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Fortbildungstag in Brandenburg
Warum Apotheker und Ärzte gemeinsam stärker sind
Wenn Heilberufler miteinander statt nebeneinander arbeiten, profitiert der Patient. Das wissen Apotheker und Ärzte in Brandenburg und diskutierten am vergangenen Samstag zum dritten Mal in Folge über gemeinsame Fragestellungen. Auf dem interdisziplinären Fortbildungstag in Potsdam kam insbesondere beim Thema Digitalisierung klar heraus, dass das gemeinsame Agieren auch die Zukunft beider Berufsgruppen sichern kann.
Von Fremdeln, Eifersüchteleien oder Kompetenzgerangel war auf der Apotheker- und
Ärztefortbildung am vergangenen Samstag in Potsdam nichts zu merken. Der
Austausch zwischen den beiden Fachgruppen verlief patientenorientiert. Apothekerin
Dr. Sabine Gohlke und Allgemeinmediziner Dr. Reinhold Schrambke moderierten
gemeinsam den dritten gemeinsamen Fortbildungstag in Potsdam.
Die Vortragsthemen der pharmazeutischen und medizinischen Referenten betrafen beide Berufsgruppen wie beispielsweise Arzneimittel-Interaktionen im ambulanten Bereich oder digitale Hilfsmittel. Eine weitere Fragestellung, mit der beide Fachgruppen immer wieder konfrontiert werden, ist, welche Arzneimittel welche Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit haben.
Arzneimittel am Steuer
Die meisten zentralwirksamen Arzneimittel tragen in ihrer Gebrauchsinformation Warnhinweise zur eingeschränkten Fahrtüchtigkeit. Doch wie dramatisch ist deren Einfluss tatsächlich? Apotheker Dr. Sebastian Baum stellte die europaweite Druid-Studie vor, bei der mit Fahrproben oder Simulationen die Auswirkung verschiedener Arzneimittel auf die Verkehrssicherheit untersucht wurde. Die Arzneimittel-Effekte wurden jeweils mit der Beeinträchtigung des Fahrverhaltens unter 0,3 Promille Blutalkohol verglichen.
So ist unter einer Einmaldosis von 1 Milligramm Alprazolam die Fahrtüchtigkeit viermal so stark eingeschränkt, wie unter 0,3 Promille Alkohol. Nach einer Tablette 10mg Zaleplon um den Faktor 0,4. Auch Antidepressiva können die Fahrtüchtigkeit gefährden, insbesondere Trizyklika. Eine Dosis von 50 Milligramm Amitriptylin schränkt die Fahrtüchtigkeit ähnlich stark ein wie 1 Milligramm Alprazolam. Der selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Fluoxetin dagegen hat in der Studie keine negativen Effekte auf das Fahrverhalten gezeigt.
Bei den älteren Trizyklika seien zudem die anticholinergen Nebenwirkungen problematisch, so Baum. Muss ein Patient mehrere Arzneimittel einnehmen, die anticholinerge Nebenwirkungen verursachen, können sich diese addieren. Insbesondere bei älteren Patienten besteht die Gefahr eines Delirs. Anticholinerge Effekte zeigen allerding auch Arzneistoffe, die nicht wegen ihrer psychoaktiven Wirkung eingesetzt werden wie beispielsweise Furosemid, Predisolon oder Cimetidin. Bei der Substanzauswahl für chronisch Kranke, die regelmäßig Autofahren möchten, sind neben der dämpfenden daher auch die anticholinergen Wirkkomponenten zu berücksichtigen.
Sonderfall: Cannabisblüten
Bei Cannabisblüten, die seit gut einem Jahr auf Rezept verordnet werden können, sei die Beurteilung schwieriger, erläuterte Baum. Denn bei diese tragen als Rezepturarzneimittel keinen Beipackzettel. Hier seien Ärzte und Apotheker verantwortlich, den Patienten aufzuklären. Zudem ist die Pharmakokinetik der wirksamkeitsbestimmenden Substanzen von Cannabis von Blütensorte zu Blütensorte unterschiedlich.
Wie stark der Patient nach Anwendung von medizinischem Cannabis in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt ist, hängt unter anderem auch von seiner Grunderkrankung, der Begleitmedikation und davon ab, wie häufig der Betroffene Cannabis konsumiere.
