht anwendbar. Das heißt: Die ilapo und andere Großhändler, die diese hierzulande nicht zugelassenen Präparate im Einzelfall einführen, sind nicht auf den bei 37,80 Euro gedeckelten Großhandelszuschlag beschränkt.

Was darf die Apotheke aufschlagen?

Doch worum ging es genau? Die Stadt-Apotheke im sächsischen Freital hatte 2013 für eine Kundin das Krebsmedikament Kadcyla – das damals noch nicht am deutschen Markt erhältlich war – über die ilapo importiert. Die Barmenia, die Krankenversicherung dieser Patientin, befand den Preis im Vergleich zum Einkaufspreis allerdings für zu hoch. Nach ihren Informationen habe der Herstellerpreis für das Arzneimittel in der Schweiz bei umgerechnet um die 2000 Euro gelegen. Mit den in der Arzneimittelpreisverordnung vorgesehenen Zuschlägen – für den Großhandel 37,80 Euro plus 0,70 Euro – käme man auf einen zulässigen Gesamtpreis von 2.738,50 Euro netto/100 mg – die Apotheke habe jedoch 3500 Euro netto/100 mg abgerechnet. Die Krankenversicherung hatte zunächst zwar gezahlt, später aber die Differenz für sechs Packungen zurückgefordert. Dazu musste sie vor Gericht ziehen.

Die erste Instanz, das Landgericht Dresden, gab der Barmenia noch Recht: Es vertrat die Auffassung, dass die Arzneimittelpreisverordnung Anwendung finde. Anders das Oberlandesgericht Dresden in der Berufung: Dieses schloss sich der Argumentation der Apotheke – die von der ilapo als Streithelferin unterstützt wurde – an und kassierte das Urteil der Vorinstanz. 

Zweck der Arzneimittelpreisverordnung: Einheitliche Abgabepreise

Das Oberlandesgericht sah zwar die Normen des Arzneimittelgesetzes, wonach der Paragraf zu den Preisen (§ 78 AMG) auf Einzelimporte ausnahmsweise Anwendung findet (§ 73 Abs. 4 Satz 2 AMG). Allerdings sei § 78 zunächst nur eine Ermächtigung zum Erlass der Arzneimittelpreisverordnung. Doch für anwendbar hielten die Richter diese nicht. Und zwar deshalb, weil die Arzneimittelpreisverordnung vor allem den Zweck verfolgt, einen einheitlichen Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel sicherzustellen. Dieser Zweck könne aber nur erreicht werden, wenn die pharmazeutischen Unternehmen auch einen einheitlichen Abgabepreis sicherstellen. Da Kadcyla im Jahr 2013 gar nicht in Deutschland zugelassen war, habe es folglich keinen pharmazeutischen Unternehmer gegeben, der diesen einheitlichen Preis hätte sicherstellen können. Bei Importen fehlt es gerade an einheitlichen Herstellerpreisen.

Die Richter am Oberlandesgericht räumten ein, dass die Arzneimittelpreisverordnung auch den Zweck habe, die Arzneimittelpreise zu begrenzen. Mit fixen Apotheken- und Großhandelszuschlägen könnten also auch die Kosten eines Einzelimports überschaubar gehalten werden. Aber: Die Beschaffung eines in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels sei ungleich aufwendiger als der Bezug eines hier zugelassenen Präparates. „Könnten diese Mehrkosten nicht auf den Patienten bzw. seine Versicherung abgewälzt werden, würde dies den Einzelimport von – in Deutschland nicht zugelassenen – Medikamenten unwirtschaftlich machen und letztlich zum Erliegen bringen“, heißt es im Urteil des Oberlandesgerichts vom 18. Mai 2017 (Az.: 10 U 853/16). Damit würden Patienten faktisch innovative Arzneimittel vorenthalten.

ilapo: Im Sinne der Patienten

Welche Argumentation der Bundesgerichtshof einschlägt, wird sich erst zeigen, wenn die Urteilsbegründung vorliegt. Bei der ilapo ist die Erleichterung aber schon jetzt groß: „Der BGH hat heute nicht nur im Sinne der Apotheken und Importeure von Medikamenten entschieden, sondern vor allem auch für Patienten, die an seltenen und /oder schweren Krankheiten leiden und für die importierte Arzneien oft eine überlebenswichtige Frage sind“, erklärte Geschäftsführerin Sabine Fuchsberger-Paukert.

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 2018, Az.: VIII ZR 135/17



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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