EMA-Warnung

Unter Retinoiden sicher verhüten und auf Depressionen achten

Stuttgart - 15.02.2018, 11:30 Uhr

EMA will Schwangerschaftsverhütungsprogramme unter Retinoiden innerhalb der EU harmonisieren. (Foto: pixelfreund / stock.adobe.com)

EMA will Schwangerschaftsverhütungsprogramme unter Retinoiden innerhalb der EU harmonisieren. (Foto: pixelfreund / stock.adobe.com)


Schwangerschaftsverhütungsmaßnahmen: So sperrig das Wort auch ist – der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz bei der EMA (PRAC) hat offenbar Bedenken, dass Frauen unter Retinoid-Behandlung oder ihre Ärzte diese dennoch „übersehen“ könnten. Aktualisierte, EU-weit einheitliche Programme sollen Retinoide für Frauen im gebärfähigen Alter sicherer machen. Wie sieht es bei topischen Retinoiden aus? Schwangerschaft vermeiden, ja oder nein? Außerdem: Der PRAC ergänzt einen Warnhinweis zu Depression, Angst und Stimmungsschwankungen unter systemischen Retinoiden.

Retinoide wirken embryotoxisch. Heißt: Orale Arzneimittel mit den Wirkstoffen Acitretin, Alitretinoin und Isotretinoin, Bexaroten und Tretinoin dürfen Schwangere nicht einnehmen. Für Frauen im gebärfähigen Alter gelten strenge Schwangerschaftsverhütungsprogramme unter Retinoid-Therapie. Oder sie sollten es zumindest. Innerhalb der EU setzt derzeit offenbar jedoch nicht jeder Mitgliedstaat diese risikominimierenden Maßnahmen um – obwohl diese bereits Ende 2016 beschlossen wurden. Zu dieser Einschätzung kommt der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) in seiner abschließenden Bewertung zu Retinoiden.

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Darüber hinaus sind die Empfehlungen zur Schwangerschaftsverhütung innerhalb der EU-Länder laut der Europäischen Arzneimittelagentur nicht einheitlich. Das möchte die EMA ändern: Sie will Schwangerschaftsverhütungsprogramme für Frauen im gebärfähigen Alter, die Retinoide einnehmen, nun EU-weit harmonisieren. Zusätzlich ergänzt sie einen Warnhinweis zu neuropsychiatrischen Störungen unter Vitamin A-Säure-Derivate.

EMA aktualisiert Schwangerschaftsverhütungsmaßnahmen unter Retinoiden

Die EMA weist darauf hin, dass Ärzte jede Frau vor einer Therapie mit oralen Retinoiden auf ihre Gebärfähigkeit und die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden hin „bewerten“ müssen. Zusätzlich fordert die Behörde, vor Gabe der ersten Tablette eine bereits bestehende Schwangerschaft mittels eines Schwangerschaftstests auszuschließen. Die Patientin soll außerdem über die Notwendigkeit einer effektiven Verhütung aufgeklärt werden. Sowohl Arzt als auch Patientin bestätigen die erfolgte Beratung schriftlich.

Schwangerschaftsverhütungsprogramm nicht für alle Retinoide

Die neuen Schwangerschaftsverhütungsmaßnahmen betreffen nicht alle oralen Retinoide. Bexaroten in Targetin® setzen Ärzte bei Patienten mit kutanem T-Zell-Lymphom ein (CTCL); Tretinoin ist der Wirkstoff in Vesanoid®, einem Arzneimittel zur Behandlung der akuten Promyelozyten Leukämie (APL). Beide Arzneimittel haben rein onkologische Indikationen. Krebspatientinnen stehen ohnehin unter enger medizinische Überwachung, sodass zusätzliche Schwangerschaftsverhütungsprogramme nach Ansicht des PRAC nicht erforderlich sind

Topische Retinoide – Schwangerschaft vermeiden, ja oder nein?

Der PRAC stuft die systemische Exposition topisch applizierter Retinoide als „extrem gering“ ein. Nichtsdestotrotz empfiehlt der Pharmakovigilanz-Ausschuss auch hier, Retinoide bei schwangeren Frauen oder Frauen, die eine Schwangerschaft planen, nicht einzusetzen. Der PRAC begründet seine Entscheidung damit, dass ein unsachgemäßer Gebrauch der Anwenderin nicht ausgeschlossen werden könne, auch eine gestörte Hautbarriere könne die resorbierte Menge an Retinoid erhöhen.

Warnung zu Depression unter Retinoiden

Der PRAC empfiehlt auch, die Produktinformation oraler Retinoide um das Risiko neuropsychiatrischer Störungen zu ergänzen. So liegen dem Pharmakovigilanz-Ausschuss Hinweise vor, dass die Einnahme von Retinoiden Stimmungsschwankungen und Depressionen begünstigt. Allerdings gibt der PRAC zu bedenken, dass unter Umständen auch die Schwere der Grunderkrankung (Hauterkrankung, Lymphom, Leukämie) bei den Retinoid-Patienten Depressionen begünstigen könnte. Für die topischen Retinoide wird es keine zusätzlichen Warnhinweise in den Produktinformationen geben. Es existieren aktuell keine Hinweise, die Depressionen und topische Retinoide in Zusammenhang bringen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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