Da die Metabolite von Cannabinoiden bis zu mehreren Tagen nachweisbar sind, sollten sich Cannabispatienten im Straßenverkehr ausweisen können. Geeignet sei eine Rezeptkopie oder eine Bescheinigung des Gesundheitsamts.
Arzneimittelinteraktionen im heilberuflichen Alltag
Laut einer Studie der Landesapothekerkammer Bayern mit 96 Apotheken, die Apotheker Dr. Lars-Alexander Mohrenweise vorstellte, muss bei jedem sechsten Patienten mit einer Arzneimittelinteraktion gerechnet werden. In 82 Prozent der Fälle ließ sich die Wechselwirkungsproblematik durch pharmazeutische Beratung. Eine erfreuliche Bilanz. Doch was bedeutet dies für den Apotheken- und Praxisalltag?
Nicht immer seien in der Arztpraxis Telefonanrufe aus der Apotheke willkommen, wenn die Arztpraxis voll ist, führte Mohrenweiser die Medizinerperspektive an. Laut einer Ärzte-Umfrage in Magdeburg fanden die Befragten, dass die Pharmazeuten häufig wegen Interaktionen anriefen, die Sicht der Mediziner wenig relevant sind. Allerdings wünschen sich die Ärzte, dass die Apotheker zuerst mit ihnen und erst dann mit dem Patienten über ein mögliches Interaktionsproblem auf ihrer Verordnung sprechen. Um dies zu gewährleisten, muss die Arztpraxis für den Apotheker gut erreichbar sein.
Um die Kommunikation zu vereinfachen stellt die Apothekerkammer Niedersachsen ein Formblatt für Interaktionsfragen zur Verfügung, das die Apotheke an die Arztpraxis faxen kann. Darauf ist das Rezept abzubilden sowie eine Beschreibung der Interaktion, ihre Folgen und wenn möglich ein Alternativvorschlag. Der Arzt kann wahlweise ankreuzen, ob ein Medikament ausgetauscht werden soll oder nicht.
Digitale Hilfsmittel – Freund oder Feind?
Zur Identifizierung von Wechselwirkungen oder auch zu anderen Fragestellungen stehen dem Apotheker verschiedene digitale Werkzeuge zur Verfügung. Erleichtern diese elektronischen Hilfsmittel den Arbeitsalltag von Apothekern und Ärzten oder gefährden sie deren Zukunft? Referent Dr. Peter Froese, Mitglied der ABDA- Arbeitsgruppe „Digitalisierung“ und Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein zeichnete zunächst ein düsteres Bild. „Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert“, betonte der Digitalexperte.
Für Technologieunternehmen sei das Gesundheitswesen ein Markt
wie jeder andere. Die Triebkraft für digitale Entwicklungen sei es, das Kapital
zu maximieren. Die heilberufliche Kompetenz ist für Startups nicht unantastbar.
So ist Künstliche Intelligenz laut Froese schon bald in der Lage, beispielsweise
eine Medikationsanalyse übernehmen oder Fachliteratur auswerten.
Froese forderte die Ärzte und Apotheker dazu auf, sich mit der digitalen Transformation aktiv auseinander zu setzten. „Wir kriegen ein anderes Gewicht, wenn wir Apotheker und Ärzte gemeinsam auftreten als eine Berufsgruppe alleine“, appellierte Froese. Eine große Chance sei es, dabei den Ausbau der Telematik nach § 291 SGB V gemeinsam zu forcieren. So seien die elektronische Gesundheitskarte und der elektronische Medikationsplan sinnvolle Werkzeuge für die sichere Apotheken-Arzt-Kommunikation. Die Grundsteine seien gelegt, meint Froese.
Kompetenzen gemeinsam nutzen
Der Beitrag des Digitalexperten Froese zeigte eindrücklich, wie wichtig es ist, dass Apotheker und Ärzte an einem Strang ziehen. „Uns ist es wieder einmal gelungen, eine Brücke zu schlagen“, fasste Schrambke zusammen. „Die Ärzte hätten verstanden, dass es der Apotheker in der Beratung nicht immer leicht hat. Und die Apotheker hätten verstanden, warum ein Arzt im Arbeitsalltag oft so schwer zu erreichen ist“, so der Moderator weiter. Für die Zukunft haben sich die Brandenburger zum Ziel gesetzt, die Kommunikation weiter zu verbessern, um den Patienten noch effektiver helfen zu können.
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