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Trotz Masern-Ausbrüchen
RKI-Präsident spricht sich gegen Impfpflicht aus
Die Einführung einer Impfpflicht zur Eindämmung von Masern-Ausbrüchen sei womöglich sogar kontraproduktiv, erklärt der Präsident des Robert-Koch-Instituts Lothar H. Wieler: Sie könnte das Vertrauen in die Vorteile von Impfungen untergraben. Die Impfskepsis ist seiner Ansicht nach derzeit nicht das größte Problem.
Wie soll die Gesundheitspolitik auf die unzureichenden Impfquoten reagieren – und beispielsweise auf die Masernepidemien, die nach schweren Ausbrüchen im vorletzten Jahr in Berlin dieses Jahr insbesondere im Ruhrgebiet ein großes Problem waren? Die meisten Gesundheitspolitiker von Union, SPD und Grünen distanzieren sich bislang von der Einführung einer Impfpflicht – während die FDP auf diese Lösung setzt, die auch von den Regierungen in Italien und Frankreich verfolgt wird. Die CDU hatte zwar auf ihrem Bundesparteitag 2015 die Regierung zur Einführung einer Impfpflicht aufgefordert, doch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sieht sie nur als letztes Mittel an.
Argumente gegen die Einführung einer Impfpflicht liefert nun auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar H. Wieler. Zwar sei das Ziel der Ausrottung der Masern in Deutschland „bislang deutlich verfehlt“ worden, wie er auch in Hinblick auf einen Todesfall in diesem Jahr betont – doch die Einführung einer Impfpflicht sei nur auf den ersten Blick die richtige Reaktion, schreibt er in einem Gastbeitrag in der „Ärztezeitung“. „Auf den zweiten Blick ist sie es aber nicht – im Gegenteil, sie wäre möglicherweise sogar kontraproduktiv“, betont Wieler.
Aus seiner Sicht sind Informationskampagnen und aufsuchende Impfangebote „dringend erforderlich“. Denn die maßgebliche Ursache der letzten Masern-Ausbrüche seien die großen Impflücken bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen gewesen. „Nach Ergebnissen einer RKI-Studie sind bei den 18- bis 44-Jährigen mehr als 40 Prozent nicht gegen Masern geimpft“, erklärt Wieler. Diese Altersgruppe werde aber bei Forderungen für eine Impfpflicht nie erwähnt.
„Vielen ist die Empfehlung der Ständigen Impfkommission
(STIKO) gar nicht bekannt, dass die nach 1970 Geborenen die Impfung nachholen
oder vervollständigen sollen, wenn keine zwei Impfungen im Impfausweis vermerkt
sind“, schreibt der RKI-Präsident. Junge Erwachsene gingen auch selten zum
Arzt.
Impfskepsis ist laut Wieler nicht das Hauptproblem
Skepsis gegenüber Impfungen müsse ernst genommen werden – sie sei aber nicht das Hauptproblem, betont Wieler. „Sonst gäbe es bei Schulanfängern keine Impfquote von fast 97 Prozent für die erste Masernimpfung“, erklärt er. Die Impfquoten bei Schulanfängern seien bisher im Bundesdurchschnitt auch nicht gesunken, wenn sie auch zuletzt nicht gestiegen seien. Kinder würden oft zu spät geimpft und es gebe große regionale Unterschiede bei den Impfquoten gerade in den ersten Lebensjahren, schreibt der RKI-Präsident. Er sieht Erinnerungssysteme als ein probates Mittel an, um Impfquoten zu erhöhen. „Die 2016 eingeführte verpflichtende Impfberatung vor dem Besuch einer Kindertagesstätte und die Impfstatuskontrolle bei den regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter wie auch die J1-Untersuchung im Jugendalter sind hier wichtige Bausteine“, betont Wieler.
Es gebe genügend überzeugende Gründe fürs Impfen, schreibt der RKI-Chef: „Eine Impfpflicht könnte auch den Eindruck erwecken, dass diese sachlichen Argumente doch nicht so gut sind“, argumentiert er. Zudem erwartet er bei Einführung einer Impfpflicht Widerstand von Impfgegnern, der personelle Kapazitäten im Öffentlichen Gesundheitsdienst und in Arztpraxen binden würde, die an anderer Stelle dringend gebraucht würden. Wieler befürchtet, dass bei Einführung einer Masern-Impfpflicht die Bereitschaft für andere Impfungen zurückginge. Auch Wissenschaftler aus Erfurt und Aachen hätten dies bestätigt, so Wieler.
Gesundheitsämter müssten gestärkt werden
Statt einer womöglich auch noch als preiswert angesehenen Impfpflicht müssten Gesundheitsämter personell und finanziell so ausgestattet werden, dass sie handlungskräftig sind, fordert der RKI-Präsident. „Auch Abrechnungshindernisse sollten abgebaut werden, damit jeder Arztkontakt zum Schließen von Impflücken genutzt werden kann, sodass zum Beispiel der Kinderarzt die anwesenden Eltern mit impfen kann“, betont er. „Solche rein bürokratischen Hindernisse stellen fachlich nicht gerechtfertigte Barrieren dar.“
5 Kommentare
Frage zur Quelle
von A. Siebold am 26.09.2017 um 13:44 Uhr
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AW: Frage zur Quelle
von Maja Schlaja am 01.11.2017 um 10:04 Uhr
Mein Kommentar!
von Anne Hübner am 26.09.2017 um 10:17 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Mein Kommentar
von Marco Piroth am 02.10.2017 um 15:23 Uhr
Kita-Meldepflicht
von Rosenkohl am 25.09.2017 um 20:55 Uhr
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